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"Einer für alle, alle für einen"

Die digitale Transformation der Hochschulen nachhaltig wirksam umzusetzen - das bedarf einer gemeinsamen Kraftanstrengung. Wie wichtig für diese Veränderungsprozesse eine zentrale Organisation wie die Digitale Hochschule NRW ist, erklären Ada Pellert und Birgit Feldmann im Gespräch.

Das Interview ist im DUZ Special "Digitale Transformation - Gemeinsam nachhaltige Strukturen für den Wandel schaffen" erschienen, das von der Digitalen Hochschule NRW herausgegeben worden ist.
Hier finden Sie die gesamte Ausgabe als PDF und als E-Journal und können kostenfrei die Print-Ausgabe bestellen:

www.duz-special.de/de/ausgaben/digitale-transformation/

Frau Prof. Pellert, Frau Feldmann, warum ist gerade in Zeiten wie dieser eine Organisation wie die DH.NRW als Kooperationsgemeinschaft von 42 Hochschulen und des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) unabdingbar?

Ada Pellert: Nicht erst seit der Corona-Krise erleben wir, dass die Digitalisierung eine immense Herausforderung für die Hochschulen auf vielerlei Ebenen darstellt – angefangen bei der Verwaltung und Infrastruktur bis hin zu Studium, Lehre und Forschung und auch in der nationalen wie internatio­nalen Zusammenarbeit. Wir werden diese Herausforderung nur gemeinsam lösen können. Davon sind auch immer mehr Hochschulen überzeugt.

Gibt es jetzt durch die Corona-Krise noch mal einen Kurswechsel positiver oder negativer Art?

Pellert: Durch die Corona-Krise wurde den Verantwortlichen an den Hochschulen die Dringlichkeit der Digitalisierung ein­drücklich vor Augen geführt. Vieles musste quasi über Nacht umgesetzt werden, was vorher nur theoretisch diskutiert und auf die lange Bank geschoben wurde. Das Verständnis dafür, wie und warum das Notwendige jetzt sofort umgesetzt wer­den muss und welche Voraussetzungen dafür vorhanden sein müssen, ist heute ganz anders als noch vor Corona.

Warum ist es überhaupt sinnvoll, dass die Hochschulen bei der Digitalisierung miteinander kooperieren?

Birgit Feldmann: Da die Digitalisierung aller Bereiche einer Hochschule hochkomplex und sehr anspruchsvoll ist, sollte nicht jede Hochschule alles immer wieder neu und alleine in Angriff nehmen, sondern Erfahrungen und Synergien mit und für andere Hochschulen nutzen. Je mehr Prozesse und Instrumente standardisiert und gegenseitig genutzt werden können, desto mehr Potenziale und Ressourcen ergeben sich daraus für alle.

Welche Rolle kommt in diesem Kontext der DH.NRW zu?

Feldmann: Wir sind als selbstverantwortete Gemeinschaft aller Hochschulen in NRW so etwas wie ein Informations und Steuerungszentrum. Wir sorgen dafür, dass die Gelder aus der Digitalisierungsoffensive des Landes Nordrhein-Westfa­len gemeinsam und gerecht verteilt werden. Hierzu stehen uns um die 35 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. Wenn die Hochschulen in einer Allianz-Schmiede miteinander ko­operieren und ihre Ergebnisse miteinander teilen, dann sind – wie bei der Schwarmintelligenz – viel mehr Dinge möglich.

Wissenschaftler*innen und Hochschullehrer*innen sind eigentlich eher darin geübt, für sich und an ihrem eigenen Profil zu arbeiten. Wenn sie miteinander kooperieren, passiert das meist zweckgebunden. Wie schaffen Sie es mit der DH.NRW, dass alle an einem Strang ziehen?

