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Zukunft der Lehre

Damit sich die Hochschullehre zukunftsfähig verändert, bedarf es neuer Ideen, Impulse und Formate. Die TURN Conference bietet einen Rahmen dafür. In Köln fand die zweite Tagung zur transformativen Lehre statt. Organisatorin Sylvia Heuchemer im Interview mit Stephanie Müller-Otto.

Mit einem innovativen Produktlabor hatte das Veranstaltungsteam der zweiten TURN Conference der Technischen Hochschule (TH) Köln im September zu Perspektivwechsel, Mut zur Veränderung und Offenheit eingeladen. Mehr als 500 Teilnehmende haben sich auf dieses Experiment eingelassen und Beiträge ohne systematische Vorarbeiten (Ideen), mit systematischen Vorarbeiten (Entwürfe) sowie publikationsreife Beiträge (Veröffentlichungen) eingereicht. 

Gerahmt wurde die Tagung durch Keynotes von Prof. Dr. Isa Jahnke, Gründungsvizepräsidentin für Studium, Lehre und Internationales an der Technischen Universität Nürnberg, Dr. Oliver Reis, Professor für Religionspädagogik/Inklusion an der Universität Paderborn, und Dr. Caroline Richter, Professorin für Politikwissenschaft/Sozialpolitik an der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe in Bochum. Alle Tagungsbeiträge konnten in Concept Sprints (durch Schreiben oder Konzipieren) oder im Transfer Check (durch individuelle Beratung) mit neuen Ideen weiterentwickelt oder zur Weiternutzung umgewandelt werden. Anschließend waren alle Beitragenden dazu eingeladen, ihre bearbeiteten Einreichungen auf der Tagungswebsite hochzuladen – aktuell sind dort über 60 Beiträge zu finden. Am letzten Tag rundete ein von Dr. Jan-Martin Wiarda moderiertes Fishbowl mit dem Titel „Viel Reglement – wenig Fehlerkultur? Hemmnisse auf dem Weg zu einer zukunftsfähigen Hochschullehre in drei Thesen“ sowie ein angekündigtes Clean-up (Aufräumen mit Dingen, die Transfer transformativer Lehre behindern) die Tagung ab. Dabei unterstützte das Improvisationstheater Schmidt’s Katzen. Im Fazit fasst Wiarda ganz im Sinne des TURN zusammen, dass Innovation nicht immer neu sein müsse, sondern einen Perspektivenwechsel beinhalten könne, durch den Altes neu betrachtet wird. 

Wie das Experiment gelungen ist

Vizepräsidentin für Studium und Lehre der TH Köln Prof. Dr. Sylvia Heuchemer blickt zurück auf die Tagung und lässt dabei die Offenheit und den Mut durchblicken, mit dem Veranstaltungsteam und Teilnehmende die Veranstaltung getragen und zu einem besonderen gemeinschaftlichen Ereignis gemacht haben.

Welchen Eindruck haben Sie von der Tagung als Ganzes? 

Ganz ehrlich, ich bin immer noch ganz euphorisiert von dieser Tagung. Im Vorfeld und bei der Planung der TURN Conference war viel Anspannung zu spüren: Wird alles reibungslos ablaufen, wird unser Konzept eines Produktlabors, in dem wirklich gemeinsam gearbeitet wird, aufgehen? Wir hatten uns sehr gefreut, dass die Stiftung Innovation in der Hochschullehre diesen mutigen, ungewöhnlichen und experimentierfreudigen Antrag positiv begutachtet und durch die Förderung unterstützt hatte. Ich bin begeistert, wie sich die Teilnehmenden auf dieses Experiment eingelassen haben, denn die Formate wie beispielsweise Blind Dates oder Concept Sprints, aber auch die verschiedenen Ebenen – von der Idee über den Entwurf bis zur Veröffentlichung – waren für viele anfangs noch unklar. Deutlich wurde auf der TURN jedoch die unglaubliche Offenheit der Community, die an guter Lehre interessiert ist und Lehre weiter voranbringen möchte. Und so sind auch Vernetzung und Austausch über die Tage sehr gut gelungen, und man ist an vielen Stellen sehr einfach ins Gespräch gekommen. Die Tagung war ein großes Experiment. Sie war getragen von einem Gedanken, der auch mir persönlich ein großes Anliegen ist: Wie kann Transfer funktionieren? Nicht nur im Bereich Lehre ist der Transfer erprobter Praxis eine Herausforderung. Meist werden Konzepte und Projekte, die mit Drittmitteln umgesetzt und auch evaluiert wurden, erst vorgestellt, wenn ein perfektes Narrativ vorliegt. Man ist dann total beeindruckt und denkt: „Das würde ich auch gern machen. Aber wie soll das klappen? Ich habe überhaupt nicht die notwendigen Mittel.“ Dabei wird deutlich, wie sehr der Transfer erprobter Konzepte an lokale und personelle Kontexte gebunden ist. 

Wir müssen daher den Transfer – ähnlich wie in der transformativen Forschung – anders denken und die Partnerinnen und Partner viel früher in den Forschungs- und Transferprozess einbinden. Auch in der Lehre müssen wir von Anfang an in die Ko-Kreation gehen Feedback einholen. Dass auf der TURN diese drei Ebenen so gut funktioniert haben, hat mich beeindruckt.

Welchen Mehrwehrt hatte das Format Produktlabor aus Ihrer Sicht für den Transfer?

