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Weniger Abfall

Im Bereich Abfall geben sich viele Hochschulen noch zu schnell mit einer verbesserten Abfalltrennung zufrieden. Die Universität Kiel hat ein Abfallvermeidungskonzept in Auftrag gegeben und differenzierte Abfallsortieranalysen durchführen lassen.

Mit dem voranschreitenden Bewusstsein für Umwelt- und Klimaschutz rückt die Abfallvermeidung mehr und mehr in den Vordergrund. Denn weitergedacht ist Abfallvermeidung ein Baustein bei der Bestrebung, die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken. Jedes Stück Abfall ist schließlich ein Produkt, für das durch die Herstellung, den Transport und die Entsorgung Energie und Ressourcen benötigt werden.

Universitäten haben als höhere Bildungseinrichtungen eine besondere Vorbildfunktion in der Gesellschaft. Das betrifft auch den Umweltschutz. Im Bereich Abfall reicht vielen eine verbesserte Abfalltrennung. Eine effektive Vermeidung von Abfällen findet hingegen in den seltensten Fällen statt. Die Universität Kiel hat 2017/2018 ein Abfallvermeidungskonzept in Auftrag gegeben und differenzierte Abfallsortieranalysen durchführen lassen (1).

Im Folgenden werden die Ergebnisse der Abfallsortieranalysen und die Umsetzung des Abfallvermeidungskonzepts an der Kieler Universität vorgestellt. Anschließend werden aus den gewonnenen Erkenntnissen Handlungsempfehlungen abgeleitet, die sich auch auf andere Hochschulen übertragen lassen.

Die Abfallsortieranalysen

In den vergangenen Jahren hat die Universität Kiel ihr Abfallmanagement unter Berücksichtigung der Abfallvermeidung neu aufgestellt. Die Auftraggeber des Abfallvermeidungskonzepts waren das Koordinationsbüro „klik – klima konzept 2030“ und die studentische AG Abfallvermeidung. Das Konzept verschaffte eine Übersicht über das Potenzial zur Abfallvermeidung und zeigte Handlungsstrategien zur Vermeidung von Abfällen in Form eines Maßnahmenkataloges auf. Zudem wurden ein Controlling-Konzept und eine Kommunikationsstrategie entwickelt (siehe Abb. 1).

Die Abfallsortieranalysen untersuchten die Zusammensetzung des Abfalls nach Materialart und das Vermeidungspotenzial. Insgesamt gab es 20 Kategorien verschiedener Abfälle, die wiederum in 150 Subkategorien unterteilt wurden (2). Die Ergebnisse zeigten, dass das Abfallvermeidungspotenzial an der Kieler Universität zwischen 15 und 30 Prozent liegt. Auffällig war, dass es einige Produkte gab, die kaum genutzt wurden, bevor sie im Abfall landeten. Dazu gehörten beispielsweise:

  • zehn Tonnen unbenutzte Papierhandtücher pro Jahr: Die Papierhandtücher wiesen eine geringe Qualität auf, sodass es zu mehrfachem ungewollten Mitriss von Papierhandtüchern kam und unbenutztes Papier im Abfall landete.
  • 60 Tonnen einseitig bedruckte Papiere und vier Tonnen Blankopapier pro Jahr. Eine Recherche ergab zum Beispiel, dass bei der Einstellung einer Person etwa 100 und mehr A4-Blätter Papier gebraucht werden. Hochgerechnet ergibt das bei jährlich rund 1 000 Einstellungsverfahren an der Universität Kiel ein Aufkommen von rund 100.000 Blatt Papier.
  • 42 Tonnen Kunststoffmülltüten pro Jahr, die weniger als zur Hälfte befüllt waren: Zurückzuführen ist dieses Problem auf die tägliche Leerung der Restmüll-Abfallbehälter in den Büroräumen, welche mit Müllbeuteln versehen sind und täglich vom Reinigungspersonal geleert wurden. So landeten sehr gering befüllte Mülltüten im Abfall.
  • Hochrechnungen haben gezeigt, dass an der Universität Kiel täglich etwa 3 700 Einwegbecher verbraucht werden. Das macht pro Jahr etwa 1,35 Millionen Stück.

Abfallvermeidung in der Praxis

Auf Grundlage der Abfallsortieranalysen wurden Maßnahmen entwickelt (3). Vorrangiges Ziel ist, unnötig entstehenden Abfall – wie beispielsweise den oben beschriebenen – zu vermeiden, indem die Rahmenbedingungen entsprechend verändert werden. Die Maßnahmen betreffen jedoch auch die effizientere Nutzung von Ressourcen und die Sensibilisierung zum Thema Abfall. Im Folgenden stellen wir Beispiele der Abfallvermeidungsaktivitäten an der Universität Kiel vor.

