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Richtig pokern bei Berufungen

Wie viele Mitarbeiter bekomme ich? Gibt es Leistungsprämien? Ehe ein Wissenschaftler seine erste Professur antreten kann, muss er mit der neuen Hochschule verhandeln. Bloß wie? Einem festen Muster folgen Berufungsgespräche kaum noch. Der Staat überlässt dies stärker als früher der einzelnen Hochschule. Ein Bewerber sollte sich gut informieren.

Berufungsverhandlungen – ein Buch mit sieben Siegeln. Zumindest aus Sicht der Bewerber (Fußnote: 1) scheint die Redewendung nicht ganz abwegig zu sein. Meistens stellt das Gespräch für sie eine Premiere dar. Auf Erfahrungswissen können die Bewerber selten zurückgreifen.

Hinzu kommt, dass seit einigen Jahren der Staat die Verantwortung für Berufungsverhandlungen weitgehend den Hochschulen überlässt. Für den Bewerber bedeutet das: Die Regelungen und Verwaltungspraktiken sind vielschichtig und unterscheiden sich von Hochschule zu Hochschule. Für die Hochschulen wiederum werden Berufungsverfahren und -verhandlungen ein entscheidender Wettbewerbsfaktor bei der Gewinnung der besten Wissenschaftler.

Nachdem der Bewerber das Berufungsverfahren erfolgreich durchlaufen hat, erteilt in der Regel der Rektor der Hochschule den Ruf auf die Professur. (2) Der Berufungskandidat muss allerdings beachten, dass er durch die Ruferteilung noch keine gesicherte Rechtsposition erlangt hat. Die Ruferteilung ist lediglich ein Angebot der Hochschulleitung, in Berufungsverhandlungen zu treten. (3) Scheitern die Berufungsverhandlungen, ist das Verfahren für diesen Berufungskandidaten beendet.

Ausgangslage

Die Berufung von Professoren hat entscheidende Bedeutung für den wissenschaftlichen Rang einer jeden Hochschule. (4) Ihre Entwicklungsperspektiven sind immer mehr davon bestimmt, ob es ihr gelingt, herausragende Wissenschaftler zu gewinnen. (5) Die Berufung ist insofern das klassische Mittel des wissenschaftlichen Wettbewerbs. Die beste Hochschulpolitik ist eine exzellente Berufungspolitik. (6) Die Hochschule wird also bestrebt sein, den aus ihrer Sicht besten Kandidaten zu berufen.

Auf der anderen Seite ist die Situation des Berufungskandidaten zu berücksichtigen, der, vor allem wenn es sich um seinen Erstruf handelt, selbst ein sehr großes Interesse haben wird, die Professur zu erhalten.

Inhalt der Berufungsverhandlungen

Berufungsverhandlungen werden über besoldungs- und beamtenrechtliche Fragen einerseits und über die Personal- und Sachausstattung andererseits geführt. Besoldungs- und beamtenrechtliche Aspekte sind beispielsweise die Leistungszulagen und die damit verbundene Frage ihrer Ruhegehaltsfähigkeit, Umzugskosten, Trennungsentschädigung, Nebentätigkeiten, der Dienstantritt oder auch die Denomination, also die konkrete Benennung der Professur. Bei der Personalausstattung wird über die Stellen der wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter verhandelt. Dabei geht es um die Anzahl der Stellen, aber auch darum, ab wann die Stellen besetzbar sind und wie die jeweilige Wertigkeit der Entgeltgruppe bzw. Besoldungsgruppe ausgestaltet ist. Bei der Sachausstattung werden die Erstausstattung und die laufende Mittelausstattung verhandelt. Man spricht über die Anzahl, Größe und Art der Räume. Daneben kann es um Themen wie das Lehrdeputat, die Gewährung eines Forschungssemesters oder die Möglichkeit gehen, ob auch für den Partner des Bewerbers eine Beschäftigungsmöglichkeit zugesagt werden kann. Über das Ergebnis wird ein Verhandlungsprotokoll gefertigt. Diese sogenannte Berufungsvereinbarung stellt einen öffentlich-rechtlichen Vertrag dar. (7)

Im Vorfeld der Berufungsverhandlungen

Üblicherweise sendet der Bewerber vor der Berufungsverhandlung der Hochschule einen Katalog mit Forderungen, etwa zur Besoldung und zur Ausstattung der Professur. Dafür braucht er zunächst exakte Informationen über das Profil der Hochschule, des Fachbereiches sowie der Professur. Auch die jeweilige Rechtslage sollte er bedenken. Die Grundlagen zur W-Besoldung sind nicht nur von Bundesland zu Bundesland verschieden, sondern auch von Hochschule zu Hochschule. Regelungen findet man im Professorenbesoldungsreformgesetz des Bundes (8), dem Besoldungsgesetz und der einschlägigen Rechtsverordnung des Landes (9), in der entsprechenden Satzung der Hochschule und gegebenenfalls in einer Richtlinie des Rektorates. Fühlt man sich in diesem Dickicht nicht sicher, empfiehlt es sich, externen Rat einzuholen. (10)

