Wie die Finanzkrise die Hochschulen verändert
Nikosia Was Urlauber auf der Sonneninsel Zypern nicht sehen, ist für Hochschule und Wissenschaft bittere Realität: Seit fünf Jahren wurden in Zypern die Hochschulbudgets um rund 20 Prozent gekürzt. Auch die Dozenten mussten auf ein Viertel ihres Gehalts verzichten.
Prof. Dr. Nikitas Chadzimichail, Jura-Dozent an der Universität Zypern, gehört zu den Pionieren seiner jungen Fakultät. „2009 hat sie ihre Pforten geöffnet“, erinnert er sich. Und er ist stolz auf das Leistungsniveau. Anders als etwa in Griechenland würden Langzeitstudenten auf Zypern nicht toleriert, sagt der in Harvard promovierte Jurist. Wer in sechs Jahren sein Diplom nicht schaffe, müsse die Universität verlassen. „Allerdings werden unsere Studenten intensiv betreut und wir gehen davon aus, dass alle ihren Abschluss fristgerecht hinkriegen", sagt Chadzimichail.
Bildung genießt ein hohes Ansehen im Land. Acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts, das sind knapp 1,4 Milliarden Euro, wurden 2010 in diesen Bereich investiert. Doch die Wirtschaftskrise geht am Bildungsbereich nicht spurlos vorbei. „In den vergangenen fünf Jahren wurden Hochschulbudgets um bis zu 20 Prozent gekürzt“, klagt Chadzimichail, „und wir Dozenten mussten auf 20 Prozent unseres Einkommens verzichten.“
Seit der Invasion der Türkei im Jahr 1974 in den Norden ist die Insel faktisch geteilt. Die Republik Zypern umfasst den südlichen Teil. Sie ist seit 2004 Mitglied der EU. Mit 850.000 Einwohnern ist die Republik eines der kleinen Mitgliedsländer. Ihre Wirtschaft ist mit der Griechenlands eng verwoben. Die Wirtschaftskrise dort wirkt sich nun auch in Zypern aus, das noch bis zum Ende des Jahres die EU-Ratspräsidentschaft innehat. Im Juni musste das Land einen Antrag auf Finanzhilfen aus dem europäischen Rettungsschirm stellen. Das Land braucht wohl rund 17 Milliarden Euro Hilfe. Die Ratingagentur Fitch senkte Ende November auch noch seine Kreditwürdigkeit um zwei Stufen herab. Schon im Dezember, heißt es, könnte Zypern Schwierigkeiten bekommen, Gehälter und Renten zu zahlen.
Betroffen davon wären auch die Beschäftigten der drei staatlichen Hochschulen des Landes. Etwa 750 Lehrende gibt es dort. Ihnen stehen circa 13.000 Studierende gegenüber. „Als öffentliche Bedienstete sind Professoren in Zypern durchaus gut bezahlt", sagt Dr. Sabine Rogge, Geschäftsführerin des Instituts für interdisziplinäre Zypern-Studien an der Uni Münster (s. Interview unten), „doch alle hoffen, dass sich die Krise nicht weiter ausweitet und in ein paar Jahren überstanden ist.“ Denn das junge aufstrebende Wissenschaftssystem erfährt bereits erste Einschnitte. Für Despina Martidou-Forcier, Abteilungsleiterin für das Hochschulwesen im Kultur- und Erziehungsministerium, ist die Situation nicht dramatisch: „Auch uns hat die Krise zugesetzt, aber wir sparen nicht an der Lehre, sondern eher bei Bauprojekten“, sagt sie, „dabei wären auch diese notwendig, denn wir befinden uns gerade im Aufbau unserer Universitäten. Trotz Kürzungen haben wir immerhin zusätzliche 500 Millionen Euro für die Errichtung einer medizinischen Fakultät bewilligen können."
Ob Zypern eine medizinische Fakultät braucht, ist wegen der hohen Kosten umstritten. Doch viele Wissenschaftler glauben, dass zypriotische Hochschulen damit ihren Platz in internationalen Rankings verbessern und mehr Drittmittel für die Forschung mobilisieren könnten. „Die Regierung ist im Bereich Hochschulbildung und -forschung stark engagiert. Man möchte neben den guten Kontakten zu wissenschaftlichen Institutionen in der westlichen Welt vor allem auch das im östlichen Mittelmeerraum bereits geschaffene Wissenschaftsnetzwerk weiter ausbauen“, sagt Sabine Rogge.
Zur ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien unterhalte man ohnehin enge Beziehungen – vor allem durch Kontakte von Wissenschaftlern, die dort ausgebildet wurden oder gearbeitet haben. Der Zusammenarbeit mit Hochschulen und Forschungsinstituten in anderen EU-Staaten werde große Bedeutung beigemessen. Allein die Universität Zypern unterhalte 130 Kooperationsabkommen. Knapp 20.000 Zyprioten studierten zudem im Ausland. Und rund ein Drittel der Studierenden in Zypern seien Ausländer.
Man dürfe sich nicht zu sehr auf die Forschung konzentrieren, mahnt die Ministeriumsvertreterin Despina Martidou-Forcier: „Wir sollten uns auch für die Lehre einsetzen, damit unsere Hochschulen für Studenten attraktiv bleiben." Nur mit einer Verbesserung der Hochschullehre könne man dazu beitragen, die angehende Elite im Land zu halten.
