Das Beste aus beiden Welten vereinen
Verlieren staatliche Hochschulen an Bedeutung zugunsten ihrer privaten Konkurrenten, weil sie – anders als die Privaten – die Bedürfnisse ihrer Studierenden nicht im Blick haben? Was beide Hochschultypen voneinander lernen könnten und weshalb eine engere Kooperation und Transfer zwischen beiden das Bildungssystem erneuern könnte – das diskutieren Anne Lequy und Jürgen Abendschein unter der Moderation von Diane Freiberger.
Die „Tektonik“ der deutschen Hochschullandschaft scheint heftig in Bewegung zu geraten. Denn die staatlichen Hochschulen haben mit einem Rückgang von rund 42 000 Studierenden im Vergleichszeitraum (Wintersemester 2019/20 bis Wintersemester 2021/22) rund zehn Prozent ihrer bisherigen Anzahl an Studienanfängerinnen und Studienanfänger verloren, so eine Pressemeldung des CHE vom April dieses Jahres. Zwar trifft dieser Rückgang staatliche Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) mit einem Minus von 14 200 Studienanfängerinnen und -anfängern weniger stark als die Universitäten, aber dennoch signifikant. Wesentlich positiver ist der Trend bei den privaten HAWs. Hier schrieben sich im Vergleichszeitraum durchschnittlich 15 700 Personen mehr ein als zuvor – also ein Plus von rund 50 Prozent. Dieser Run auf private Hochschulen scheint darauf hinzuweisen, dass sich die Bedeutung staatlicher wie auch privater HAWs für das deutsche Bildungssystem zunehmend verschiebt. Eine Reaktion staatlicher Hochschulen auf diesen Trend ist nicht wahrnehmbar. Dabei ermöglicht dieser Trend gerade staatlichen Hochschulen vielfältige Chancen zur Veränderung.
Wo einst die staatlichen Einrichtungen Leuchttürme der akademischen Bildung waren, müssen sie sich heute mit rückläufigen Studienanfängerzahlen auseinandersetzen. Die privaten Hochschulen hingegen verzeichnen einen rasanten Zulauf. Was bedeutet diese Verschiebung für das deutsche Bildungssystem? Steht die deutsche Hochschullandschaft vor einem Wendepunkt und könnte der Transfer zwischen beiden Hochschularten zu einer Linderung der Schieflage beitragen?
Anne Lequy: Die aktuelle deutsche Hochschullandschaft … Sie erinnert mich an die Fabel von Jean de La Fontaine: Da laufen eine Schildkröte und ein Hase um die Wette. In der Schildkröte erkenne ich die staatlichen Hochschulen: eine massive, recht behäbige Tierart, die eher langsam fortschreitet. Viel schneller und schillernder unterwegs ist der Hase, für mich das Sinnbild der privaten Hochschulen.
Herr Professor Abendschein, können Sie sich als Vertreter einer privaten Hochschule mit dem Gesagten identifizieren oder wie würden Sie Ihren Hochschultypus charakterisieren?
Jürgen Abendschein: Der Hase und die Schildkröte – eine schöne Metapher. Ich würde private Hochschulen aber eher mit Geparden als mit Hasen vergleichen wollen, da sie nicht nur schnell, sondern insbesondere auch hoch spezialisiert sind. Was den Charakter privater Hochschulen anbelangt, verweise ich auf einen interessanten Ansatz des Stifterverbandes, der die Landschaft privater Hochschulen anhand von fünf Typen beschreibt: Spezialisten, Humboldtianer, Aufwerter, Flexible, Berufsorientierte. Dieser Typologisierung folgend, ist die Steinbeis Hochschule an der Schnittstelle zwischen „Flexiblen“ und „Berufsorientierten“ verortet.
Beide Hochschullandschaften haben denselben Bildungsauftrag und das Ziel, Studierende fit für die Zukunft zu machen. Schaut man aber auf die Lehr- und Lernumgebung, könnte es nicht unterschiedlicher sein. Bei privaten Hochschulen gibt es verstärkt unterschiedliche Lehr- und Lernformate wie Online-Unterricht oder Blended Learning. Staatliche Hochschulen bevorzugen Präsenzveranstaltungen mit eher wenigen Online-Formaten. Woran liegt das?
