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Im Land der digitalen Vorreiter

Digitalisierung wird großgeschrieben an der Stanford University, wo sich Silicon-Valley-Pioniere wie Larry Page und Reid Hoffman die Klinke in die Hand geben. Psychologie-Professorin Sabine Remdisch, die derzeit dort zur modernen Arbeitswelt forscht, hat jedoch eine Währung entdeckt, die wichtiger ist: Netzwerke.

Die Palmen, die die Wege auf dem Campus der Stanford University säumen, sind legendär. Im Sonnenstaat Kalifornien herrscht fast immer Strandwetter. Die Studierenden chillen in Shorts, T­Shirt und Flipflops auf dem Rasen und nippen an ihrem Kaffeebecher, den sie in einem „Coupa Café“ gekauft haben. Viele tragen ein Macbook unterm Arm. Der ganze Campus ist mit WLAN überzogen, hier ist jeder „always on“.

„The farm“ wird der Campus genannt. Universitätsgründer Leland Stanford baute die Hochschule vor 125 Jahren auf seiner über 3000 Hektar großen Pferdefarm. Die Atmosphäre ist entspannt, aber zugleich geschäftig. Und vor allem international: Stanford zieht Wissenschaftler und Studierende aus aller Welt an. Das große „S“ und der Stanford­Schriftzug sind allgegenwärtig, Stanford zeigt sich gerne. Für eine private Universität ist das auch eine existenzielle Frage. Im Hintergrund läuft eine Merchandising­Maschinerie, die vom klassischen Stanford­T­Shirt über die Kaffeetasse bis hin zu Manschettenknöpfen und teuren Kugelschreibern jeden Konsumwunsch erfüllt; natürlich gibt es auch passende Sportklamotten. Sport wird auf dem Campus großgeschrieben, Studierende und Dozenten können exzellent ausgestattete Stadien, Schwimmbäder und Golfplätze nutzen. Stanford ist stolz auf seine Olympia­Gewinner und natürlich auf die Stanford Cardinals, das Sportteam der Universität.

Wie ein riesiges Netzwerk erlebe ich die Hochschule. In Stanford gilt, dass jeder Gedanke besser wird, wenn man ihn ausspricht und mit anderen teilt. Wissenschaftler, Studierende und internationale Gäste reden über ihre Projekte und Forschungsergebnisse. Niemand scheint Geheimnisse zu haben. Ich verlasse mich auf Empfehlungen von Kollegen; wenn ich eine Intro­Mail erhalte – eine Nachricht, in der mir jemand vorgestellt wird –, weiß ich, dass ein wertvoller Kontakt dahintersteckt. Die Hochschule unterstützt die Netzwerkkultur aktiv, indem sie Diskussionszirkel und Vortragsreihen mit geselligem Beisammensein arrangiert.

Die härteste Währung im Silicon Valley sind persönliche Kontakte – daran ändert auch die Digitalisierung nichts. Eine wichtige Rolle bei der Vernetzung in Stanford spielen die Alumni. Beispielsweise wird für sie das „Stanford Reunion Homecoming Weekend“ groß zelebriert. Die Hochschule verspricht denen, die ihren ehemaligen Campus besuchen, ein unvergessliches Erlebnis. Dass Stanford so gut als Kontaktbörse funktioniert, hat auch mit der Studienorganisation zu tun. Die Betreuung der Studierenden ist sehr persönlich und findet in kleinen Gruppen statt. Das zahlt sich für die Hochschule aus, weil die Studierenden als Alumni gerne an ihre Alma Mater zurückkehren – und das meist in Spendierlaune. Stanford nimmt jährlich riesige Summen an Spenden ein und finanziert so seine hervorragende Forschungsausstattung.

Die Symbiose von Wissenschaft und Wirtschaft ist typisch für Stanford. Unternehmen gehen auf dem Campus ein und aus, schicken Gastreferenten und regen gemeinsame Projekte an. Aus diesem Miteinander entsteht Innovation. Das hat das Silicon Valley reich gemacht und ihm seit mehr als 60 Jahren einen rasanten wirtschaftlichen Aufstieg beschert. Die Keimzelle dieses Erfolgs war der Stanford Industrial Park, ein neben der Universität errichtetes Forschungs­ und Industriegebiet. Durch die Einbeziehung der Forschungseinrichtungen ist das Silicon Valley einer der bedeutendsten Standorte der IT­ und Hightech­Industrie weltweit geworden – und ein dichtes Netz von Kooperationen in der Region entstand. Auf der Alumni­Liste stehen erfolgreiche Silicon­Valley­Pioniere wie Googles Sergey Brin und Larry Page oder LinkedIn­Chef Reid Hoffman.

Natürlich benötigen die Unternehmen auch eine gute Infrastruktur: Auf engstem Raum liegen im Silicon Valley Universitäten, Banken, Rechtsanwaltskanzleien und Notariate beisammen. Start­Ups haben kurze Wege zu den Labors, Hörsälen und Wissenschaftlern von Stanford. Gründergeist weht über den Campus, ein Sturm der Ideen, Begegnungen und Projekte. Ich glaube, nirgendwo arbeiten Menschen so intensiv mit ihrem Wissen wie in Stanford. Es ist die Kombination von Persönlichkeiten, Talenten und Gründungskultur, die die Stanford Universität unverwechselbar macht: innovativ, schnell, disruptiv, unternehmerisch. Gleichzeitig gilt: Wer es als Gründer beim ersten Mal nicht geschafft hat, versucht es erneut, bis sich eine durchschlagende Idee tatsächlich gewinnbringend umsetzen lässt und die erste Million aufs Konto spült. Alles ausprobieren, an Grenzen stoßen, scheitern dürfen – hier herrschen eine andere Risikobereitschaft und Fehlerkultur als in Deutschland.

Geschwindigkeit spielt im Silicon Valley eine große Rolle. Daher wird alles, was digitalisiert werden kann, auch tatsächlich digitalisiert: Das macht das Leben einfacher und Prozesse schneller. Immer mehr Bezahlvorgänge werden mit dem Smartphone erledigt, auf dem Campus braucht man kein Bargeld mehr. Apps regeln die kleinen Geschäfte des Alltags, vom Bestellen des Kaffees bei Starbucks bis hin zum Taxi­Ruf mit Uber.

Auch in der Forschung wird digital normal. Big Data und People Analytics lösen herkömmliche Erhebungsmethoden wie Fragebögen und Interviews allmählich ab. Um zu lernen, wie die Digitalisierung das Arbeitsleben verändert, bin ich hierher gekommen. Ich arbeite zum Thema „Arbeiten und Führen in der digitalen Welt“ und suche nach Lösungen für die Führungskultur beim digitalen Arbeiten. Dazu habe ich das Leadership Garage Research Program aufgesetzt, das untersucht, wie Führungskräfte am effektivsten den Herausforderungen der vernetzten Arbeitswelt begegnen. Das Prinzip der Co­Creation haben wir Wissenschaftler uns dabei von Stanford abgeschaut: Wir lernen gemeinsam mit und von unseren Projektpartnern aus der Wirtschaft.

Von der Digitalisierungswelle ist auch das Arbeiten selbst betroffen: Ich kann rund um die Uhr arbeiten; Arbeitszeiten und ­orte spielen kaum noch eine Rolle. Jeder Prozessschritt wird dokumentiert, was mehr Verbindlichkeit und Transparenz bedeutet. Was auch in Deutschland ein großes Thema für Unternehmen ist, kann ich hier an der Quelle der Digitalisierung beobachten: eine breitere Teilhabe an Wissen – eine Demokratisierung des Wissens.

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