Sensibilisierungsmaßnahmen

Ein Element der Abfallvermeidungsaktivitäten sind Maßnahmen, die auf das Thema Abfall aufmerksam machen und darüber informieren, um ein höheres Bewusstsein für die Abfallproblematik zu schaffen.

  • Filmvorführungen mit Diskussionsrunden:
    Die AG Abfallvermeidung organisierte Informationsabende inklusive Filmvorführungen und anschließenden Diskussionsrunden mit politischen Amtsträgern.
  • Zero Waste University Tag und Markt der Möglichkeiten: „Zero Waste University“ war das Motto am 5. Juni 2019. An diesem Tag gab es keine Einwegbecher auf dem gesamten Campusgelände. Auch ein Markt der Möglichkeiten fand in diesem Rahmen statt. Dort stellten sich verschiedene Initiativen und Unternehmen aus dem Bereich Abfallvermeidung vor und boten Workshops an.

Systemische und verhaltensorientierte Anpassungsmaßnahmen

Um Abfall zu vermeiden, müssen strukturelle und technologische Veränderungen stattfinden. Aber auch Verhaltensweisen müssen sich wandeln. Die Kieler Universität hat verschiedene Anpassungen implementiert:

  • Umstellung auf neue Papierhandtücher: Nach Tests verschiedener Sorten wurde ein neues, festeres Papierthandtuchprodukt mit besserer Qualität und aus Recycling-Material ausgewählt. Dadurch reduzierte sich der Mitriss wesentlich.
  • Aufforderung zum Ressourcensparen: Auf dem gesamten Universitätsgelände wurden Aufkleber in Toilettenräumen auf den Papierhandtuchspendern und in den Büros an Kopierern angebracht, die zur Ressourcenschonung anregen.
  • Digitalisierung: Der große Verwaltungsbereich ist mit einem ebenfalls großen Ressourcenbedarf verbunden. Einige Arbeitsvorgänge, etwa die Finanzverwaltung, die Stellenverwaltung und die Studierendenverwaltung, laufen bereits digital. Für andere, beispielsweise Einstellungsverfahren für neue Mitarbeitende, gilt das jedoch erst in Ansätzen.
  • Abfalltüten: Der Restmüll soll zukünftig an einer zentralen Stelle einer Etage, in der Regel in der Küche, gesammelt werden, wo auch andere Abfallbehälter vorhanden sind. Diese werden je nach vorgegebener Reinigungsstufe circa zweimal wöchentlich geleert. Insgesamt lassen sich durch diese Maßnahme etwa zehn Tonnen Kunststoffabfall im Jahr vermeiden.
  • Chemikalienmanagement in Pharmazie und Chemie: Bereits vor Erstellung des Abfallvermeidungskonzepts gab es im Pharmazeutischen Institut und der Chemie Abfallvermeidungsmaßnahmen. Zur Erfassung der Chemikalienbestände wurde ein digitales System eingeführt, das eine zentrale, institutsübergreifende Übersicht und den entsprechenden Zugriff auf Chemikalien ermöglicht. Dadurch wird die Qualitätssicherung gewährleistet und Doppelbestellungen werden vermieden. In Bereichen wie Produktion, Transport und Entsorgung werden auf diese Weise Ressourcen gespart. Nach Schätzungen werden etwa 25 Prozent weniger Chemikalien bestellt.​

Sonstige Maßnahmen

  • Expertenworkshop: Circa ein Jahr nach Fertigstellung des Abfallvermeidungskonzepts gab es einen Expertenworkshop. Neben dem Sachverständigenbüro Cyclos nahmen Experten von klik – klima konzept 2030 sowie Studierende der AG Abfallvermeidung teil. Die Handlungsempfehlungen werden im nächsten Abschnitt erläutert.

Abfallvermeidung geht nur inklusiv und mit offiziellem Mandat

Während des Expertenworkshops wurden die Abfallvermeidungsmaßnahmen reflektiert, Herausforderungen besprochen und neue Ansätze diskutiert. Deutlich wurde, dass sich Abfallvermeidung nur inklusiv und mit offiziellem Mandat effektiv realisieren lässt.