Anne Lequy: Das hat – um es vorwegzunehmen – nichts mit Online-Feindlichkeit zu tun, wie oft gemutmaßt wird. Öffentliche Hochschulen haben vom Staat die Aufgabe bekommen, eine Vielfalt an Fächern bereitzuhalten. Dieser Auftrag erfordert eine stärkere Präsenz an Lehrangeboten in den Fächern, die nur bedingt zu digitalisieren sind, wie etwa die MINT-Fächer. Bei den Wirtschaftswissenschaften, die häufig an den privaten Hochschulen gelehrt werden, ist das einfacher. An meiner Hochschule gibt es zum Beispiel den Studiengang Wasserwirtschaft. Wie will man Wasserwirtschaft lehren und lernen, ohne mit Wasser in Kontakt zu kommen? Zudem haben wir eine hervorragende Forschungsinfrastruktur, die eng mit der Lehre verzahnt ist. Ein gewichtiges Argument, warum viel Steuergeld in unseren Standort investiert wird. Darüber hinaus sind die Studierenden an staatlichen Hochschulen meist viel jünger als die an den privaten. So sind an privaten Hochschulen rund ein Drittel der Studierenden über 30 Jahre alt. Wir hingegen haben es oft mit Erststudierenden zu tun: Studium ist für sie nicht nur Kompetenzentwicklung, sondern auch Persönlichkeitsbildung. Das geht am besten in Präsenzdialogen mit anderen und im Ausprobieren von hochschulpolitischen Funktionen.
Jürgen Abendschein: Die bei dem Studiengang Wasserwirtschaft beschriebenen Forschungsmöglichkeiten zeigen einen wesentlichen Unterschied zwischen privaten und staatlichen Hochschulen auf: die Finanzierung. Während sich private Hochschulen mit bis zu 75 Prozent aus Studierendenbeiträgen finanzieren, bilden bei staatlichen Hochschulen Steuergelder in vergleichbarem prozentualen Budgetanteil die Haupteinnahmequelle. Damit stehen privaten Hochschulen die zum Auf- und Ausbau personal- und kostenintensiver Forschungsinfrastrukturen erforderlichen Mittel nur dann zur Verfügung, wenn sie von diesen zuvor am Markt erwirtschaftet wurden. Das ist mit ein Grund, warum sich MINT-Fächer bislang nicht im Portfolio privater Hochschulen finden. Auch möchte ich den Punkt aufgreifen, der mit der eher jüngeren Studierendenschaft staatlicher Hochschulen angesprochen wurde: die Zielgruppe. Die Angebote staatlicher Hochschulen wenden sich insbesondere an Menschen, die ein grundständiges Studium absolvieren wollen. Lassen Sie uns diese Gruppe hier als typisch Studierende bezeichnen. Demgegenüber adressieren private Hochschulen eher atypisch Studierende. Diese Zielgruppe sucht Studienangebote, die durch ein hohes Maß an Flexibilität und Anpassung an ihre individuellen Bedarfe gekennzeichnet sind. Dabei geht es insbesondere um die Vereinbarkeit des Studiums mit diversen Lebenssituationen. Dank flexibler Studienformen – ein Ergebnis markt- und technologiegetriebener Innovationen – haben private Hochschulen bei Teilzeit- und Fernstudierenden einen überproportional großen Marktanteil erreicht. Diesen Vorsprung werden sie durch fortschreitende Digitalisierung aller Leistungsdimensionen weiter ausbauen. Damit beantwortet sich auch die Frage nach dem Warum eines höheren Digitalisierungsgrads bei privaten Hochschulen. Bis heute gibt es keine einzige deutsche staatliche Fernfachhochschule – unter anderem die Folge einer anhaltenden Bereitschaft der Länder, in den Aus- und Neubau von Campus der von ihnen getragenen Hochschulen zu investieren. Quasi Hochschulpolitik als Instrument der Regionalentwicklung. Dies führt nahezu zwangsläufig zu einer Verstetigung der Präsenzlehre und im Ergebnis zu einer Zunahme struktureller Unterschiede zwischen staatlichen und privaten Hochschulen.
Anne Lequy: Zum Glück existieren nennenswerte Online-Angebote innerhalb des Portfolios von Präsenzhochschulen. Ein Beispiel ist die Technische Hochschule Lübeck. Dass es keine Fernfachhochschule gibt, liegt auch am Korsett staatlicher Vorgaben, wie etwa beim Teilzeitstudium. Nicht alle Studienangebote an staatlichen Hochschulen kann man in Teilzeit studieren. Oder Teilzeit ist möglich, aber in einem starren System: Ich kann mein Pensum nur halbieren, nicht häppchenweise – sprich modulweise – mein grundständiges Studium so lange strecken, wie ich es bräuchte, um es mit meinem Beruf oder meinen Care-Aufgaben in Einklang zu bringen. Das aber ist an den privaten Hochschulen möglich.
