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Forscher sind nicht allein

Früher belächelt, nun Profiwerkzeug in der Personalförderung: Coaching. Immer mehr Professoren, Nachwuchswissenschaftler und Hochschulmitarbeiter nehmen in Zeiten steigender Herausforderungen und wachsender Aufgaben Rat von außen in Anspruch – ein neues Klientel für Coaches.

Wer Raum 2.06 der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR) betritt, taucht ein in eine untypische Büroatmosphäre. Das kleine Zimmer versprüht Wohnzimmercharme: Duft von frisch gebrühtem Ingwer-Orange-Kräutertee liegt in der Luft, warme, freundliche Beleuchtung, Naturfotos an den Wänden und dezente klassische Musik. Kreisförmig angeordnete Stühle mit weichen Kissen laden zum Verweilen ein. Nur Schreibtisch und Flipchart erinnern daran, dass an diesem Ort durchaus gearbeitet wird.

Nachfrage an Coaches wächst

„Wer hier reinkommt, soll sich wohlfühlen“, erklärt Dr. Boris Schmidt. Der Wirtschaftswissenschaftler und Psychologe coacht in seinem Büro regelmäßig Hochschulmitarbeiter. Er ist damit einer jener bundesweit rund 100 Experten, die seit einigen Jahren zu einer gefragten Spezies gehören. Immer häufiger sind Coaches in der Personalentwicklung, Hochschuldidaktik oder Nachwuchsförderung gefordert. „Hochschuljobs sind oft so komplex, dass der Bedarf an Coachings in Forschung, Lehre und Administration wächst“, sagt Schmidt.

Die Coaches unterstützen in Einzelgesprächen etablierte Professoren ebenso wie Nachwuchsforscher oder Verwaltungsmitarbeiter, die vor großen Herausforderungen stehen oder sich in Konfliktsituationen befinden. Die Grenze zwischen Beruflichem und Privatem ist dabei oft fließend. Coaches sind deshalb nicht nur Berater, sondern auch professionelle Vertrauenspersonen. Das Ambiente in Schmidts Büro soll entspannend wirken und dabei helfen, dass seine Klienten Abstand vom Alltagsstress gewinnen. Klar ist auch, dass alles, was in diesem Raum besprochen wird, nur für den Coach und seinen Klienten bestimmt ist. Kein Wort davon wird je diese vier Wände verlassen. Denn zu Schmidt kommen beispielsweise neu berufene Professoren oder Führungskräfte, wenn sie als Neuling in einer Leitungsposition erst mal ein kompliziertes Geflecht aus gewachsenen Hierachiestrukturen unter den Mitarbeitern erneuern müssen.

Sie lassen sich darin coachen, wie sie sich Autorität verschaffen können, auch wenn Konflikte dabei vorprogrammiert sind. Oder sie suchen mithilfe des Begleiters auf Zeit einen Weg, wenn sie als Lehrstuhlinhaber nicht mehr nur gut forschen, sondern auch gut lehren sollen. Schließlich ist das kein Selbstläufer. Die Begleitung durch einen unabhängigen Coach kann hilfreich sein.

Ein anderer klassischer Konflikt, in dem sich vor allem viele Nachwuchsforscherinnen befinden, ist die Frage: Promotion oder Kind? Beides gleichzeitig zu bewältigen, ist nur selten und unter enormen Anstrengungen möglich. Die Coaches versuchen mit ihrer Klientin herauszufinden, was der betreffenden Frau am wichtigsten ist und welche individuellen Lösungsmöglichkeiten es gibt. Auch die Frage, ob jemand eine Promotion abbricht oder nicht, gilt als Konfliktklassiker. Offiziell ist es zwar ein Tabuthema, tatsächlich aber stellen sich viele Doktoranden die Frage, ob sie wirklich ihre ganze Energie in die Promotion stecken und das Risiko einer wissenschaftlichen Karriere eingehen wollen oder doch lieber nach Alternativen zum Beispiel in der Wirtschaft suchen sollten.

„Lösungen entstehen vor allem durch die Erweiterung der Perspektiven.“

Die Probleme sind so individuell wie die Menschen, die zu Schmidt und seinen Coachingkollegen kommen. Immer jedoch haben sie einen Bezug zur Arbeit in der Wissenschaft. Konkrete Ratschläge oder gar Standardantworten gibt es allerdings nicht. „Wohin der Coachee will, entscheidet er selbst“, sagt Schmidt. Der Coach gebe Impulse, um Denkblockaden aufzulösen und Gedankenexperimente zu wagen. Das bestätigt Dr. Monika Klinkhammer. „Die Menschen kommen oft in Krisenzeiten ins Coaching und hoffen, es wird ihnen gesagt, wo es langgeht“, sagt sie, „doch Coaching funktioniert anders. Lösungen entstehen im Beratungsprozess vor allem durch die Erweiterung der Perspektiven und durch Selbstreflexion.“

