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Das Prinzip Fachhochschule

Es ist ein hochschulpolitisches Mantra: Gleichwertig, aber andersartig sollen Fachhochschulen sein. Ist das Schönfärberei? Eine Kölner Doktorandin hat Fachhochschulen in Nordrhein-Westfalen untersucht und räumt mit Vorurteilen ebenso auf wie mit trügerischen Selbstbildern.

Wer in Deutschland studieren will, kann sich zwischen Universität oder Fachhochschule (FH) entscheiden. Zwei Säulen der akademischen Bildung. Die eine blickt auf eine jahrhundertealte Tradition zurück, die andere hat gerade einmal vier Jahrzehnte hinter sich. Was macht sie aus? Elisabeth Holuscha hat vor einigen Monaten eine Dissertation dazu vorgelegt. Der Titel: „Das Prinzip Fachhochschule – ein Erfolg oder ein Scheitern?“
Die 38-Jährige kennt Fachhochschulen nicht nur aus ihrer Forschung. Seit zehn Jahren arbeitet Holuscha an der FH Köln als Referatsleiterin für Internationale Angelegenheiten. Davor studierte sie an der Universität Marburg Philosophie, Literatur und Soziologie. Am dortigen Institut für Soziologie reichte sie vor einigen Monaten denn auch ihre Promotion ein. Holuschas Fazit: Fachhochschulen sind eigentlich ein Erfolgsmodell.

Und trotzdem: „Die Eigenwahrnehmung der FH und die chronische Unzufriedenheit mancher Professoren hat mich genervt“, sagt Holuscha. Genau deshalb wollte sie mehr wissen, herausfinden, woher dieses Selbstbild kommt. Für ihre Doktorarbeit, an der sie viereinhalb Jahre lang gearbeitet hat, befragte sie alle zwölf zu der Zeit aktiven FH-Rektoren und -Präsidenten in Nordrhein-Westfalen (NRW). „Zudem sprach ich mit sechs ehemaligen FH-Gründungsrektoren und befragte 150 Dozenten anonym“, sagt Elisabeth Holuscha. Und sie wertete alte Dokumente und Gesetzestexte aus. Eines aber konnte sie nicht finden: einen festgeschriebenen Bildungsauftrag für FHs. „Es gibt kein Gesetz, keinen Aufsatz, keine Verordnung in NRW, in dem der Bildungsauftrag der Fachhochschulen festgelegt ist“, sagt Holuscha.

Seit dem Jahr 1968, als die Kultusminister der Länder beschlossen, bundesweit Fachhochschulen einzurichten, eiferten sie den Universitäten nach. Dabei wäre es viel besser gewesen, sich von Anfang an von den Unis abzugrenzen, meint Holuscha. Sie hätten sich stärker als Marke bei Politik und Gesellschaft etablieren müssen. „Und sie hätten zum Beispiel das Duale Studium mehr in den Fokus rücken sollen“, ergänzt die Forscherin.
Stattdessen kam es zu einem Angleichungsprozess: So haben sich viele FHs mittlerweile in Hochschulen umbenannt, meist mit dem Zusatz University of applied sciences. Auch ansonsten ist der Sprachduktus identisch: „Fakultäten, Institute, Dekane, Mensa – die Nomina sind gleich an Uni und FH“, erklärt Holuscha. Diese Gleichmacherei sei eine falsche Entwicklung. Denn das hochschulpolitische Mantra, Fachhochschulen wären „gleichwertig, aber andersartig“, stimme nicht. „Unis und Fachhochschulen sind nicht gleichwertig“, sagt Holuscha. Dies müsse erst noch erreicht werden.

Ein Schritt dahin wäre etwa mehr Einfluss, mehr Mitsprache von Fachhochschulen in bestimmten Gremien. Es sei noch nicht so lange her, dass das Stimmrecht in der Hochschulrektorenkonferenz nach Hochschulart gewichtet wurde – Unis waren bedeutender. „Mittlerweile zählt die Anzahl der Studierenden, egal ob Universität oder Fachhochschule“, erklärt Holuscha. Doch was bei der HRK gilt, gilt nicht beim Deutschen Akademischen Austauschdienst. Dort erfolge die Abstimmung nach wie vor nach Hochschulart. Weiterhin komplett außen vor sind Fachhochschulen bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

„Fachhochschulen führen zu mehr Bildungsgerechtigkeit. Darauf sollten sie sich besinnen.“

