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Zahnloser Tiger

Professorinnen verdienen im Schnitt deutlich weniger als Professoren. Das Entgelttransparenzgesetz hilft da wenig, erklärt unser Gastautor Dr. Andreas Keller.

Die statistische Auswertung macht es anschaulich: Die durchschnittliche Bezahlung von Professorinnen und Professoren an Universitäten klafft weit auseinander, wie ein Beitrag in der Zeitschrift „Forschung & Lehre“ (Dezemberausgabe 2018) zeigt. In der höchsten Besoldungsstufe W3 beträgt der Unterschied im Schnitt 650 Euro monatlich. Dieser Gender Pay Gap markiert zugleich eine Gerechtigkeitslücke. Frauen haben nicht nur deutlich schlechtere Chancen als Männer, überhaupt eine Professur zu erhalten. Und wenn sie dann berufen werden, sind sie darüber hinaus mit einer strukturellen Benachteiligung bei der Bezahlung konfrontiert.

2017 ist das Entgelttransparenzgesetz in Kraft getreten. Ziel des Gesetzes ist es, die Entgeltgleichheit für Frauen und Männer durchzusetzen – gleiche Bezahlung für gleiche oder gleichwertige Arbeit. Zentraler Hebel des Gesetzes ist das Herstellen von Transparenz. In Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten haben diese einen individuellen Auskunftsanspruch. Sie können erfragen, nach welchen Kriterien und Verfahren das Gehalt für ihre Tätigkeit bestimmt wird, und sich über die Gehälter von Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts informieren, die eine vergleichbare Tätigkeit ausüben.

Grundsätzlich gilt das Entgelttransparenzgesetz auch für die Hochschulen. Das Gesetz bezieht sich auf den öffentlichen Dienst ebenso wie auf private Arbeitgeber, auf Beamtinnen und Beamte ebenso wie auf Angestellte. Die meisten Hochschulen überschreiten die Betriebsgröße von 200 Beschäftigten locker. Der Pferdefuß: Es handelt sich um ein Bundesgesetz, das zwar für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gilt, aber ausschließlich für Beamtinnen und Beamte des Bundes. Abgesehen von den wenigen Bundeshochschulen sind Professorinnen und Professoren in der Regel aber Beamtinnen und Beamte der Länder. Für sie läuft das Gesetz also ins Leere.

Immerhin jedoch können sich an den Hochschulen Angestellte, die überwiegende Mehrheit der rund 180.000 wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auf das Gesetz berufen. Das Problem: Viele Beschäftigte zögern, ihren individuellen Auskunftsanspruch einzulösen. Branchenübergreifend ist eine aktuelle Studie der Hans-Böckler-Stiftung zu dem Ergebnis gekommen, dass in nur 13 Prozent der mittelgroßen Betriebe wenigstens eine Person ihr Gehalt überprüfen lassen wollte, bei den großen Betrieben sind es 23 Prozent. Viele Beschäftigte wissen gar nichts über das Gesetz oder haben Sorge, als Querulant zu gelten.

Ein richtiger Ansatz wäre daher, nicht auf die einzelnen Beschäftigten zu setzen, sondern die Betriebe in die Pflicht zu nehmen. Tatsächlich enthält das Entgelttransparenzgesetz eine Aufforderung an Arbeitgeber, ihre Entgeltstrukturen zu überprüfen. Diese Aufforderung ist allerdings unverbindlich und richtet sich außerdem nur an private Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten. Staatliche Hochschulen fallen also von vornherein durch die Maschen des Prüfappells des Gesetzes.

Auch wenn das Bundesgesetz ein zahnloser Tiger ist, können Hochschulen aus eigenem Antrieb die Gerechtigkeit ihrer Gehaltsstrukturen überprüfen lassen. Die von der GEW angestoßene Debatte um Kodizes für gute Arbeit in der Wissenschaft zeigt, dass faire und gerechte Beschäftigungsbedingungen im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte eine immer größere Rolle spielen. So hat beispielsweise die Hochschule für Wirtschaft und Technik Berlin ein Prüfverfahren zur Entgeltgerechtigkeit durchgeführt.

Als Fazit bleibt dreierlei festzuhalten. Zum einen müssen Beschäftigte an Hochschulen ermuntert werden, individuelle Auskunftsansprüche einzufordern. Zum zweiten sind Hochschulen aufgefordert, proaktiv ihre Entgeltstrukturen zu durchleuchten und dort, wo eine Geschlechterdiskrimierung vorliegt, gegenzusteuern. Zum dritten ist der Gesetzgeber auf Bundes- und Länderebene gefragt. Die Prüfung der betrieblichen Gehaltsstrukturen muss verbindlich ausgestaltet, Beamtinnen und Beamte müssen in den Geltungsbereich des Gesetzes einbezogen werden. Gewerkschaften und Personalvertretungen brauchen schließlich ein Verbandsklagerecht, um eine gleiche Bezahlung von Frauen und Männer durchsetzen zu können. //

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