Etwas Erprobtes vorzustellen, zu diskutieren und darauf Feedback einzuholen, ist allgemein akzeptiert. Doch noch unfertige Produkte vorzustellen, andere schon sehr früh in die Entwicklung von Ideen einzubinden, diesen Prozess der Ko-Kreation sind wir noch nicht gewohnt. Dazu passte die Keynote von Prof. Dr. Oliver Reis zum Thema Offenheit und Mut ganz wunderbar. Es erfordert außerdem authentisches Vertrauen – wie Prof. Dr. Caroline Richter in ihrer Keynote aufzeigte. Diese Kultur der Offenheit, des Vertrauens leben wir noch nicht in der Breite. Daher ist es umso spannender, dass bereits 64 Teilnehmende den Mut zum Upload ihrer zum Teil noch nicht perfekt ausgereiften Beiträge auf der Tagungshomepage aufgebracht und als Educational Commons zur Verfügung gestellt haben. 

Insgesamt wurde das Produktlabor als sehr hilfreich wahrgenommen, um auch mal unterschiedliche Disziplinen mit einer ähnlichen Idee zusammenzubringen und darüber zu diskutieren und ko-kreativen, rekursiven Transfer schon in einem frühen Stadium zu ermöglichen. Dieser Mut, diese Offenheit und dieses Verständnis von Lehre als Gemeinschaftsaufgabe sollte in meinen Augen auch durch eine Veränderung im Reputationssystem von Lehre und Forschung Wertschätzung erfahren.

Hatten Sie Erwartungen oder Befürchtungen, die sich bestätigt haben?

Ich hatte die Befürchtung, dass wir zu experimentell sind, und habe mich gefragt, ob die Keynotes ausreichen, um dem Ganzen Struktur und Halt zu geben. Ich war mir nicht sicher, ob sich die Teilnehmenden auf das Format des Produktlabors einlassen und ob wir diesen ganz offenen Austausch wirklich hinbekommen. Ich glaube, das ist uns gelungen. 

Was ist besonders gut gelaufen, gibt es Highlights, die Ihnen in guter Erinnerung sind?

Ein einzelnes Highlight kann ich nicht herausgreifen. Beeindruckend war die Neugierde, die Offenheit, die Vernetzung der Teilnehmenden, wie sie sich eingebracht und die TURN in allen Formaten mitgestaltet haben. Diese Präsenz, dieses Dabeisein war bis zum letzten Tag spürbar. Die Mitwirkung aller war das, was diese TURN Conference erst zu einem ganz großen Highlight gemacht hat. Beeindruckend war auch die Moderation von Dr. Jan-Martin Wiarda, der nicht nur durch die Tagung führte, sondern durch seine Fragen, sein Nachhaken zeigte, dass er sich selbst als Teil des Produktlabors verstand. Ebenso die Keynote Speaker, die ihre jeweiligen Keynotes ganz darauf abgestimmt haben, was nötig ist, um innovative Lehre gemeinsam zu gestalten und Educational Commons zu entwickeln.

Würden Sie die Tagung in dieser Form noch einmal ausrichten? Was können Sie aus heutiger Sicht dem Organisationsteam für 2024 mitgeben?

Wir würden uns so eine Art Tagung sicher noch einmal zutrauen, allerdings nicht in naher Zukunft und sicherlich mit neuen Akzenten. Auf jeden Fall wieder mit dem gleichen Mut, etwas ganz Neues auszuprobieren. Denn wir haben gelernt, dass es Spaß macht, sich auf ein Experiment einzulassen, auch wenn es manchmal etwas verrückt erscheint. An dieser Tagung haben viele Personen im Hintergrund gearbeitet. Von ihrem Einsatz, ihrem Engagement, ihren Ideen bin ich absolut beeindruckt. 

Mitgeben kann ich, dass man die TURN wirklich dazu nutzen kann, neue Formate, neue Ideen auszuprobieren. Mitgeben kann ich auch, dass die Tagungsorganisation schon sehr früh bis ins letzte Detail geplant werden muss. Der Organisationsaufwand hat viele Personen bei uns vollumfänglich über mehrere Monate beschäftigt, gleichzeitig musste das Tagesgeschäft nebenbei weiterlaufen. Aber dafür wurden wir mehr als entschädigt: Auf der Konferenzparty wurde bis zum Schluss getanzt, mit gemeinsamer Choreografie. Es war einfach eine durchweg gute Stimmung – insgesamt ein wunderbares Geschenk, ein gemeinschaftliches Werk, an dem alle teilgenommen und mitgewirkt haben. //

Prof. Dr. Sylvia Heuchemer 

ist seit 2009 hauptamtliche Vizepräsidentin für Lehre und Studium der Technischen Hochschule (TH) Köln. Seit 2003 hat sie eine Professur für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Empirische Wirtschaftsforschung, an der Fakultät für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften der TH Köln. 

Foto: Costa Belibasakis / TH Köln

Dr. Stephanie Müller-Otto

arbeitet seit 2012 als Coach, systemische Beraterin und Moderatorin für Hochschulen, Hochschulnetzwerke und Einrichtungen im Wissenschaftskontext. Sie ist Sozialwissenschaftlerin und promovierte Psychologin. Sie verfügt über langjährige Erfahrung in der Leitung von Einrichtungen im Bereich der akademischen Personalentwicklung, Hochschuldidaktik, Lernen und Entwicklung sowie Studium und Lehre an verschiedenen Standorten und unterschiedlichen Hochschultypen. 

Foto: privat

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