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Gefährten im Aufstieg

Vor rund zehn Jahren ist das Forum Mentoring angetreten, um erfahrene Wissenschaftler mit jungen Forschenden zu vernetzen. Heute zeigt sich: Nicht nur Promovenden und Postdocs profitieren davon. Auch Professorinnen und Professoren ziehen positive Energien aus der Zusammenarbeit. Eine Zwischenbilanz.

Die Habilitation schien für Professorin Dr. Simone Schmitz-Spanke ein unrealistisches Ziel zu sein. Während ihre männlichen Kollegen an der Medizinerin und Mutter von drei Kindern vorbeizogen, haderte die wissenschaftliche Mitarbeiterin mit sich. Das änderte sich erst, als sie an die Universität Duisburg-Essen wechselte und sich für das Mentoringprogramm „MediMent“ bewarb.  „Ich wurde gezwungen, meine Rolle in der Familie und im Beruf zu überdenken: Wo soll die Reise hingehen?“, berichtet Schmitz-Spanke, die mittlerweile eine W2­Professur an der Universität Erlangen innehat. Sie profitiere noch heute von den Workshops und dem Netzwerk aus Mentees und Mentorinnen, sagt sie.

Simone Schmitz-Spankes Karriereentwicklung zeigt auf, wo Mentoringprogramme ansetzen. Doktoranden, Postdocs, Habilitanden auf dem Sprung zur Professur, aber auch Neuberufenen soll der Karriereweg geebnet werden, und das so nachhaltig wie möglich. Dies geschieht über erfahrene Wissenschaftler, die den Nachwuchswissenschaftlern in Einzelgesprächen vermitteln, worauf es in der Community ankommt, die Fragen beantworten, mit Kontakten aus den eigenen Netzwerken weiterhelfen, zuweilen auch den Finger auf wunde Stellen legen, die ein Vorankommen der Mentees bislang behindert haben. Zum Konzept gehören auch Seminare, Workshops und regelmäßige Treffen zum Netzwerken für alle Teilnehmenden, wovon auch die Mentoren profitieren. Die Mentees erhalten Schulungen zu Führungskompetenzen, Drittmittelakquise und Berufungsgesprächen genauso wie die Gelegenheit zum informellen Austausch.

Meist sind es Frauen, die die Programme verantworten, von den Netzwerken schwärmen und von ehemaligen Mentees, die Jahre später selbst Mentoren wurden. „Längst geht es dabei nicht nur um die individuelle Weiterentwicklung, sondern auch darum, wie die Hochschule von den Mentoringprogrammen nachhaltig profitiert – im Sinne einer lernenden Organisation: durch neue Impulse für die Personalentwicklung, durch höheres Drittmittelaufkommen, wenn wir die jungen Forscherinnen und Forscher gezielt fit für das Management großer Forschungsprojekte machen. Hinzu kommen Netzwerke und der Austausch mit anderen Hochschulen“, sagt Dr. Renate Petersen. Sie ist die stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte der Universität Duisburg-Essen und koordiniert die Mentoringprogramme „MediMent“ und „Mentoring³“ für (Post­)Doktoranden.
Zudem ist Petersen Arbeitsgruppenleiterin im Forum Mentoring. Der Verband gründete sich vor zehn Jahren zum Zweck des Austausches, der Schulung neuer Koordinatoren und der Qualitätssicherung. Koordinatoren von mehr als 120 Programmen sind dort mittlerweile organisiert.

Für Evaluation steht kein Geld zur Verfüguung

Das Thema Mentoring ist dennoch gerade hinsichtlich seiner Wirksamkeit noch kaum untersucht. „Für solche Evaluationen steht den Programmen, die ohnehin häufig nur befristet aus Drittmitteln finanziert werden, kein zusätzliches Geld zur Verfügung“, sagt Dr. Dagmar Höppel, Geschäftsstellenleiterin der Landeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten an den wissenschaftlichen Hochschulen Baden-Württembergs. Sie ist Projektleiterin von „Aufwind mit Mentoring“, einer vom Bundesforschungsministerium finanzierten Studie, die 2010 startete. Auf die Förderung junger Wissenschaftlerinnen zielt die Mehrzahl (81 Prozent) der Programme, die sukzessive seit Ende der Neunzigerjahre im Rahmen der Gleichstellungsarbeit an Hochschulen und Forschungseinrichtungen entstanden sind.

Deutlich überwiegt das One-to-one-Mentoring (ein Mentee, ein Mentor) mit mehr als 90 Prozent, doch gibt es auch Gruppen-Mentoring (mehrere Mentees, ein Mentor), Peer-Mentoring (Mentees treffen sich zum Austausch und laden dazu wechselnde Mentoren aus ihrem Netzwerk ein) sowie Cross-Mentoring zwischen verschiedenen Hochschulen. Neben offenen gibt es mit mehr als 80 Prozent vor allem geschlossene Programme, die den zeitlichen Rahmen genau festlegen.
In Duisburg-Essen etwa, einem der Standorte, die in Teilen ihres Programms auch Männer aufnehmen, kommen alle Formen zum Einsatz, auch kombiniert, zum Beispiel One-to-one-Mentoring mit Peer-Mentoring.

