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Draußen lehren und lernen

Die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt bereitet eine Outdoor Faculty vor. Wie das geht und was geplant ist erklären Heiner Böttger, Thomas Hoffmann, Deborah Költzsch und Sandra Stadler-Heer

Wenn das Wetter es erlaubt, verlassen Studentinnen und Studenten gerne die oft sauerstoffarmen und selten ausreichend gelüfteten Veranstaltungsräume der Universitätsgebäude, um in entspannten Umfeldern zu lernen – auf Wiesen, im Park, in Cafés oder auf dem Balkon. Ihrerseits gibt es also gute Voraussetzungen, um auch das Lehrgeschehen selbst nach draußen zu verlagern. Die Katholische Universität (KU) Eichstätt-Ingolstadt will dafür Voraussetzungen schaffen. Die folgenden Ausführungen skizzieren, wie eine Outdoor-Lernlandschaftsarchitektur aussehen und wie sie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt pilotmäßig umgesetzt werden soll.

Zwar gibt es erfahrungsbasierte, erlebnispädagogische und außerschulische Angebote für das naturfokussierende Lernen aller Altersgruppen, ein institutionalisiertes und hochschuldidaktisch begründetes Konzept einer Outdoor Faculty für das Studieren außerhalb geschlossener Räume allerdings fehlt.

Die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt will zunächst besondere, innenräumlich unabhängige Präsenzveranstaltungen ermöglichen und eine saisonabhängige Entzerrung des engen Raumbelegungsplanes erreichen.

Neben der beispielhaften Lern-Landschaftsarchitektur stehen danach die speziellen Aufgabenformate eines Draußenlernens und -studierens im Fokus. Es reicht nicht aus, einfach unterschiedliche Veranstaltungsorte zu definieren und Lehr-/Lernsituationen aus den Seminarräumen dort unverändert zu implementieren. Beispielsweise erfordern die veränderte Akustik, Ablenkungen durch Umgebungsgeräusche, die multisensorischen Störeinflüsse, visuelle Eindrücke oder taktile Reize wie Wind entsprechende Anpassungen, können aber gleichzeitig aufgrund ihrer speziellen Eigenheiten positiv in die Lehr- und Lernprozesse integriert werden.

Letztlich darf das Lernen und Studieren außerhalb der geschlossenen Universitätsräumlichkeiten auch nicht zu einer Art Verschlimmbesserung des Lernerfolgs beziehungsweise des Kompetenzaufbaus von Studierenden führen. Denn damit wäre die Outdoor Faculty nur ein temporärer Lernort, eigens als minderwertige Alternative zu den Indoor-Veranstaltungen für Notzeiten geschaffen. Um eine nachhaltige Akzeptanz des vorgestellten Pilotprojekts zu erreichen, muss die Hypothese daher lauten: Veranstaltungen in Open-Air-Lernbereichen der Universität sind mindestens ebenso lernwirksam wie solche, die in Innenräumen stattfinden. Sie können darüber hinaus sogar lernpsychologische, neurobiologische und (fach)didaktische Vorteile in Bezug auf den Lernerfolg aufweisen. Dies beinhaltet einen sensorischen, motorischen, motivationalen und impliziten Mehrwert.

Umsetzungsmöglichkeit der Outdoor Faculty am Beispiel der KU Eichstätt-Ingolstadt

Der Standortvorteil des Geländes um die Zentralbibliothek der Katholischen Universität, ein Bau des Architekten Günter Benesch, der mehrere Fakultäten beherbergt, besteht insbesondere in der in die Natur eingebetteten Umgebung des Campus. Die Abbildung oben zeigt skizzenhaft einen praktischen Vorschlag der Platzierung der Open-Air-Lernorte rund um das Gebäude: (1) The Riverside Taskway, (2) The Walk’n’Talk Trail, (3) The Theatre Zone, (4) Seminar Pavilions & Tents, (5) The Forum sowie (6) der Bereich Under the Trees.

