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Väter mehr fördern

Was bringt gezielte Väterarbeit und wie wird sie wahrgenommen? Das erläutern Claudia Musso aus dem Familienservice-Team der RWTH Aachen und Thomas Queck, der ehrenamtliche Väterbeauftragte der Hochschule, im Interview.

Frau Musso, welche Unterstützung bieten Sie Familien, speziell Vätern?

Claudia Musso: Es gibt an der RWTH Aachen seit etwa 20 Jahren den Familienservice des Gleichstellungsbüros: mit Beratungen und Workshops für Eltern und werdende Eltern, mit Auszeichnungen für besonders familienfreundliches Führungspersonal an den Instituten und in der Hochschulverwaltung. Seit 2011 gibt es bei uns auch spezielle Angebote für Väter. Dafür haben wir eine Projektförderung des Wissenschaftsministeriums in NRW bekommen. Die Resonanz war gut und die Ergebnisse der Evaluierung ebenfalls, sodass die Hochschule das Angebot weiterführte. 

Welche spezielle Aufgabe hat Ihr Väterbeauftragter? 

Claudia Musso: Dank Thomas Queck konnten wir unsere Väterarbeit durch niedrigschwellige Gesprächsangebote ergänzen – mit einem Ansprechpartner, der in einer ähnlichen Situation wie viele andere Väter an unserer Hochschule ist.

Thomas Queck: 2012 bin ich selbst Vater einer Tochter geworden. Meine Frau und ich wollten künftig für unsere Elternrolle beide Arbeitszeit reduzieren, um uns die Familienarbeit aufzuteilen. Meine Frau sollte nicht stärker beruflich zurückstecken müssen als ich.

Hilft Ihr Beispiel anderen Vätern?

Thomas Queck: Ich hatte tatsächlich schon den einen oder anderen Fall, wo ein werdender Vater, der überlegte, sich als Wissenschaftler an der RWTH zu bewerben, zunächst das Gespräch mit mir gesucht hat, um Tipps zu bekommen, wie man die Doppelrolle gut hinbekommt oder was bei der Bewerbung zu beachten ist. Aber es gibt keine Patentlösung – wichtig ist, dass Väter sich darüber klar sind, welche Prioritäten sie in ihrem Leben setzen wollen. Ist ihnen Familie wichtig, sollten sie auch mit dieser klaren Haltung ins Bewerbungsgespräch gehen. Ich habe von einigen Fällen gehört, wo dies im Gespräch gut ankam.

Frau Musso, was bieten Sie denn allgemein für Väter an?

Claudia Musso: Zum einen Freizeit- und Bildungsveranstaltungen für Väter mit ihren Kindern, die vorzugsweise am Wochenende stattfinden. Ein Ziel ist es, Väter ungezwungen miteinander ins Gespräch zu bringen. Die zweite Säule sind Info-Veranstaltungen und Workshops rund um die Themen Familiengründung, Geburtsvorbereitung, Elternsein, Familienarbeit, Beziehung. Es geht auch um Erziehungsfragen – vom Baby bis zum Pubertierenden. Derzeit sind wir dabei zu planen, das Modell des Väterbeauftragten weiterzuentwickeln, etwa, indem wir weitere Väter aus ganz verschiedenen Statusgruppen einsetzen. Außerdem wollen wir mehr Diversität hineinbringen und neue Familienformen wie auch queere Elternschaft abbilden: gleichgeschlechtliche Paare, transidente Elternteile, Mehrelternschaft und Co-Parenting.

Nehmen viele Wissenschaftler die Väterangebote wahr?

Claudia Musso: Ja, rund die Hälfte der Teilnehmer sind Wissenschaftler oder Studenten. 

Haben Sie in den zurückliegenden zehn, zwölf Jahren Veränderungen beobachtet – etwa gestiegenes Interesse?

Claudia Musso: Vor zehn Jahren gab es hier und da Veranstaltungen, die mangels Teilnehmern abgesagt werden mussten. Das passiert heute deutlich seltener, das Interesse hat erkennbar zugenommen. Interessant finde ich, dass an Info-Veranstaltungen auch Studenten teilnehmen, die noch keine werdenden Väter sind oder teils aktuell gar keine feste Beziehung haben. Rein aus Interesse. Vor 20 Jahren hätte es das so sicherlich noch nicht gegeben.

Wie erklären Sie sich das?

