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Corona in Australien: Den Unis down under droht ihre Abhängigkeit von Studiengebühren auf die Füße zu fallen, denn viele internationale Studierende sind abgereist. Ein Bericht vom anderen Ende der Welt.

Vor Ausbruch der Corona-Pandemie studierten rund 530.000 Gaststudenten an australischen Universitäten – bei insgesamt rund 1,5 Millionen Studierenden und für ein Land mit 26 Millionen Einwohnern ist das ein hoher Anteil. Die größte Gruppe mit 160.000 Studierenden stammt aus der Volksrepublik China. Doch als Anfang 2020 die Horsäle geschlossen blieben, kehrten viele Gäste in ihre Heimatländer zurück. Laut dem Spitzenverband „Universities Australia“ haben fast 100.000 internationale Studenten das Land verlassen. Anfang Juli war fast die Hälfte der chinesischen Studenten nicht zurückgekehrt. Was sollten sie auch tun? Bereits im März verfügte die Regierung in Canberra ein Einreiseverbot, das nach den Worten des zuständigen Ministers mindestens bis Anfang 2021 Bestand haben soll. Jetzt fällt den Hochschulen ihre Abhängigkeit von Studiengebühren auf die Füße.

Viele der 41 australischen Universitäten haben dennoch Überlegungen angestellt, Heimkehrer zurückzuholen. Der Bildungssektor ist eine der stärksten australischen Wirtschaftsbranchen, 2019 beschäftigten Universitäten und Colleges 260.000 Mitarbeiter und erzielten einen Gesamtumsatz von umgerechnet 23 Milliarden Euro. Die ausländischen Studierenden zahlen vergleichsweise hohe Studiengebühren – beispielsweise kostet ein Master-Studienjahr an der University of Melbourne bis zu umgerechnet ­35.800 Euro –, hinzu kommen Mieten und sie nutzen die studentische In-frastruktur. Für europäische Ohren mag es etwas sonderbar klingen, doch faktisch trifft es zu, wenn Australier das Geschäft mit Gaststudenten als viertgrößten Export nach dem Handel mit den Rohstoffen Eisenerz, Kohle und Flüssiggas preisen. Nun aber droht der Absturz, mit befürchteten Einbußen von 9,6 Milliarden Euro in den nächsten vier Jahren.

Catriona Jackson ist Vorsitzende des Hochschulverbands „Universities Australia“, der in diesem Jahr seit hundert Jahren besteht und dennoch wenig zu feiern hat. Die abgewanderten Gäste würden ihr Studium in den Heimatländern online fortführen, sagt Jackson gegenüber der DUZ. ­Zeitgleich stünden die Hochschulen vor der schwierigen Aufgabe, die Gäste zurückzuholen. Das gehe „nur schrittweise“ und setze „eine wohlüberlegte Koordination zwischen der Regierung, der Gesundheits- und der Einwanderungsbehörde und den Universitäten“ voraus. Besonders besorgt ist die Verbandsvorsitzende bezüglich der 84.000 Studienanfänger, die in der zweiten Jahreshälfte 2020 nach Australien kommen wollten. Das ist nun fraglich. Auch sie müssten zunächst online studieren.

Das Gros der Studierenden wird wohl erst 2021 zurückkehren. Um ein finanzielles Desaster abzuwenden, plant die nationalkonservative Regierung von Premierminister Scott Morrison offenbar Visa-Erleichterungen, will ­entsprechende Gebühren reduzieren und Zeiten des Online-Studiums gutschreiben. Hochschüler, die sich derzeit in ihren Heimatländern aufhalten, sollen nach ihrer Rückkehr und nach dem Bachelor oder Master auch später noch in Australien arbeiten dürfen. Das ist eine unter Studenten durchaus beliebte Option, bislang durften aber nur diejenigen bleiben und arbeiten, die sich in Australien aufhielten.

An Universitäten in der Hauptstadt Canberra und im Bundesstaat Südaustralien, wo das Coronavirus schnell eingedämmt werden konnte, sind Pilotprogramme gestartet, um Gaststudenten zurückzubringen. Zunächst gelang dies aber nur in vergleichsweise geringer Zahl – die ersten Rückkehrer waren Studenten im Hauptstudium mit anstehenden Laborpraktika und ein paar Medizin- und Zahnmedizin-Studenten der James Cook University in Cairns. Insgesamt ermöglichte das Innenministerium zwischen Ende März und Ende Juni rund 1000 internationalen Studierenden eine Rückkehr. Rückholaktionen nach Melbourne im Juli platzten wegen einer zweiten Corona-Welle. Andere mussten verschoben werden, etwa die der Australian National University, die Studierende aus Singapur einfliegen lassen wollte. Ihr Präsident und Vizekanzler, Nobelpreisträger Prof. Brian Schmidt, beteuert jedoch, die Aktion sei „keineswegs beendet, ihr Beginn wird sich nur etwas verzögern“.