Was schließen Sie daraus?
Anne Lequy: Wir brauchen mehr Flexibilisierungsoptionen an den staatlichen Hochschulen. Es geht nicht um ein Wollen oder Können staatlicher Hochschulen, sondern um ein Sollen und Müssen, denn sonst ist unsere Existenz schlichtweg gefährdet. Die staatlichen Hochschulen in Ostdeutschland sind ein Laboratorium für Deutschland. Sie sind seit rund zehn Jahren mit einer demografischen Entwicklung konfrontiert, die sich jetzt bundesweit ausbreitet und besorgniserregend ist. Es gibt zu wenig Studienanfängerinnen und Studienanfänger, zu wenig ausländische Studierende. Junge Frauen mit Abitur wandern oft ab. All diese potenziellen Studierenden fehlen uns dann an den staatlichen Hochschulen.
Jürgen Abendschein: Der demografische Wandel wird beide Hochschullandschaften mit voller Wucht treffen. Während aber die Reichweite privater Hochschulen durch einen wachsenden Digitalisierungsgrad über die Landesgrenzen hinaus erhöht werden kann, bleibt dieser Weg staatlichen Hochschulen – auch infolge der Verstetigung der Präsenzlehre – weitgehend verschlossen. Es kommt zu den beschriebenen Effekten, die von staatlichen Hochschulen bislang nur teilweise kompensiert werden können. Im Ergebnis scheint es geboten, die (inter)nationale Sichtbarkeit und Reichweite der Angebote staatlicher Hochschulen deutlich zu erhöhen, will man sie stabilisieren.
Was können die Verantwortlichen aus Politik und Wissenschaft unternehmen?
Anne Lequy: Staatlich finanzierte Hochschulen müssen sich neue Potenziale erschließen. Dazu gehört zum Beispiel die Zielgruppe der beruflich Qualifizierten, die sich aktuell eher für ein Studium an privaten Hochschulen interessieren. Für sie müssen sich die staatlichen Hochschulen als Institutionen des lebenslangen Lernens begreifen und den Bedarf an Höherqualifizierung bedienen. Dafür brauchen wir durchlässigere Strukturen und müssen unsere Angebote kleinteiliger und individueller gestalten.
Jürgen Abendschein: Wenn unsere Hochschulen – ganz gleich ob privat oder staatlich – im globalen Wettbewerb bestehen wollen, brauchen sie ebenso langfristige wie agile Innovationsstrategien. Überdies benötigen sie klare Ziele und flexibilisierte Rahmenbedingungen, um diese umsetzen zu können. Die digitale Transformation und neue Technologien bergen große Potenziale für den tertiären Bildungsbereich, die etwa durch symbiotisches Zusammenwirken privater und staatlicher Hochschulen in ausgewählten Bereichen noch verstärkt werden könnten. Anderenfalls besteht das Risiko, dass Teile des Hochschulsystems abgehängt werden, sollten sich diese nicht den veränderten Anforderungen stellen. Umso wichtiger ist eine vorausschauende Politik, die schon heute die richtigen Prioritäten setzt und neue Gestaltungsspielräume eröffnet.
Private Hochschulen gehen sehr viel mehr auf die unterschiedlichen Bildungsbiografien ihrer Studierenden ein und überqueren nationale wie auch internationale Grenzen. Können es sich die staatlichen Hochschulen noch leisten, mit ihren Angeboten Diversität nicht zu berücksichtigen und Landesgrenzen nicht zu überschreiten?
Anne Lequy: In den Grenzüberschreitungen zwischen unseren Hochschultypen könnte ein Lösungsansatz für die aktuellen Probleme liegen. Das motiviert mich dazu, diesen Diskurs zu führen und miteinander statt übereinander zu reden. Jeder nur für sich und in Konkurrenz zu den anderen – das ist in Zeiten eines schrumpfenden Marktes keine kluge Vorgehensweise. Ich glaube an einen konstruktiven Dialog, an ein gegenseitiges Lernen von unseren jeweiligen Stärken und auch an die Möglichkeit von Transfer unter unseren Hochschultypen. Wir sollten das Beste aus beiden Welten vereinen.
Jürgen Abendschein: „Das Beste aus beiden Welten vereinen“: Steinbeis hat diesen Gedanken bereits aufgenommen und versucht ihn – gemeinsam mit staatlichen Hochschulen – gegenwärtig auf innovative Weise zu interpretieren. Aus dem damit verbundenen Dialog auf Augenhöhe könnte ein kollaboratives Miteinander privater und staatlicher Hochschulen in ausgewählten Bereichen zum Wohle der Gesellschaft und ihrer bildungspolitischen Aufgaben erwachsen.