1. Kommunikation und Einbeziehung
Abfallvermeidung zu implementieren, bedeutet oft, dass Veränderungen struktureller Art und auch im Verhalten stattfinden müssen. Solche Veränderungen werden vor allem dann angenommen und praktiziert, wenn die Betroffenen bei der Planung einbezogen und Ziele und Wege dorthin klar kommuniziert werden.

2. Nachhaltigkeit im Beschaffungswesen

Im öffentlichen Beschaffungswesen ist das Hauptkriterium in den meisten Fällen der (anfängliche) finanzielle Aufwand. Die preisgünstigsten Produkte sind jedoch nicht immer am nachhaltigsten. Produkte, die von höherer Qualität und langlebiger sind, sind in der Anschaffung häufig teurer, können jedoch im Vergleich auf lange Sicht während der Lebensdauer Kosten sparen und verursachen weniger Abfall. Dafür sollte geschultes Fachpersonal für Umweltaspekte im Beschaffungswesen eingebunden werden.

3. Einführung eines Verbesserungsvorschlagswesens für mehr Nachhaltigkeit
Ein zentrales Vorschlagswesen kann dazu beitragen, Abfallquellen, ineffiziente Systeme und Verhaltensweisen zu identifizieren und Lösungsansätze zu finden, indem verschiedene Sichtweisen von Universitätsangehörigen eingebracht werden. Solche Vorschläge werden zwar teilweise umgesetzt, viele gehen jedoch verloren, wenn es keine bekannte Anlaufstelle dafür gibt. Eine dauerhafte, universitätsweit bekannte Anlaufstelle und Anreize für Vorschläge – zum Beispiel eine Auszeichnung der besten Ideen – könnten hier eine Lücke füllen.

4. Einführung eines zentralen Organs für nachhaltige Entwicklung
Einige Hochschulen verfolgen bereits Konzepte wie das von der Organisation rootAbility entwickelte Green-Office-Modell, für das diese 2015 von der UNESCO ausgezeichnet wurde (4). Ein Green Office wird in der Regel von Studierenden und Mitarbeitenden der Universität mit dem Ziel geführt, einen umweltverträglichen Wandel in der eigenen Institution umzusetzen und Nachhaltigkeit strukturell in der Hochschule zu verankern (5). Unter anderem können die zuvor beschriebenen Maßnahmen in die Aktivitäten eines Green Office integriert werden.

Fazit: Maßnahmen zeigen Erfolg

Die Abfallvermeidungsmaßnahmen an der Kieler Universität zeigen erste Erfolge. Das Thema Abfallvermeidung hat in den vergangenen zwei Jahren an Bedeutung gewonnen. Im Jahr 2018 entstanden bereits 200 Tonnen weniger Abfall als im Vorjahr. Das entspricht einer Reduktion von 16,5 Prozent. Unter Berücksichtigung der Herstellungslinien konnten so 1.000 Tonnen unterschiedlichster Rohstoffe und circa 180 Tonnen Treibhausgase eingespart werden. Im ersten Halbjahr 2019 sanken die Abfallmengen noch einmal um weitere 15 Prozent.

Diese enorme Reduktion lässt sich nicht allein auf die hier aufgeführten Maßnahmen zurückführen. Dass der Abfall offensiv an der Universität thematisiert wird, löst anscheinend positive Effekte aus. Die Kieler Universität nimmt mit ihrem Umweltmanagement bereits in den Feldern Energie, Mobilität und nachhaltiges Bauen eine führende Rolle in der Hochschullandschaft ein, die nun um den Aspekt der Abfallvermeidung erweitert ist. //

Literatur

(1) Löhle, Stephan; Schmiedel, Ute; Kopytziok, Norbert; Franz, Janine-Isabell (2018): Mitmachen ist angesagt. Die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel implementiert ein Abfallvermeidungskonzept. In: ReSource, 31. Jg., 3/2018, S. 4–10

(2) cyclos (2018): Abfallvermeidungskonzept für die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Osnabrück. Download: www.klik.uni-kiel.de/de/abfall/abfallvermeidungskonzept

(3) Detaillierter dargestellt in: Kopytziok, Norbert; Walter, Philipp; Zinke, Chantal (2019): Abfallvermeidung ist möglich. Erfahrungen an der Kieler Universität. In: Müll und Abfall, 8/2019

(4) UNESCO (2016): UNESCO prize-winners spread Green Office model across Europe. Abrufbar unter: www.unesco.org/new/en/media-services/single-view/news/unesco_prize_winners_spread_green_office_model_across_europe/ (aufgerufen am 05.07.2019)

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