Jedes dieser Areale ist unterschiedlich aufgebaut und hat spezielle Voraussetzungen. Zusammen ermöglichen sie dem gesamten Campus eine große Varietät an methodischen Lehrverfahren und Aufgabenformaten.

Die bisherige Durchführung von digitalen Kursen im letzten und laufenden Semester in Kombination mit einzelnen Präsenzphasen kann durch das geplante Ausweichen auf naturnahe Lernorte erweitert werden. Für entsprechende Veranstaltungen sind passende Seminarräume innerhalb der Universitätsgebäude sowie Schwester-Lernorte außerhalb für bestimmte Zeitslots systematisch zu reservieren, um die Lehre je nach Wetter- und Witterungsbedingungen in die Natur zu verlegen.

Eine Outdoor-Didaktik erfordert zunächst einen nicht unerheblichen Planungsaufwand und die Flexibilität, sich kurzfristig umzuorientieren. Die oben genannten Mehrwerte wiegen diese anfängliche zeitliche Mehrarbeit jedoch auf.

Die sechs als erste versuchsweise Basisausstattung anzusehenden Outdoor-Lehr- und Lernorte lassen sich nach den Gruppengrößen systematisieren, die dort bespielt werden können. Allen Arealen gemein ist, dass die genannten Vorzüge aufgrund der natürlichen Umgebung auf sämtliche Bereiche gleichermaßen zutreffen und sensorisches und motorisches Lernen durch Bewegung an allen Orten möglich ist. Neu zu denken ist das zeitliche Seminarkonzept, da die unterschiedlichen Bereiche aufgrund ihrer natürlichen Beschaffenheit und ihrer Gegebenheiten, beispielsweise des Tageslichts, verschiedene Effekte auf das Lehren und Lernen haben. Bei Bedarf können technische Hilfsmittel wie das Smartphone oder der Laptop mit nach draußen transportiert und für interaktive digitale Aufgabenformate über WLAN genutzt werden. Außenanschlüsse für Strom und Internet sowie in die Umgebung integrierte Präsentationsflächen halten diese Möglichkeiten vor. Mobiles Equipment wird in einem abschließbaren Container gelagert, kann dort von den Seminargruppen abgeholt und wieder verstaut werden.

Under the Trees

Der Bereich Under the Trees besteht primär aus mobilen oder fest installierten Sitzgelegenheiten innerhalb der Grünanlage vor der und um die Zentralbibliothek. Diese können variabel oder fest installiert in verschiedenen Gruppengrößen assembliert werden, um individuelles Lernen parallel zur Arbeit in Kleingruppen zu begünstigen. Der Ort eignet sich daher spezifisch für die individuelle Vor- und Nachbereitung von Kursmaterialien, die Bearbeitung von Literatur, das Zusammenfassen von Informationen sowie das Besprechen und Diskutieren von Kursinhalten. Aufgrund der geringen Gruppengröße ist zudem die Durchführung von Tutorien denkbar. Zusätzlich bietet der Ort durch seine Lage im Schatten der Bäume und seine individuelle Nutzbarkeit alle nötigen Gegebenheiten für Achtsamkeitsübungen und Entspannungstechniken.

The Riverside Taskway

Der zweite Bereich, The Riverside Taskway, zeichnet sich durch seine Lage direkt am Fluss aus. Er besteht vorrangig aus Stationen, die am Ufer entlangführen. Durch einen festen Start- und Endpunkt ist die Bearbeitungsrichtung vorgegeben, Distanzen können gewahrt werden und individuelles Lernen ist möglich. Vorgesehen ist dort die Errichtung einzelner Stehtische, die zum Beispiel der Verschriftlichung von Informationen dienen, sowie von witterungsfesten Tafeln. Auch hier ist mobiles Equipment denkbar. Der Aufbau dieses Areals deutet bereits auf den Einsatz von autonomen Lernverfahren, beispielsweise das Stationenlernen, hin. QR-Codes an den Stationen können mit veränderbaren und angepassten Aufgabenformaten hinterlegt werden und ermöglichen so die Nutzung digitaler Endgeräte.