In jedem Fall sollte der Berufungskandidat im Vorfeld mit dem Dekan und mit dem bisherigen Stelleninhaber Kontakt aufnehmen. Begleitet der Dekan den Berufungskandidaten zur Berufungsverhandlung, kann es von Vorteil sein, den Dekan von seinen Qualitäten zu überzeugen. Es ist durchaus üblich, dass der Dekan bei den Probevorträgen nicht anwesend war und den Bewerber vor den Verhandlungen somit gar nicht persönlich kennengelernt hat. Dann ist es umso ratsamer, ihn auf seine Verhandlungsseite zu ziehen. In der Regel dürfte das kein Problem sein. Der Dekan selbst hat ein Interesse daran, von der Hochschulleitung für seine Fakultät zusätzliche Mittel zu erhalten. Ferner will er die Stelle möglichst schnell besetzt haben, damit insbesondere der Lehrbetrieb reibungslos weiterläuft.

Die Anforderungen in der Verhandlung

Die genaue Betrachtung der Verhandlungssituation ist oft entscheidend für die Berufungsverhandlung. Ist die Professur für ein Exzellenzcluster oder einen Sonderforschungsbereich relevant, wird die Hochschulleitung dies entsprechend in der Berufungsverhandlung berücksichtigen. Auch die Historie des Berufungsverfahrens ist von Bedeutung. Ist die Stelle schon mehrmals ausgeschrieben worden? Ist die Bewerberlage seit längerer Zeit für dieses Fach schlecht, verbessert sich die Verhandlungsposition des Bewerbers.

Für das Gewinnungsinteresse der Hochschule ist auch von Bedeutung, wie die Qualität der Berufungsliste aussieht. Ist beispielsweise der Erstplatzierte mit Abstand der beste Kandidat, wird die Hochschulleitung auch ein großes Interesse an genau diesem Bewerber haben. Sind auf einer Dreier-Liste allerdings mehrere Kandidaten von fast gleicher Qualifikation, dürfte die Verhandlungsposition des einzelnen Kandidaten schwächer ausfallen.

Der Berufungskandidat sollte sich nicht wie ein „Bittsteller“ fühlen. (11) Allerdings sollte er sich über seinen Marktwert Gedanken gemacht haben. Steht zum Beispiel die Altertumswissenschaft nicht im Fokus der Hochschule, hat das natürlich Auswirkungen auf die Verhandlungen. Liegt dem Kandidaten ein Konkurrenzruf einer anderen Hochschule vor, sollte er dies nicht verschweigen und seine Verhandlungssituation so verbessern.

Verhandlungspartner

Wer bei den Berufungsverhandlungen auf Seiten der Hochschule der Verhandlungspartner ist, variiert. Üblicherweise verhandelt der Präsident selbst, gegebenenfalls mit dem Kanzler gemeinsam. Bei größeren Universitäten verhandelt zumindest bei W2-Professoren häufig nur der Kanzler. Bei Juniorprofessuren wird bei vielen Universitäten nicht mit der Hochschulleitung verhandelt. Häufig setzen die Hochschulen zur Professionalisierung Berufungsbeauftragte ein, die als ständiger Ansprechpartner den gesamten Berufungsprozess begleiten.

Aufs Wichtige beschränken: Eine Berufungsverhandlung dauert 60 bis 90 Minuten

Was ist verhandelbar?

Für eine Berufungsverhandlung stehen circa 60 bis 90 Minuten Zeit zur Verfügung. Man sollte sich also nicht mit Aspekten aufhalten, die ohnehin nicht oder kaum verhandelbar sind. Der Bewerber sollte daher vorher wissen, wo Spielräume bestehen und wo nicht.

Zur W-Besoldung

Folgende Fragen bieten sich an, da diese Punkte regelmäßig verhandelbar sind:

• Gibt es Berufungsleistungsbezüge? Steigen sie  mit Besoldungserhöhung an und sind sie ruhegehaltsfähig? Das heißt: Werden die Leistungs zulagen bei der Berechnung der Pensionsansprüche berücksichtigt?

• Handelt es sich bei dem Berufungsleistungs bezug um eine befristete oder unbefristete Zulage?