Krisenbedingt stellt sich nämlich auch die Frage, wie junge Zyprioten ihr Studium finanzieren. „In der Regel kommt die Familie für das Studium der Kinder auf, dazu gibt es Stipendien oder zinsgünstige Bankkredite“, sagt die Beamtin Despina Martidou-Forcier. Es gäbe zudem ein Förderbudget für Studenten aus sozial schwachen Familien. Doch auch dort würden Einschnitte vorgenommen: „2009 betrug der Etat in dem Bereich neun Millionen Euro, 2010 waren es sieben Millionen Euro." In diesem Jahr verhandele man noch über die Bereitstellung der Mittel.
Sabine Rogge
Internationale Kooperation
„Stark ist die Wissenschaft in vielen Bereichen“
Zypern ist klein und hoch verschuldet. In vielen Bereichen hat der Inselstaat aber wettbewerbsfähige Forschung zu bieten, meint Sabine Rogge, Geschäftsführerin des Instituts für interdisziplinäre Zypern-Studien an der Uni Münster.
duz: Frau Rogge, gibt es in der Wirtschaftskrise noch genug Geld für die Wissenschaft Zyperns?
Rogge: Die Professoren an den staatlichen Hochschulen gehören zum öffentlichen Dienst, der materiell gut abgesichert ist. Doch in persönlichen Gesprächen hört man bei ihnen von Kürzungen in den Etats und von Gehaltseinbußen. Insgesamt wird der öffentliche Dienst abspecken müssen. Dort sollen circa 70.000 Menschen arbeiten, bei 850.000 Einwohnern. Viele Hoffnungen ruhen auf Erdgas- und Erdölvorkommen, die noch nicht erschlossen sind. Sie könnten in wenigen Jahren zur Konsolidierung des Staatshaushaltes beitragen.
duz: In welchen Bereichen ist die zypriotische Wissenschaft denn stark?
Rogge: Der Staat kommt beispielsweise für die im Bachelorstudium für Zyprioten und EU-Ausländer anfallenden Studiengebühren auf. So ist ein Aufenthalt für Studierende aus anderen europäischen Ländern interessant. Stark ist die zypriotische Wissenschaft in vielen Bereichen, etwa in der Sparte Energie, Umwelt und Wasser. Als Archäologin verfolge ich mit großem Interesse die engagierte und wettbewerbsfähige Forschung im Bereich der Archäologie.
duz: Ist Zypern auch als internationaler Kooperationspartner interessant?
Rogge: Vor allem zur ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien pflegt man enge wissenschaftliche Kontakte, aber auch in andere Länder: 2007 wurde mit dem Cyprus Institute ein reines Forschungsinstitut gegründet, das etwa mit dem MIT in den USA und dem Max-Planck-Institut für Chemie in Deutschland kooperiert. An den staatlichen Hochschulen ist die Unterrichtssprache jedoch noch überwiegend Griechisch, obwohl nahezu alle Wissenschaftler fließend Englisch sprechen.
Das Interview führte Roland Koch.
Zypern auf einen Blick
Zypern auf einen Blick
Hochschulen: Auf Zypern gibt es drei staatliche Hochschulen: Die Universität Zypern in der Hauptstadt Nikosia, die Technische Universität (Polytechnikum) mit Sitz in Limassol sowie die Offene Universität in Nikosia. An ihnen studieren 13.000 der insgesamt 32.000 Studierenden. Die restlichen Studierenden sind an privaten Hochschulen eingeschrieben.
Haushalt: Der aktuelle Hochschuletat für die drei staatlichen Einrichtungen umfasst circa 127 Millionen Euro. Gegenüber dem Jahr 2009 ist das eine Kürzung um 20 Prozent. Hinzu kommen 74 Millionen Euro aus Eigenmitteln und EU-Programmen, die größtenteils für die Forschung gedacht sind.
Studiengebühren: Die staatlichen Hochschulen verlangen Studiengebühren. An der Universität Zypern betragen sie zum Beispiel für ein Bachelorstudium 1700 Euro pro Semester (3400 Euro für Nicht-EU-Ausländer). Die Gebühren werden jedoch vom Staat übernommen.
Der Bildungsminister
Der Bildungsminister:
Georgios Dimosthenous
Der Kultur- und Erziehungsminister der Republik Zypern wurde 1964 in Pano Zodia nahe der Hauptstadt Nikosia geboren. Als Stipendiat der Republik Zypern und des griechischen Erziehungsministeriums hat er Maschinenbau am renommierten Polytechnikum in Athen studiert und dort auch promoviert.
Berufliche Stationen: Nach der Promotion war Dimosthenous Dozent für Maschinenbau und Vizerektor am Frederick College in Nikosia, einer privaten Bildungseinrichtung nach US-Vorbild. Von 2006 bis 2010 vertrat er Zypern im EU-Programm für Zusammenarbeit in der wissenschaftlichen und technischen Forschung (COST). Seit August 2011 ist er Bildungs- und Kulturminister.
DUZ Europa 10/2012 vom 30.11.2012