The Walk’n’Talk Trail

Der Walk’n’Talk Trail macht ebenso wie der Riverside Taskway Gebrauch von den bereits existierenden Pfaden um die Zentralbibliothek herum. Er führt auf einer kleinen Strecke um das Gebäude herum und kann durch die Integration des Riverside Taskways erweitert werden. Seine Breite erlaubt zwei Personen nebeneinander zu gehen und bietet somit eine gute Voraussetzung für Partnerarbeit. Forschungsergebnisse geben Hinweise auf die neuronale Synchronisierung zweier Menschen durch gemeinsames Gehen. Kommunikative Aufgabenformate wie das Führen von Verhandlungen oder das gemeinsame Diskutieren werden begünstigt.

Pavilions & Tents

Zwischen dem Gebäude der Zentralbibliothek und dem Walk’n’Talk Trail sind einzelne „Pavilions & Tents“ als Beduinenzelt-artige Beschattungen vorgesehen. Darunter kann auch bei schlechter Witterung gearbeitet werden. Die Beschattungen können auch verändert werden.
Bedacht werden muss jedoch immer die schwierige Akustik des Ortes, die aufgrund der Umgebungsgeräusche im Vergleich zu Räumen innerhalb der Universitätsgebäude stark beeinträchtigt sein kann. Dieser Bereich eignet sich deshalb weniger für die Durchführung von Lehrformen mit großen Teilnehmerzahlen, etwa Vorlesungen, sondern für kleinere Seminargruppen.

The Theatre Zone

The Theatre Zone bietet, je nach Ausgestaltung der Sitzgelegenheiten, eine Lernumgebung für größere Gruppen. In diesem Areal befinden sich dem Theaterauditorium ähnliche Sitzkonstruktionen mit beispielsweise vierstöckigen Sitzreihen aus Stein, aus Holz oder mobil aus Sitzwürfeln, sowie eine zentral gelegene Bühne. Zusätzlich stehen naturbelassene Schiefertafeln in der Mitte des Theaters zur Verfügung. Der Ort ermöglicht aufgrund seiner Größe, seiner Zahl an Sitzgelegenheiten sowie der entsprechenden Akustik Vorträge und Vorlesungen. Lehrende können dabei auf die Visualisierung mithilfe der Tafeln sowie portabler Projektoren zurückgreifen.

The Forum

Der letzte Bereich, The Forum, stellt – dem Namen entsprechend – ein kleines Stadion neben dem Gebäude der Zentralbibliothek dar. Dank guter Akustik bietet es einer großen Zahl an Studierenden Platz, die auch zueinander den nötigen Abstand wahren können. Dieser Bereich eignet sich für Präsentationen aller Art. Außerdem sind hier Vorlesungen, Tutorien, Diskussionsrunden oder Seminare, auch mit geringer Teilnehmerzahl, möglich.

Ausblick

Die Nutzung der Outdoor Faculty als Lernraum zu institutionalisieren und in die Raumplanungen für die Semester offiziell aufzunehmen, ist ein erster wichtiger Schritt. Für die sechs Bereiche spezielle outdoor-didaktische Arbeitsformate zu entwickeln, wird der zweite, noch folgende und entscheidende Schritt sein. //

Heiner Böttger

Prof. Dr. Heiner Böttger lehrt Didaktik der englischen Sprache und Literatur und ist Studiendekan der Sprach- und Literaturwissenschaftlichen Fakultät an der KU Eichstätt-Ingolstadt.

Thomas Hoffmann

Prof. Dr. Thomas Hoffmann lehrt Englische Sprachwissenschaft und ist Dekan der Sprach- und Literaturwissenschaftlichen Fakultät an der KU Eichstätt-Ingolstadt.

Sandra Stadler-Heer

Dr. Sandra Stadler-Heer ist Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Professur für Didaktik der englischen Sprache und Literatur an der KU Eichstätt-Ingolstadt

Deborah Költzsch

Deborah Költzsch ist Doktorandin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Didaktik der englischen Sprache und Literatur an der KU EichstättIngolstad

Fotos: KU Eichstätt-Ingolstadt​

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