Pellert: Klar ist: Es muss einen gewichtigen Anlass für eine Kooperation geben. Die Digitale Hochschule NRW sorgt für eine gute Kooperationsumgebung und schafft Anreize für gemeinsame Projekte. Wir fördern nur Vorhaben, bei denen mehrere Hochschulen Kooperationspartnerschaften einge­hen und die für die ganze Hochschullandschaft und damit möglichst viele Hochschulen interessant sind.

Die Digitalisierung betrifft alle Bereiche einer Hochschule – sowohl Studium und Lehre als auch Forschung und Infrastruktur sowie Verwaltung und Management. Müssen alle diese Bereiche bei den von Ihnen geförderten Projekten denn auch miteinander kooperieren?

Pellert: Ja! Das ist eine ganz wichtige Besonderheit der DH.NRW. Wir wollen diese oft unterschiedlichen Welten zu­sammenspannen. Denn die Digitalisierung erfasst alle drei Bereiche einer so komplexen Organisation wie einer Hoch­schule. Und alle diese Bereiche müssen letztendlich gut mit­einander arbeiten und kommunizieren.

Warum ist es denn so wichtig, dass es mit der DH.NRW eine gemeinsame Plattform gibt, die die digitale Transformation der Hochschulen anschiebt?

Pellert: Für die Etablierung eines solchen Netzwerkes, das Ko­operationen stiftet und Projekte betreut, braucht man ein pro­fessionelles Organisationsherz, das die Netzwerke pflegt und managt. Denn sonst entstehen sie nicht und existieren schon gar nicht auf Dauer. Die Digitalisierung trifft uns Hochschu­len alle gleich. Es gibt vielleicht Größenunterschiede, aber alle haben dasselbe Grund­problem. Die DH.NRW bie­tet den 42 Hochschulen in NRW einen innovativen Kommunikationsort und ermöglicht es ihnen, über den eignen Tellerrand zu blicken. Die Digitale Hoch­schule NRW pflegt einen diskursiven und pluralisti­schen Ansatz bei all ihren Entscheidungen.

Wie funktioniert das?

Pellert: Dieser Ansatz ist aus dem Selbstorganisationsprinzip der Hochschulen entstanden. Unsere Vorgängerorganisation, die sich aus eigenem Antrieb aus den Hochschulen selbst he­raus gründete, war kleiner und beschränkte sich vor allem auf administrative Themen. Es gab keine Anweisung von hö­heren Instanzen, die ein miteinander Kooperieren verordne­ten. Und bei dieser Grundphilosophie sind wir geblieben. Im Gegensatz zu früher haben wir heute aber alle Hochschulen, Hochschulbereiche und Hochschularten in unsere Organisa­tion integriert. Wir decken das gesamte Themenspektrum ab und haben auch das zuständige Wissenschaftsministerium mit einbezogen. So können wir im Vorstand auf Augenhöhe mit dem Ministerium Problemstellungen und Lösungen ent­wickeln, die von allen Hochschultypen eingespeist werden. Daraus ist ein sehr kreatives und interessantes Miteinander von Musik- und Kunsthochschulen, Hochschulen für Ange­wandte Wissenschaften und Universitäten entstanden. Dies ist eine gute Basis, um Vertrauen und Verständnis füreinan­der zu entwickeln und um Kooperationen auch in anderen Bereichen zu ermöglichen.

Feldmann: Wir versuchen, möglichst viele Stakeholder in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Die Hochschulen können auch selbst Projekte aufsetzen. Wenn eine Hoch­schule eine gute Idee und Partner für ein hochschulübergrei­fendes und interdisziplinäres Kooperationsprojekt hat, dann stehen die Chancen gut, dass dieses auch gefördert wird. Sollte es ein entsprechendes Projekt bereits geben, dann bieten wir Vernetzungs- und Anknüpfungsmöglichkeiten.

Welche Vor- und Nachteile bietet der von Ihnen verfolgte diskursive und pluralistische Entscheidungsprozess?