Klinkhammer arbeitet seit mehr als 15 Jahren als externer Coach für Hochschulen in ganz Deutschland. „Wir bieten keine inhaltliche Fachberatung und sagen ebenso wenig zu einem Wissenschaftler, er müsse sein Profil schwerpunktmäßig eher auf dieses oder jenes Forschungsgebiet ausrichten“, sagt Klinkhammer. Coachings böten vielmehr eine unabhängige Begleitung, eigene berufliche Lösungswege zu finden. Darin unterscheidet es sich von anderen Beratungsformen wie Training und Mentoring. Diese richten sich an eine Zielgruppe, die aus mehreren Personen besteht. Vermittelt werden dabei konkrete Kompetenzen oder strategische Tipps und Vorgehensweisen. Ein seriöser Coachingprozess läuft über einen längeren Zeitraum und kann bis zu einem Jahr dauern.

Wichtig sei dabei, am Anfang ein klares Ziel des Beratungsprozesses zu definieren, sagt Monika Klinkhammer. Etwa die Verbesserung des Zeitmanagements oder die Vorbereitung auf die Berufungsverhandlung. Während des Prozesses treffen sich Betreuer und Klient durchschnittlich bis zu achtmal. Pro Sitzung werden in der Regel anderthalb Stunden veranschlagt, in denen beide einen intensiven Dialog führen. Eine Sitzung kostet rund 200 Euro. Manche Hochschulen beteiligen sich auch an den Kosten, wenn externe Coaches gebucht werden (siehe Infokasten).

Für ihre Arbeit nutzen Coaches häufig Methoden aus psychotherapeutischen Ansätzen und der sozialen Arbeit: So kommen Methoden wie die Systemaufstellung mit bunten Holzfiguren zum Einsatz, um Teamstrukturen oder Abhängigkeitsverhältnisse in Hochschulen zu visualisieren. Rollenspiele werden eingesetzt, um Erwartungen von verschiedenen Akteuren klarer darstellen zu können.

Die Skepsis schwindet

Die Anlehnung an Methoden aus psychotherapeutischen Schulen könnte ein Grund sein, weshalb das Beratungsformat lange Zeit auf Skepsis stieß. „Sich coachen zu lassen bedeutete irgendwie, ein Defizit zu haben. Es herrschte lange die Meinung, so etwas haben Wissenschaftler nicht nötig“, berichtet Klinkhammer. Diese Wahrnehmung hat sich mittlerweile gewandelt. An der Universität Bayreuth etwa hatte die Bayreuth International Graduate School of African Studies (Bigsas), die im Zuge der Exzellenzinitiative entstanden ist und Promovierende aus 27 Nationen ausbildet, damit begonnen, für die Doktorandinnen Coachings anzubieten.

„Damals in der Anfangsphase haben wir explizit Frauen in der Wissenschaft, die viele Rollenanforderungen bewältigen müssen, damit unterstützt“, sagt Dr. Christine Scherer, die Koordinatorin der Bigsas. Den Doktorandinnen sollte ein „geschützer Raum gegeben werden, indem sie ihren eigenen Weg reflektieren konnten, um ihn konsequent gehen zu können. Das war die Grundidee“.

Fachlichen Input erhalten

Fast die Hälfte der Promovendinnen hat das Angebot bisher genutzt. Jetzt soll Coaching nicht nur den Frauen, sondern allen Doktoranden angeboten werden. Das Gleichstellungsbüro der Universität Bayreuth zieht nach. Es setzt Coachings als Frauenförderinstrument hochschulübergreifend ein. Zugute kommt das beispielsweise Johanna Held, Doktorandin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, Bereich Marketing: „Das Coaching hilft mir einerseits persönlich, neben den täglichen Aufgaben meine Dissertation in den Alltag zu integrieren, Synergien zu schaffen und zu nutzen. Andererseits bekomme ich fachlichen Input, zum Beispiel habe ich schon etwas über Führungsstrategien gelernt und diese gleich angewendet, mit Erfolg.“

Anders werden an der Fachhochschule Köln Coachings vor allem in der Hochschuldidaktik genutzt. „Neu berufene Professoren kommen meist aus der Praxis und haben bis dahin wenig Erfahrung in der Lehre gesammelt“, sagt Dr. Eike Hebecker vom Coachingpool der Fachhochschule Köln, die auch Mitglied des Netzwerks Wissenschaftscoaching ist. In den ersten zwei Semestern können sich die Professoren in Köln deshalb von einem Coach begleiten lassen, der von Zeit zu Zeit die Vorlesung besucht und mit dem Lehrstuhlinhaber gemeinsam reflektiert, wo und wie seine Lehrleistung verbessert werden kann.