Was könnten private Hochschulen denn von den staatlichen lernen?
Jürgen Abendschein: Bei Gewährleistung einer Chancengleichheit hinsichtlich der Forschungsinfrastruktur: Stärkung der Forschung und im Ergebnis eine bessere Verzahnung von Forschung und Lehre.
Anne Lequy: Ja, und darüber hinaus: Ein Hochschulcampus ist ein sozialer Ort, der persönliche Begegnung und Kommunikation zwischen Menschen ermöglicht. Ein echter Vorteil staatlicher Hochschulen. Hinzu kommt: Ihre Studierendenschaft und ihr Fächerangebot sind sehr vielfältig. So haben wir eine Reihe von Fächern, die die privaten noch nicht für sich erkannt haben, weil sie eher mäßige Verdienstaussichten geben, wie Humanwissenschaften. Wir Staatliche fühlen uns dem öffentlichen Interesse und dem Gemeinwohl verpflichtet. Zwei erfolgreiche Beispiele dafür an meiner Hochschule: das Institut für frühe Bildung in Stendal und das Institut für demokratische Kultur in Magdeburg. Wenn man bedenkt, wie sehr im Osten insbesondere im ländlichen Raum der gesellschaftliche Zusammenhalt und die Demokratie gefährdet sind, sind solche Themen relevant.
Die staatlichen Hochschulen haben viele attraktive Angebote, doch diese sind oft nicht so sichtbar. Warum?
Anne Lequy: Viele private Hochschulen betreiben ein hoch professionelles Marketing. Zwar geben wir auch viel Geld für Marketing aus, sind aber bei Weitem nicht so erfolgreich. Wenn Studieninteressierte im Internet nach dem für sich passenden Angebot suchen, dann stoßen sie auf rund 10 000 Bachelor-Studiengänge und fast 10 000 Master-Studiengänge. Das ist erschlagend. Als Erstes erscheinen in den Suchmaschinen die meist privaten Hochschulen, die die geschicktere Online-Marketing-Strategie haben. Wie man online sichtbarer werden kann, das ist etwas, was staatliche Hochschulen von den privaten noch lernen können.
Und wo könnten Sie sich eine mögliche Zusammenarbeit zwischen privaten und staatlichen Hochschulen vorstellen?
Anne Lequy: Bei der Servicequalität. Damit meine ich nicht die Qualität der Lehre, sondern die Betreuung während des Student Life Cycle – von der Interessenbekundung bis zum Abschluss. Hier sind viele private Hochschulen besser als wir staatliche. Auf diesen Wegen verlieren wir viele Studieninteressierte, weil wir nicht schnell genug auf die Anfrage reagieren, weil das System Medienbrüche hat, oder weil jede Hochschule beim Thema Campus-Management das Rad neu erfindet und versucht, das Thema Cybersicherheit alleine zu regeln. Was spricht dagegen, dass wir Systeme vereinheitlichen, wenn sie dadurch besser funktionieren? Auch bei der Campus-Infrastruktur könnten beide Hochschultypen gemeinsame Wege gehen. Unser wunderschöner Campus und die Bibliothek der Hochschule Magdeburg-Stendal sind zwischen Ende Juli und Anfang Oktober oft ziemlich leer.
Jürgen Abendschein: Die entgeltliche Nutzung räumlicher und sächlicher Ausstattung staatlicher Hochschulen durch Studierende privater Hochschulen in den vorlesungsfreien Zeiten ist ein gutes Beispiel für symbiotisches Zusammenwirken. Umgekehrt könnten staatliche von privaten Hochschulen Unterstützung bei der Erhöhung ihrer Sichtbarkeit und Reichweite erfahren oder etwa in Fragen der Organisation wissenschaftlicher Weiterbildung von diesen lernen.
Wie wollen Sie diese Zusammenarbeit realisieren?
Jürgen Abendschein: Durch das bereits exemplarisch beschriebene Zusammenwirken zum gegenseitigen Nutzen. Eine weitere Möglichkeit könnte in der Ausdifferenzierung hochschulischer Leistungsangebote liegen. So sollte der vorhin als typisch bezeichneten Zielgruppe ein erster Hochschulabschluss an staatlichen Hochschulen weiterhin kostenfrei ermöglicht werden. Demgegenüber scheint es aber gesellschaftspolitisch gleichermaßen vertretbar, wissenschaftliche Weiterbildung für Studierende aus dem In- und Ausland künftig kostenpflichtig zu gestalten. Infrage kämen hier insbesondere Angebote, die von privaten Hochschulen nicht angeboten werden (können). Dadurch würde diese Zielgruppe diejenigen Innovationen, die notwendig sind, um die von ihr gewünschte Vereinbarkeit des Studiums mit den diversen Lebenssituationen zu ermöglichen, selbst finanzieren.