In Bezug auf das Streben von Fachhochschulen nach dem Promotionsrecht empfiehlt Holuscha Realitätssinn: „Forschung ist an den meisten Fachhochschulen ein Mythos.“ Die FHs sollten nicht so tun, als wären sie kleine Helmholtz-Zentren. Und sie sollten realistisch einschätzen, wie viele ihrer Absolventen tatsächlich promovieren wollen. Holuscha fordert aber auch, dass es FH-Master-Absolventen, promovieren möchten, leichter gemacht werden sollte, an die Uni zu wechseln. „Studierende sollten mobil sein dürfen zwischen den beiden Bildungssystemen“, sagt sie, „Standesdünkel sollten nicht auf dem Rücken der Studenten ausgetragen werden.“

Die Angleichung der Abschlüsse im Zuge der Bologna-Reform habe den FHs bereits großen Aufwind gegeben. Eine weitere Angleichung der Systeme sei jedoch nicht gut, meint die Forscherin und wendet sich damit unwillkürlich gegen aktuelle Pläne von Schleswig-Holsteins Wissenschaftsministerin Prof. Dr. Waltraud Wende, das Promotionsrecht für FHs einzuführen (duzMagazin 01/2013, S. 24). „Fachhochschulen führen zu mehr Bildungsgerechtigkeit, leisten einen wichtigen Beitrag zu einem differenzierten Hochschulsystem und darauf sollten sie sich besinnen“, sagt Holuscha.

Ursprünglich sollten sie sich auflösen

Das von ihr diagnostizierte fehlende Selbstbewusstsein der Fachhochschulen könnte auch aus ihrer Geschichte resultieren. Zumindest in NRW sollten sie schon kurz nach der Gründung wieder abgeschafft werden. Nach dem bundesweiten FH-Gesetz brachten die Bundesländer ihre eigenen FH-Landesgesetze auf den Weg. Eine Besonderheit in NRW war, dass die Landesregierung 1972 das „Gesetz über die Errichtung und Entwicklung von Gesamthochschulen“ erließ. Es beinhaltete die Auflösung der Fachhochschulen. „Gerade erst gegründet, sollten sie gemeinsam mit den Universitäten binnen fünf Jahren Empfehlungen für Gesamthochschulen erarbeiten“, sagt Holuscha. Das Experiment misslang. „Die Gründungsrektoren hatten Unmögliches zu leisten: Auf der einen Seite sollten sie verschiedene Vorgängereinrichtungen zu einer Fachhochschule zusammenführen, Personal einstellen und für die entsprechende Infrastruktur sorgen. Auf der anderen Seite sollten sie Empfehlungen für die Gründung einer Gesamthochschule erarbeiten“, erklärt Holuscha. Entsprechend gering sei die Motivation bei den meisten Beteiligten gewesen. Und so gingen die Gesamthochschulen unter, die FHs blieben.

Dr. Frank Seeliger

Fachhochschulen

„Bibliotheken zweiter Klasse“

Dr. Frank Seeliger leitet die Bibliothek der Fachhochschule Wildau in Brandenburg. Die finanzielle Ausstattung der Einrichtung sei unbefriedigend, sagt er.

duz: Herr Seeliger, Ihre Bibliothek wurde Ende 2012 als Bibliothek des Jahres ausgezeichnet. Was haben Sie mit dem Preisgeld in Höhe von 30.000 Euro gemacht?

Seeliger: Wir finanzieren eine IT-bezogene Projektstelle weiter und schaffen den Rahmen für ein Strategiekonzept 2020.

duz: Wie viele Mitarbeiter haben Sie?

Seeliger: Wir haben 4,7 Personalstellen. Das ist nicht gerade üppig bei 4200 Studierenden.

duz: Fühlen Sie sich gegenüber den Unibibliotheken benachteiligt?

Seeliger: FH-Bibliotheken fühlen sich als Bibliotheken zweiter Klasse. Denn sie sind bundesweit chronisch unterfinanziert.

duz: Was heißt das konkret?

Seeliger: Allein beim Personal ist die Ausstattung an Unibibliotheken mehr als doppelt so hoch pro 1000 Studierende. Noch schlimmer sieht es bei den Etats aus: In Brandenburg hatten die Unis im Jahr 2011 durchschnittlich 121 Euro pro Studierenden zur Verfügung, die Fachhochschulen dagegen nur 44 Euro. In Bayern liegt das Verhältnis bei 174 zu 61 Euro.

duz: Ist denn das Aufgabenspektrum der Bibliotheken an Universitäten so viel anders als das der FH?

Seeliger: Eben nicht. Die Bachelor- und Master-Studiengänge erfordern dieselbe Ausstattung. Auch FH-Bibliotheken bieten den klassischen physischen und virtuellen Bestand, sie schulen intensiv, entwickeln Serviceprodukte und haben lange geöffnet. Es gibt keinen Grund, dass sie in der zweiten Liga bleiben. Es wird Zeit für einen Angleichungsprozess.

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