„Ein in Watte gepacktes Umgehen miteinander bringt einen nicht weiter.“

„Man bekommt ein gutes Feedback, denn der Coach hat eine neutrale Position“, erklärt Eike Hebecker. Professoren unter sich würden die Lehrleistung eines anderen Kollegen nur selten kritisch ins Visier nehmen. „Doch ein in Watte gepacktes Umgehen miteinander bringt einen nicht weiter“, sagt Hebecker. Bei der Rückmeldung durch einen professionellen Berater besteht hingegen weniger die Gefahr, persönliche Befindlichkeiten zu verletzen.

Allerdings besteht ein Unterschied, ob die Coaches aus der eigenen Hochschule kommen oder als Externe engagiert werden. „Interne Coaches haben oftmals Interessens- und Rollenkonflikte“, sagt Monika Klinkhammer. Jedoch hätten sie den Vorteil, dass sie Hochschul- oder Institutsleitungen wichtige Rückmeldungen zur Organisationskultur oder Personalentwicklung geben können. Externe Coaches hingegen könnten leichter „über den Tellerrand schauen“, sagt Klinkhammer. Sie haben Einblicke in unterschiedliche Hochschulen und Forschungsinstitute und können thematische Querverbindungen ziehen.

Entscheidend für den Erfolg ist, denjenigen Betreuer zu finden, der zu dem jeweiligen Hochschulmitarbeiter passt. Die Suche kann der berühmten Nadel im Heuhaufen gleichen. Denn im Prinzip kann sich jeder Coach nennen. Es ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Dementsprechend unübersichtlich ist der Markt. Speziell im Wissenschaftsbetrieb bieten aber spezialisierte Netzwerke eine gute Orientierung, weil sie aus Experten bestehen, die definierte Qualitätskriterien erfüllen müssen (siehe Infokasten).

Ebenso wichtig: „Zwischen Coach und Coachee muss die Chemie stimmen“, sagt Klinkhammer. Das kann beim ersten Treffen herausgefunden werden. „Hochschulmitarbeiter, die sich beraten lassen wollen, sollten die Person, der sie sich anvertrauen möchten, genau checken“, rät die Expertin. Hochschulen, die ihren Beschäftigten Coachings ermöglichen, veranstalten mitunter eine Art Casting, bei dem interessierte Mitarbeiter und Berater erst mal unverbindlich aufeinandertreffen. Meist sagt das Bauchgefühl dann, wer zu wem passt.

Wie findet man den richtigen Coach?

Wie findet man den richtigen Coach?

Für Forscher und Hochschulmitarbeiter gibt es speziell qualifizierte Coaches, die selbst meist einen wissenschaftlichen Hintergrund haben und die Forschungslandschaft in Deutschland sowie die Herausforderungen ihrer Klienten sehr gut kennen.

In eigenen Netzwerken sind solche Fachleute gut zu finden. Etwa unter www.coachingnetz-wissenschaft.de sind rund 20 Experten wie Dr. Monika Klinkhammer oder Dr. Boris Schmidt zusammengeschlossen, die auf Basis transparenter Qualitätskriterien arbeiten. Unter www.wissenschaftscoaching.de haben sich ebenfalls rund 20 Coaches vernetzt, unter ihnen Dr. Eike Hebecker. Ihr Schwerpunkt ist hochschuldidaktische Beratung. Zudem gibt es weitere Coaches, die auf Wissenschaftler spezialisiert sind, wie etwa Bettina Schreyögg in Hamburg: www.bettina-schreyoegg.de.

Professionelle Coaches haben eine mindestens anderthalb- oder zweijährige Ausbildung zum Coach abgeschlossen, die von einem anerkannten Verband wie der Deutschen Gesellschaft für Supervision zertifiziert wurde: www.dgsv.de.

Externe Berater können bei Bedarf individuell in Anspruch genommen werden. Ein Coaching läuft in der Regel über einen längeren Zeitraum mit sechs bis acht Sitzungen von jeweils 90 Minuten. Eine Sitzung kostet rund 200 Euro und wird vom Coachee privat finanziert. Mitunter übernehmen Hochschulen einen Teil der Kosten. Das erste Kennenlerngespräch ist bei seriösen Coaches jedoch üblicherweise unverbindlich und kostenfrei.

Bei hochschulinternen Begleitern trägt die Uni oder Fachhochschule in der Regel alle Kosten. Überdies verfügen viele Hochschulen über eigene Coachingpools, ein Netzwerk von internen und externen Beratern, mit denen die Hochschule gute Erfahrungen gemacht hat und deshalb regelmäßig zusammenarbeitet. Die Kostenübernahme ist unterschiedlich.

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