Anne Lequy: In meinen Augen sollte ein Erststudium in Deutschland nicht kostenfrei sein. Studien zeigen, dass ein gebührenfreies Studium in Deutschland bislang nicht dazu beigetragen hat, dass Kinder aus Nicht-Akademikerfamilien mehr studieren. Vielmehr sollte man Studierfähige aus einkommensschwachen Elternhäusern individuell unterstützen, um diese zur Aufnahme eines Hochschulstudiums zu befähigen. Der nächste logische Schritt wäre die Einführung von Studiengebühren an staatlichen Hochschulen. Das ist im Moment politisch nicht durchsetzbar, würde aber mehr Chancengerechtigkeit bringen. Ich würde moderate Studiengebühren einführen, sie gleichzeitig durch Studienfinanzierungsmodelle flankieren. Mit diesen Gebühren könnte man die Betreuung verbessern, die Zusammenarbeit von privaten und staatlichen Hochschulen fördern sowie das Nutzen von gemeinsamer Infrastruktur befördern. Darüber hinaus wünsche ich mir mehr nachfrageorientierte Finanzierung bei staatlichen Hochschulen, ähnlich wie es in der Schweiz passiert. Dort werden die tatsächlich belegten Studienplätze vom Staat bezahlt und es wird zwischen den Kantonen ausgeglichen. Wir brauchen finanzielle Anreize und Flexibilität, um bei den staatlichen Hochschulen eine bessere Auslastung der Studienplätze, Brückenkurse und die Durchlässigkeit zu fördern. So werden sie für beruflich Qualifizierte attraktiver. //
Resümee von Diane Freiberger
Wenn einige der in dieser Diskussionsrunde unterbreiteten Ideen verwirklicht würden, dann würde das den Bildungsbereich ziemlich auf den Kopf stellen. Dies könnte der Beginn einer Transformation sein – einer Transformation, die dringend ansteht, um in Zukunft weiter bestehen zu können. Oder um es anders zu formulieren: Das Bildungssystem muss in Bewegung bleiben, es muss agil sein, weil sich alles andere ebenfalls bewegt und weiterentwickelt.
Die neuen Ideen, die hier aufgezeigt wurden, fordern das traditionelle Hochschulsystem heraus und sie rücken die Notwendigkeit von Kohäsion und Anpassung ins Zentrum der Diskussion. Die Art und Weise, wie wir Bildung wahrnehmen und erleben, könnte sich durch diese tiefgreifende Transformation für immer verändern. In dieser dynamischen Ära ist es entscheidend, den Überblick zu behalten, zu adaptieren und auf die Zukunft vorbereitet zu sein. Die nächste Phase der Bildung steht vor der Tür – sind wir bereit für das, was sie uns bringt?
Prof. Dr. Jürgen Abendschein
ist seit Januar 2023 Rektor der privaten Steinbeis Hochschule in Magdeburg. Zuvor war er Präsident für Bildung der Steinbeis-Hochschule Berlin. Der Wirtschaftswissenschaftler und langjährige Hochschulmanager bringt zudem Erfahrungen aus der Finanzbranche mit. So war er unter anderem als Direktor des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes e.V. in Berlin und als Leiter der Deutschen Sparkassenakademie in Bonn tätig.
Foto: Steinbeis Hochschule
Prof. Dr. Anne Lequy
war von 2014 bis 2022 Rektorin der staatlichen Hochschule Magdeburg-Stendal, an die sie 2006 zur Professorin für Fachkommunikation Französisch berufen wurde. Darüber hinaus engagiert sie sich im Board der European University Association (2021–2025) und im Wissenschaftlichen Beirat der Stiftung Innovation in der Hochschullehre (2021–2025).
Foto: privat
Diane Freiberger
wirkt seit 2020 als Geschäftsführerin der Foundation for International Business Administration Accreditation (FIBAA) in Bonn. Vorher war sie unter anderen als Vizerektorin für Qualität in Studium und Lehre an der Fachhochschule Kufstein Tirol sowie als Projektmanagerin bei der österreichischen Qualitätssicherungsagentur AQA Austria tätig, wo sie verantwortlich für nationale und internationale institutionelle Evaluierungen, Audits und Programmakkreditierungen war.
Foto: FIBAA
DUZ Magazin 01/2024 vom 26.01.2024