Feldmann: Die Vorteile sind ganz klar: Je mehr Menschen in einen Prozess einbezogen werden, desto höher sind die Akzeptanz und das Wissen über Projekte, Dinge und Struk­turen. Der Nachteil ist: Der Aufwand für Kommunikation, Information und Partizipation ist deutlich höher als bei Einzelmaßnahmen.

Pellert: Die DH.NRW lebt stark von der Partizipation der beteiligten Hochschulen. Es gibt viele Inputgruppen, die Ideen voranbringen, und ei­nen sehr aktiven Programm­ausschuss, der diese inhalt­lich bewertet. Dort sitzen nicht nur Digitalisierungs­expert*innen, sondern es sind auch alle Hochschularten vertreten. Unser Vorstand repräsentiert eine gute Mischung von Rektor*innen und Kanzler*innen aller Hoch­schularten sowie Vertreter*innen des Ministeriums, die allesamt auch nochmals auf die entstandenen Projekt­ideen schauen. Denn wir wollen unsere Hochschullandschaft – auch über den notwendigen Digitalisierungsprozess hinaus – insgesamt voranbringen. Dafür ist es notwendig, dass die Vorstandsmitglieder prüfen, ob die entwickelten Projektideen zu unseren zentralen strategischen Zielen passen, die bottom-up mit unseren Hochschulen entstanden sind.

Frau Feldmann, worin sehen Sie als Leiterin der Geschäftsstelle insbesondere Ihre Aufgaben?

Feldmann: Für mich ist die Geschäftsstelle ein Informationsdrehkreuz und ein treibender Arm sowie eine Klammer zwi­schen den Projekten der Hochschulen. Für uns ist es wichtig, dass wir die Trends und Strömungen im Bereich der Digitali­sierung und auch in allen anderen relevanten Bereichen der Hochschulen sehr gut kennen. Denn wir wollen auch solche Potenziale an den Hochschulen erkennen, die noch keine Beachtung gefunden haben, die sehr wohl aber gefördert werden sollten. So fördern wir zum Beispiel die Etablierung von Konsortien und helfen bei der Suche von Kooperations­partnern. Zudem unterstützen wir als Geschäftsstelle na­türlich die Gremien, den Vorstand und den Programmaus­schuss der DH.NRW.

Und welche Aufgaben übernehmen Sie, Frau Prof. Pellert, als Vorstandsvorsitzende?

Pellert: Kommunikation und Information spielen für eine er­folgreiche digitale Transformation eine entscheidende Rolle. Es ist sehr wichtig, dass ich ständig kommuniziere – mit der eigenen Geschäftsstelle, mit den anderen Kolleg*innen im Vorstand, mit dem Programmausschuss und dem Ministerium. Dazu gehört es auch, Themen einzuspeisen, die man insgesamt bundesweit – ich bin auch Mitglied des Digitalrats der Bundesregierung – und international wahrnimmt.
Welchen Vorteil bietet eine Organisation wie die DH.NRW eigentlich für ein Wissenschaftsministerium?

Pellert: Auch hier gilt: Gemeinsam sind wir stärker. So ist es dem Wissenschaftsministerium im letzten Jahr gelun­gen, zusätzliches Geld vom Finanzministerium zu erhalten, weil dem Ministerium ein Positionspapier mit Prioritäten vorlag, die alle Hochschulen so einhalten. Dieses Papier überzeugte, weil es den Wissenschaftsbereich und -stand­ort NRW stärkt – und zwar auch für Verhandlung mit an­deren Bereichen. Ohne diese gemeinsame Position wäre das nicht gelungen.

Bislang wurde das Thema Digitalisierung an Hochschulen eher drittrangig behandelt. Mit welchen Herausforderungen haben Sie zu kämpfen und wie könnten diese gelöst werden?