• Ist die Hochschulleitung bereit, eine Zielver einbarung mit dem Berufungskandidaten abzuschließen? Wenn ja, in welcher Form? Im Vorleistungsmodell muss der Berufene erst das vereinbarte Leistungsziel erreichen, ehe er eine  Zulage erhält. Im Erprobungsmodell erhält der  Berufene dagegen direkt eine Zulage, die entfristet wird, sobald das Ziel erreicht ist.

• Nach Ablauf welcher Zeit kann der Neube rufene erstmals einen Antrag auf besondere  Leistungsbezüge stellen? Gibt es hierzu Sonder regelungen wie zum Beispiel Verkürzungsmöglichkeiten?

Zur Sach- und Personalausstattung

Bei der Ausstattung der Professur lautet die Faustregel: Was Dauerstellen und dauerhafte Finanzmittel angeht, besteht in der Regel wenig Verhandlungsspielraum. Anders ist es bei temporären Finanztöpfen. Aus dem Hochschulpakt, mit dem Bund und Länder die Schaffung neuer Studienplätze finanzieren, können auch zusätzliche Personalstellen gerade für die Startphase zur Verfügung gestellt werden. Über Studienbeiträge (12) oder Qualitätsverbesserungsmittel (13), die für die Verbesserung der Lehre genutzt werden müssen, kann ebenfalls grundsätzlich verhandelt werden. Ein gewisser Spielraum besteht in der Regel auch bei der Entscheidung über die Erstausstattungsmittel. Auf diesen Punkt sollte der Berufungskandidat in seinem Forderungskatalog intensiver eingehen.

Wünsche zur Änderung der Benennung der Professur sind in Grenzen möglich. Entscheidend ist hier immer die Frage, ob durch eine Änderung der Denomination ein anderer Bewerberkreis angesprochen worden wäre. Fragen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf lohnen immer. Hier empfiehlt sich ein Blick auf die jeweilige Homepage der Hochschule, die dort entsprechende Hinweise enthalten wird. Zeiten von Lehrstuhlvertretungen können für ein avisiertes Forschungssemester angerechnet werden. Einige Hochschulen reduzieren auch die Lehrverpflichtung im ersten Jahr, um den Neuberufenen den Einstieg zu erleichtern.

Die vereinbarten Aspekte werden in die Berufungsvereinbarung aufgenommen, die in der Regel für höchstens fünf Jahre verbindlich ist. (14) Zu beachten ist abschließend, dass die Verhandlungskultur von Hochschule zu Hochschule sehr variieren kann. Bei den Fachhochschulen stehen üblicherweise die Fragen zur Sach- und Personalausstattung etwas weniger im Fokus als bei den Universitäten. Ansonsten gibt es kaum Unterschiede.

____________________
Fußnoten:
1) Im Interesse einer besseren Lesbarkeit wird nicht ausdrücklich in geschlechtsspezifische Personenbezeichnungen differenziert. Die gewählte männliche Form schließt eine adäquate weibliche Form gleichberechtigt ein.
2) In Niedersachsen (§26 II NHG), Sachsen-Anhalt (§36 I HSG LSA), Bremen (§18 IV BremHG) und  Berlin (§101 BerlHG) erteilt das Ministerium bzw. der Senator den Ruf.
3) BVerwG, Urteil vom19.2.1998, 2 C 14/97.
4) BVerfGE 35, 79 ff. (133).
5) Ebel-Gabriel, FuL 2003, 27.
6) Hartmer, FuL 1996, 136.
7) So OVG NW, Urteil vom 27.11.1996, 25 A 3079/93.
8) Professorenbesoldungsreformgesetz vom 23.2.2002.
9) Zum Beispiel Hochschul-Leistungsbezügeverordnung des Landes NRW i.d.F. vom 16.5.2013, GV.NRW S. 234.
10) Zum Beispiel beim Hochschulverband (für Universitätsprofessoren) bzw. dem Hochschullehrerbund (für Professoren an Fachhochschulen).
11) Vgl. Pressemeldung des Deutschen Hochschulverbandes vom 25.7.2014.
12) Nur noch in Niedersachsen.
13) Vgl. das Studiumsqualitätsgesetz NRW vom 1.3.2011.
14) So zum Beispiel in Baden-Württemberg (§ 48 IV LHG BW), Brandenburg (§ 38 X BbgHG) und Schleswig-Holstein (§ 62 X HSG SH).

Literatur-Tipps

Literatur

  • Kerbst, Renate: Berufungsgespräche erfolgreich führen, 2014
  • Färber, Christine / Riedler, Ute: Black Box Berufung: Strategien auf dem Weg zur Professur, 2011
  • Herrmann, Oliver: Die Berufung von Professorinnen und Professoren, 2007
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