Mit Studiengebühren auch Forschung finanziert

Sollten viele der rund 100.000 abgereisten Gaststudenten bis zum Jahresende fernbleiben, rechnet die parlamentarische Opposition in Canberra mit drastischen Folgen für den Hochschulsektor. Schon während des ersten Lockdowns begannen einzelne Universitäten damit, Personalkosten zu senken und Neueinstellungen zu stoppen. Im Juli kündigte die University of New South Wales rund 500 Mitarbeitern. Die designierte Bildungsministerin der oppositionellen Labor Party, Tanya Plibersek, forderte die Regierung auf, substanzielle Finanzhilfen für den Bildungssektor bereitzustellen: „Unsere Universitäten
stehen unter immensem Druck.“ Sie habe ernsthafte ­Sorgen, führende Institutionen könnten kollabieren. Die meisten Hochschulen hätten sich in den letzten Jahren zu sehr von internationalen Gästen abhängig gemacht: „Seit Jahren nutzen sie Erträge aus Studiengebühren von Gaststudenten, um heimische Forschungsprojekte zu ­finanzieren.“

„Sehr besorgniserregend“ sei der drohende Abbau, das meint auch Catriona Jackson. Rund 79.000 Mitarbeiter ­haben mit ihrer Forschungstätigkeit australischen Universitäten zu großem Renommee verholfen. Nun aber stehen 21.000 Arbeitsplätze zur Disposition, davon 7000 in der Forschung. Ein Gremium solle eingesetzt werden, so Jackson, um wichtige Forschungsprojekte zu retten. Prof. Dr. Ian Jacobs, Präsident und Vizekanzler der University of  New South Wales, befürchtet eine Abwärtsspirale: „Wenn wir aufgrund eines ausbleibenden cash flow gezwungen sind, Mitarbeiter zu entlassen, leiden unsere Bildungsangebote. Als Folge schreiben sich weniger ­australische Studenten ein, Gaststudenten bleiben aus – und in der Folge werden weitere Angestellte entlassen.“

Peking warnt vor Studium in Australien

Dabei kommen wieder die chinesischen Studierenden und ihr hoher Anteil an den Gaststudenten ins Spiel. Denn in den letzten Jahren haben sich die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern deutlich abgekühlt. In der Corona-Krise preschte die Regierung in Canberra vor und forderte eine Untersuchung der Rolle Chinas beim Ausbruch der Pandemie.  Als Vergeltung dafür spielt Peking nun die Rassismus-Karte: Die chinesische Führung hat ihre Studenten aufgefordert, nicht mehr in Australien zu studieren, da sie dort in hohem Maße angefeindet würden. In dieser Zuspitzung wirkt die Kritik zwar übertrieben. Doch das Beispiel zeigt, wie leicht Gaststudenten zum Spielball der Politik werden.

Studierende aus Hongkong, die in der Corona-Krise in Aus­tralien geblieben sind, will Premierminister Scott Morrison im Land halten – und mit dieser politischen Maßnahme der Abwanderung entgegensteuern. Nach der jüngsten Einschränkung von Freiheitsrechten in der früheren britischen Kronkolonie durch die kommunistische Führung in Peking hat Premier Morrison den 10.200 an Universitäten immatrikulierten Hongkong-Chinesen umfassende Hilfe zugesagt. Vor einer ungewollten Rückkehr nach Hongkong wolle er sie bewahren. Nach ihrem Uni-Abschluss sollen sie fünf Jahre lang in Aus­tralien leben und arbeiten dürfen und anschließend einen Weg zur Staatsbürgerschaft gewiesen ­bekommen. Der Applaus der Universitäten war Morrison nach seinem couragierten Eingreifen sicher. Zum politischen Konflikt mit China und der Reisewarnung aus Peking an seine Studierenden will sich der Hochschulverband dennoch lieber nicht äußern. Dem erwarteten drastischen Rückgang bei Einschreibungen aus China müsse man sich jedenfalls stellen, sagt Catriona Jackson. Die momentane Strategie: „Jede einzelne Uni muss sich etwas einfallen lassen.“ //

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