„Welche Mentoringform besser geeignet ist, lässt sich nicht pauschal sagen. Entscheidend ist, dass die Mentees an ihren individuellen Zielen arbeiten können und eine persönliche Beratung bekommen, die ihrer jeweils spezifischen Situation entspricht“, sagt Renate Petersen. Darum sei es so wichtig, Mentee-Mentor-Paare zu bilden, die wirklich zueinander passen. Sie erläutert: „One-to-one-Programme stellen natürlich ein intensiveres Verhältnis her.  Dafür ist der Informationstransfer beim Peer-Mentoring größer, weil verschiedene Berater mit verschiedenen Blickwinkeln involviert sind.“

Die regelmäßige Evaluation und Weiterentwicklung der Programme hält die Mentoring-Expertin für unverzichtbar: „Weil es inzwischen so viele Programme gibt, haben wir Koordinatoren im Forum Mentoring uns über einige Punkte verständigt: Was will gutes Mentoring und wie können Qualitätsstandards eingehalten werden – im Sinne guter wissenschaftlicher Praxis. Wir arbeiten zudem gemeinsam an der Entwicklung von Fragebögen für die Evaluation, damit eine Vergleichbarkeit eher möglich ist“, erklärt Petersen.

Kaum eine deutsche Hochschule scheint heute noch ohne Mentoringprogramm auszukommen, wenngleich die wenigsten in der Lage sind, die Programme selbst zu finanzieren. Angesiedelt sind diese oftmals in Zentren für Hochschul- und Qualitätsentwicklung, im Career Center, dem Gleichstellungsbüro oder auch in einzelnen Fakultäten. Die meisten werden mit Mitteln aus dem bis 2017 verlängerten Professorinnenprogramm des Bundesforschungsministeriums, aus dem Europäischen Sozialfonds und über die Ministerien der Länder finanziert.

Die Hochschulen sind in der Pflicht

Auf befristeten Stellen sitzen demzufolge meist die für Mentoring zuständigen Programmkoordinatoren. Das ist aus Sicht der Beteiligten ein großes Manko. „Schlimmstenfalls verlassen die Koordinatorinnen – oft sind es Doktorandinnen – nach einem Jahr die Hochschule und ihre Koordinatorenstelle freiwillig, weil sie ein besseres, unbefristetes Angebot von einer anderen Institution oder aus der Wirtschaft erhalten. Das ist das Gegenteil von nachhaltigem Wissensmanagement, weil Kontakte zu Mentorinnen und Mentoren und Netzwerke auf diese Weise verlorengehen“, kritisiert Dagmar Höppel. Sie fährt fort: „Stattdessen muss es vielmehr darum gehen, das Berufsbild weiterzuentwickeln und daraus Karrierechancen zu entwickeln. Hier sind die Hochschulen in der Pflicht.“

Die Verstetigung ist auch das Anliegen der stellvertretenden Vorsitzenden des Forum Mentoring, Dr. Elke Bertke. „Diese Aufgabe erledigt man nicht nebenbei. Der Aufbau von Kontakten zu potenziellen Mentoren, die Betreuung des Bewerbungsverfahrens für das Programm, der Prozess des Mentee-Mentoren-Matchings, die Begleitung der Teilnehmerinnen, die Organisation von Veranstaltungen sowie die Qualitätssicherung kostet viel Zeit“, betont Elke Bertke, die Referentin im Zentrum für Promovierende und Postdocs der Universität Osnabrück ist und dort die Mentoringprogramme leitet. Ihre Bilanz: „Hochschulen, die es ernst meinen mit einem Mentoringprogramm, brauchen dafür dauerhaft eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter mit mindestens einer hal­ben oder einer Dreiviertelstelle.“

Kriterien für gutes Mentoring

Kriterien für gutes Mentoring

  • Freiwilligkeit Mentee/Mentor nehmen aus eigenem Antrieb am Programm teil. Und nicht, weil Vorgesetzte oder Programmverantwortliche sie dazu gedrängt haben.
  • Unabhängigkeit Um Befangenheit auszuschließen, darf kein Abhängigkeits- oder Arbeitsverhältnis bestehen zwischen Mentee und Mentor (wie das eines Promovenden zu seiner Doktormutter).
  • Definierter Zeitraum Die Festlegung der Dauer des Mentorings schafft auf beiden Seiten bessere Planbarkeit und erhöht die Verbindlichkeit.
  • Persönlicher Kontakt E-Mails, Skype und Telefonate sind eine sinnvolle Ergänzung, aber kein Ersatz für intensive persönliche Gespräche. 
  • Vertraulichkeit Die Gespräche finden in geschütztem Rahmen statt. Diskretion ist ein Muss.
  • Verbindlichkeit Beide Seiten sollten sich zuverlässig an Termine und Absprachen halten.
  • Erwartung und Vereinbarung Beide Aspekte sollten zu Beginn zwischen Mentee und Mentor angesprochen werden. Vor allem geht es darum, zu definieren, welches Ziel der/die Mentee mit dem Mentoring verfolgt.
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