Claudia Musso: Die jetzige Studierendengeneration hat vielfach andere Familien- und Lebensmodelle erlebt als noch die Generation davor – etwa, dass es selbstverständlich ist, sich die Familienarbeit mit der Partnerin oder dem Partner zu teilen. Deshalb machen sich viele junge Männer schon frühzeitig Gedanken über dieses Thema. Das ermöglicht speziell in den Workshops einen spannenden Austausch, denn an den Veranstaltungen nehmen ja Männer aller Alters- und wissenschaftlichen Qualifizierungsstufen teil. 

Herr Queck, kommen ins Einzelgespräch auch Wissenschaftler, die sich an ihrem Institut unter Druck gesetzt fühlen, wenn sie beispielsweise gerne längere Zeit Elternzeit nehmen wollen? Denn viele klagen ja darüber.

Thomas Queck: Ehrlich gesagt: eher nicht. Es geht vor allem um Fragen des Vaterseins und wie es den Alltag und auch die Beziehung mit der Partnerin ändert. Es geht auch um arbeitsrechtliche Möglichkeiten, die jedem Vater offenstehen. Viele stehen ja vor der Situation, sich innerhalb einer bestimmten Zeit für eine Professur qualifizieren zu müssen. Da ist es beispielsweise wichtig zu wissen, dass die Elternzeit angerechnet wird und die Qualifizierungszeit dadurch nach hinten raus verlängert werden kann.

Ist ein Väterbeauftragter nicht auch dafür da, zu erfahren, wenn an einem Institut Hürden für Väter errichtet werden?

Thomas Queck: Männer vernetzen sich in der Regel sehr stark untereinander und bereden solche Probleme dann innerhalb ihrer Peergroup. Ich sehe es deshalb auch als meine Aufgabe, ihnen zu verdeutlichen, dass diese klassischen Männernetzwerke manchmal nur zu Insellösungen führen, statt strukturell für alle Betroffenen etwas zu ändern.

Wo müsste man da ansetzen?

Thomas Queck: Als ich selbst noch gar nicht in der Familienplanung war, hat mein damaliger Chef die hochschulinterne Auszeichnung „FAMOS“ für besonders familienfreundlich agierende Chefs und Chefinnen in allen Bereichen der RWTH verliehen bekommen. Solche öffentlich sichtbaren Anreize finde ich wichtig, denn sie können aus meiner Sicht dazu beitragen, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass es eben nicht nur auf die Mütter, sondern auch auf die Väter ankommt: Bringt sich der Vater mehr ein, verbessert das auch die Karrierechancen der Mutter. Entsprechende Impulse für die Leitungsebene kommen allerdings weniger aus Einzelgesprächen mit mir, sondern eher aus unseren Workshops, weil unter den Teilnehmern auch Professoren oder Arbeitsgruppenleiter sind.

Claudia Musso: Wirkung hat natürlich auch, dass jene, die heute Professoren sind, häufig schon ihre Qualifizierungsphase an der RWTH durchlaufen und bereits als Doktoranden oder Postdocs – vor fünf oder zehn Jahren – erlebt haben, dass Väterarbeit im Hochschulalltag wichtig ist. Dies wie auch der Austausch mit anderen prägt und beeinflusst ihren Blick als Führungskraft auf das Thema – das ist zumindest unsere Hoffnung.

Spielt die geplante Änderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes in Ihren Beratungsgesprächen derzeit eine größere Rolle?

Thomas Queck: Das Thema Befristung und der daraus resultierende Druck auf Nachwuchswissenschaftler spielt immer eine Rolle. Hinzu kommt die Erwartung seitens der Hochschule, mit gewährten Fördermitteln optimale Ergebnisse zu erzielen. Diese Spannung verstärkt sich in dem Maße, in dem sich Nachwuchswissenschaftler mit klaren Work-Life-Balance-Vorstellungen auf Qualifizierungsstellen oder Professuren bewerben. Ich sehe jedoch, zumindest an der RWTH, eine klare Tendenz, für dieses Spannungsfeld Lösungen zu finden und mehr Flexibilität zuzulassen. //

Claudia Musso 

ist aus dem Familienservice-Team der RWTH Aachen. 

Foto: Heike Lachmann

Thomas Queck

ist ehrenamtliche Väterbeauftragte der RWTH Aachen.

Foto: RWTH Aachen

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