Nüchtern betrachtet
Exzellent zu sein bringt den Unis Geld und Renommee, sie müssen dafür aber auch einiges investieren. Unser Autor Prof. Dr. Frank Ziegele wägt Kosten und Nutzen ab.
Die Exzellenzunis sind gekürt, die Lager der Befürworter und Gegner kämpfen um die Deutungshoheit: Im Wettbewerb erfolgreiche Präsidenten sehen ihre Uni in andere Sphären gehoben und warnen, niemand dürfe sie je wieder mittelmäßig nennen. Die Bundesministerin frohlockt: „Gewinner sind wir alle.“ Die Kritiker sehen alle von der Imboden-Kommission offenbarten Probleme als ungelöst, von horizontaler Differenzierung bis Governance, bemängeln den absurden Aufwand für unklare Zukunftsversprechen und beklagen den Schaden bei den Verlierern. So sehen die einen nur den Nutzen, die anderen nur die Kosten.
In meiner ökonomischen Ausbildung habe ich gelernt, dass staatliches Handeln einer Kosten-Nutzen-Analyse unterzogen werden sollte – also auch die Exzellenzstrategie. Sehen wir uns die Sache einmal unter diesem Aspekt an.
Ein Nutzen fällt nicht nur bei den Gewinnern an
Auf der Nutzenseite schlägt zu Buche: die Forschungsgelder für die Cluster, die in den betreffenden Bereichen sehr gute Arbeitsbedingungen schaffen, sowie die als Zukunftskonzepte finanzierten Strukturverbesserungen für die Unis insgesamt. Nicht zu vergessen die Strategiefähigkeit der Unis, die Förderung von Kooperation und Teamgeist sowie die Effekte auf die Sichtbarkeit der Wissenschaft und die Reputation der Gewinner. Diese wiederum hat positive Folgeeffekte zum Beispiel für die Einwerbung privater Drittmittel. Auch für die knapp Gescheiterten hat die Teilnahme Auswirkungen: Pläne werden in abgespeckter Form dennoch umgesetzt beziehungsweise andere Geldquellen für die entwickelten Ideen mobilisiert. Insofern fällt ein Nutzen nicht nur bei den Gewinnern an.
Nicht übersehen darf man aber die Kostenseite: den Personal- und Sachaufwand, um alle paar Jahre die Zukunft neu zu erfinden und über alle Verfahrensrunden hinweg bürokratische Prozesse zu bedienen, sowie die Komplexität des Haushaltswesens der Unis, wenn durch die Hintertür die Kameralistik wieder Einzug hält und Globalbudgets konterkariert. Auf der Kostenseite stehen auch: fehlende dauerhafte Effekte und dadurch getätigte Fehlinvestitionen, wenn der Finanzierungszyklus kürzer ist als der Zeitbedarf eines wissenschaftlichen Erfolgs. Und natürlich auch Reputationsverluste bei denen, die den Exzellenzstatus wieder verlieren, sowie der Schaden für die Strategiefähigkeit, weil die „World-Class-Research-University“ hierarchisch über andere Hochschulprofile gestellt wird. Strategieentwicklung jenseits der Exzellenz in der Grundlagenforschung wird dadurch schwieriger.
Die Bedeutung der Exzellenzstrategie auch nicht übertreiben
Aus dem hohlen Bauch heraus kann ich nicht sagen, wie das Verhältnis von Kosten und Nutzen im Moment tatsächlich aussieht; viele der genannten Faktoren sind schwer zu quantifizieren. Dennoch müssen sie alle einbezogen werden, um einseitige Urteile zu vermeiden. Zwei Schlussfolgerungen lässt der Blick auf Kosten und Nutzen jedoch auch ohne exakte Messung zu: Erstens sollte man die Bedeutung der Exzellenzstrategie auch nicht übertreiben. Bezogen auf alle Hochschulbudgets macht sie circa ein Prozent der Mittel aus, nicht alle Probleme sind durch sie lösbar, nicht alle Aspekte von Exzellenz werden durch sie erfasst.
Das heißt: Auch abseits der Exzellenzstrategie kann und sollte der Staat noch viel für Exzellenz tun. Leistungsfähige Governance, wie von Imboden gefordert, ist auch eine Frage der Gesetzgebung. Die Förderung der horizontalen Vielfalt der Profile ist eine Frage der vielfältigen Förderprogramme für die unterschiedlichen Missionen der Hochschulen.
Zweitens, und das ist aus meiner Sicht die wesentliche positive Botschaft: Das Verhältnis von Kosten und Nutzen ist nicht unveränderbar, sondern kann durch gute Gestaltung so beeinflusst werden, dass die Exzellenzstrategie ihren Erfolgsanspruch einlöst.
DUZ Magazin 08/2019 vom 23.08.2019