Pellert: Eine der Herausforderungen ist zweifelsohne, dass eine Organisation wie die DH.NRW, die auf die Partizipation möglichst vieler Engagierter setzt, gleichzeitig rasch und stringent agieren soll. Das ist ein Spannungsfeld. Wenn man zu schlank in der Organisation wird, leidet die Partizipation. Gleichzeitig darf diese aber nicht dazu führen, dass alles zu kompliziert und langwierig wird. Auch hier entwickeln wir uns als Organisation immer weiter und überprüfen regelmä­ßig: Was hat sich bewährt, was nicht? Wie sollten wir unsere eigene Governance-Struktur weiterentwickeln?

Feldmann: Das Selbstbild und das Selbstverständnis „Wir sind die Digitale Hochschule NRW“ sind an den Hochschulen noch nicht so präsent, wie sie es sein sollten, um die großen Potenziale der Hochschulen zu nutzen. Also das Selbstver­ständnis, dass ausnahmslos alle Hochschulangehörigen – sprich: Präsident*innen, Rektor*innen, Kanzler*innen, Ver­waltungsangestellte, Lehrende und Forschende – wichtige Mitglieder der DH.NRW sind und dass alle mitdenken, sich in den Konsortien und Netzwerken engagieren und uns als Kompetenzpartner wahrnehmen.

Was können Akteur*innen aus Hochschule, Wissenschaft und Politik insgesamt tun, damit der Hochschul- und Forschungsstandort Deutschland innovativ und nachhaltig digital und international agieren kann?

Pellert: Eine Digitalisierungsstrategie zu entwickeln und umzusetzen, gehört zu den Leitungsaufgaben einer Hoch­schule. Allerdings agieren die Hochschulleitungen hier in einem rechtlich sehr regulierten Umfeld und benötigen Un­terstützung seitens der Politik, um Änderungen herbeizu­führen. Denn die rechtlichen Rahmenbedingungen entspre­chen nicht mehr den tatsächlichen neuen Gegebenheiten und müssen diesen dringend angepasst werden. Ein Beispiel sind die Regelungen für die Präsenzstunden und Lehrverpflichtungen. So ist nicht geklärt, ob der digitale Unterricht als Präsenzveranstaltung zählt oder ob als Unterricht nur das gilt, was präsent in einem Hörsaal passiert. Dazu zählt auch, dass geklärt werden muss, wie die Hochschulen und Bildungseinrichtungen insgesamt finanziell unterstützt wer­den bei der Umstellung auf Digitalisierung. Einer der Vorteile der DH.NRW ist auch in diesem Kontext, dass wir mit unse­ren Ansprechpartner*innen im Ministerium auf Augenhöhe solche Fragen zum Hochschulrecht erörtern können.

Wäre eine DH auch bundesweit sinnvoll?

Pellert und Feldmann: Durchaus. Aber man darf nicht ver­gessen, dass es schon eine sehr komplexe Aufgabe ist, eine Organisation mit 42 Hochschulen zu managen. Es ist wahr­scheinlich sinnvoll, dies zunächst länderweise einzuüben und dass sich dann in einem nächsten Schritt die Landesini­tiativen vernetzen und Erfahrungen austauschen. Dann kann so ein Vorhaben später sowohl bundesweit als letztendlich auch auf europäischer Ebene gelingen.

Interview: Veronika Renkes

Prof. Dr. Ada Pellert
Die Wirtschaftswissenschaftlerin ist seit März 2016 Rektorin der FernUniversität in Hagen und seit September 2016 auch Vorstandsvorsitzende der Kooperationsplattform Digitale Hochschule NRW (DH.NRW). Zudem gehört sie seit August 2018 dem damals neu gegründeten zehnköpfigen Digitalrat der deutschen Bundesregierung an.

Birgit Feldmann
Die Kommunikationswissenschaftlerin leitet seit April 2020 die Geschäftsstelle der Digitalen Hochschule NRW (DH.NRW). Zuvor war die IT-Expertin unter anderem als Abteilungsleiterin für Digitale Medien Services an der FernUniversität in Hagen und als Geschäftsführerin des Zentrums für Informations- und Medientechnologie an der Universität Siegen tätig.

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