Chancen für Deutsche
Jede fünfte staatliche Hochschule lässt Russlands Präsident Wladimir Putin schließen. Das könnte die verbleibenden Hochschulen stärken und damit aus Sicht deutscher Wissenschaftler attraktiver für gemeinsame Projekte machen.
Bonn Russlands Regierung unter Präsident Putin setzt die Sense an: 120 von 653 staatlichen Hochschulen sollen geschlossen werden, gab Bildungsminister Dmitri Liwanow im Sommer bekannt. Aufmerksam registriert hat die Ankündigung Maximilian Metzger. Der Ministerialdirigent leitet im Bundesforschungsministerium (BMBF) eine Unterabteilung, die für die internationale Kooperation in Bildung und Forschung in den Staaten außerhalb der EU zuständig ist.
Unter Metzgers Federführung läuft seit diesem Frühjahr eine auf zwei Jahre angelegte Marketingkampagne in Russland. Sie knüpft an das deutsch-russische Wissenschaftsjahr an und will deutschen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen wie etwa den Instituten der Fraunhofer-Gesellschaft und der Max-Planck-Gesellschaft helfen, Kontakte mit russischen Hochschulen anzubahnen. 1,5 Millionen Euro gibt das BMBF für die Kampagne aus. „Die Nachricht, dass Russland seine Hochschullandschaft restrukturiert, trifft uns aber nicht negativ", sagt Metzger. Damit würden Hochschulen geschlossen, die nicht dem mitteleuropäischen Qualitätsstandard entsprechen. Deutschlands Forschungsinstitute könnten von der neuen Situation der Hochschullandschaft sogar profitieren, wenn talentierte Forscher die von der Schließung bedrohten Universitäten verlassen und an jenen Einrichtungen anheuern, die zur nationalen Spitze zu rechnen sind – und durch die Reformpläne gestärkt werden.
Zu Russlands Top-Hochschulen zählen nicht nur Flaggschiffe wie die Lomonossow-Universität in Moskau und die Staatliche Universität St. Petersburg, sondern auch weiter östlich gelegene Universitäten wie in Kasan oder Archangelsk. 40 dieser Hochschulen zählt Metzger zur „oberen Liga“. Sie sind es, die das BMBF mit der Russlandkampagne im Visier hat.
Mit dem Aus von 120 Hochschulen in Russland dürften dort auch viele gut ausgebildete Wissenschaftler arbeitslos werden. Die exzellenten und jungen unter ihnen gezielt nach Deutschland zu locken, ist Metzger zufolge nicht Ziel der Kampagne. Sie sei vielmehr darauf ausgerichtet, die Zahl der deutschen Forscher zu erhöhen, die einen Gastaufenthalt in Russland unternehmen. Tatsächlich ist die Austauschbilanz zwischen russischen und deutschen Forschern ungleich. So forschten nach Angaben des Deutschen Akademischen Austauschdienstes im Jahr 2010 exakt 1753 Russen in Deutschland, ein Vielfaches mehr als Deutsche in Russland. Das könnte sich ändern, wenn die Top-Hochschulen in Russland noch attraktiver und damit auch für deutsche Forscher interessanter werden.
Dass Russland ein wichtiger Kooperationspartner für Deutschland in der Forschung ist, daran hegt Metzger ohnehin keinen Zweifel. „Außerhalb der EU liegt Russland sicher unter den fünf wichtigsten Kooperationsstaaten für Deutschland“, urteilt der BMBF-Jurist. Das Land habe eine große wissenschaftliche Tradition und hervorragende Forscher. Interessant seien für deutsche Hochschulen und Forschungseinrichtungen Kooperationen vor allem in der Nanotechnologie, der Biotechnologie, der Energiewirtschaft oder der optischen Technologie.
Maximilian Metzger
Maximilian Metzger
Bundesforschungsministerium
Internationale Zusammenarbeit in Bildung und Forschung
Telefon: 0228/9957-3101
E-Mail: Edith.Lander@bmbf.bund.de
Internet: www.research-in-germany.de
DUZ Europa 09/2012 vom 02.11.2012