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Wie sich die hochschulinterne Zusammenarbeit von Rechenzentrum, Bibliothek und Medienzentrum sowie E-Learning-Support-Einheit seit Mitte der 2000er-Jahre entwickelt hat, untersucht eine aktuelle Forschungsarbeit am Beispiel von Baden-Württemberg.

Informationsinfrastrukturen an Hochschulen nehmen insbesondere in Zeiten der Digitalisierung und der Corona-Pandemie eine wichtige Aufgabe wahr. Auch haben in jüngster Zeit verschiedene Hacker-Angriffe auf deutsche Hochschulen eindrucksvoll gezeigt, wie fragil und angreifbar deren digitale Infrastruktur ist. Aufgrund der Digitalisierung sind Hochschulen nicht mehr nur soziale Organisationen, sondern sie werden vielmehr zu digitalen Plattformen mit einer ausdifferenzierten technischen Infrastruktur. Die Komplexität im äußeren Umfeld von Hochschulen hat über die Jahre zugenommen, was auch die innere Komplexität von Hochschulen erhöht hat, nämlich deren Aufgabenvielfalt und Aufgabenlast sowie die damit einhergehenden Verwaltungsvorgänge. 

Digitalisierungs- und pandemie­bedingte Herausforderungen

Es gab in den vergangenen zwei Jahrzehnten vielerlei thematische Herausforderungen, die scheinbar integrierte Informationsinfrastrukturen beziehungsweise ein hohes Maß an abteilungsübergreifender Zusammenarbeit in den Kernkompetenzen Lehre, Forschung und Verwaltung notwendig machten: 

  • Im Bereich der Lehre waren dies Blended Learning, Open Educational Resources (OER), Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz (KI) und ChatGPT sowie selbstverständlich das pandemiebedingte „Emergency Remote Teaching“ und daraus entstandene Impulse für die Lehre in der neuen Normalität. 
  • Was die Forschung anbelangt, so durchdringt die Digitalisierung sowohl Forschungsprozesse an sich (zum Beispiel Big Data), die Bereitstellung digitaler beziehungsweise virtueller Forschungsumgebungen sowie daran anknüpfende Themen wie hochschulische Publikationsserver, die Open-Access-Transformation im Verlagswesen, hochschulische Forschungsinformationssysteme und (nationales) Forschungsdatenmanagement.
  • Und im dritten Kernprozess Verwaltung haben sich digitalisierungs- und pandemiebedingt viele Herausforderungen eröffnet. So haben Internet- und Intranet-Portale sowie zum Beispiel ein gemeinsames Identitätsmanagementsystem das Arbeiten stark verändert. Während der Corona-Pandemie musste innerhalb von Tagen die Möglichkeit von Homeoffice für Verwaltungsmitarbeitende geschaffen werden.

Kernkompetenzen versus Überlappungen in den Randbereichen 

Jedoch scheinen sich sämtliche Nutzergruppen oftmals nicht (genügend) bewusst zu machen, welche Anstrengungen hinter all den vorgehaltenen Diensten und Leistungen aus dem Bereich der Informationsinfrastruktur stecken. Wer betreibt all diese Dienste? Welche Dienste werden hochschulintern geleistet, welche werden hochschulübergreifend (zum Beispiel auf Ebene des Bundeslandes oder sogar auf nationaler Ebene) zur Verfügung gestellt oder von der Privatwirtschaft zugekauft? Wer arbeitet mit wem zusammen, um allen Nutzergruppen bestmögliche digitale Services im Bereich Studium, Forschung und Verwaltung zu bieten?

Mit der gestiegenen Umweltkomplexität differenzierten sich die Aufgaben von Hochschulen weiter aus, was zu einer stärkeren Spezialisierung und Arbeitsteilung insbesondere für den Bereich der Informationsinfrastrukturen führte. Die Abteilungsleitungen der Informationsinfrastruktureinheiten sehen sich zunehmend mit neuen Themen und Aufgaben konfrontiert, die sie wahrnehmen sollen. Dies wiederum erhöht den Koordinationsbedarf an den Schnittstellen der einzelnen Abteilungen.

Informationsinfrastrukteure und Wissenschaftsmanagement

Doch was machen all diese Veränderungen mit der Gruppe derjenigen, die in den Informationsinfrastruktureinheiten arbeiten? Bisher erfuhr die Gruppe der Informationsinfrastrukteure in der Hochschulforschung und speziell in der Forschung zum Hochschul- und Wissenschaftsmanagement kaum Beachtung, obwohl diese in einem sehr unmittelbaren Bezug zu Aktivitäten in Forschung und Lehre stehen.

Dagegen wird die Gruppe der Wissenschaftsmanagerinnen und -manager (zum Beispiel Fakultätsgeschäftsführende, Forschungsmanagement, Stabsstellen für Marketing oder Personalentwicklung) seit Jahren intensiv beforscht. Diese Personalkategorie wurde international mit dem Begriff „Third Space“ bezeichnet, in Deutschland wurden daraufhin Begriffe geprägt wie „Neue Hochschulprofessionelle“ (HoPros) oder „Hochschulmanagement“.

Wenn man jedoch die Qualität der Aufgaben betrachtet, so könnten zumindest die Informationsinfrastrukteure in Leitungsfunktion in die Kategorie „Hochschulmanagement“ fallen. Hochschulmanagement-Aufgaben bestehen nämlich darin, neue Ideen zu entwickeln und konzeptionelle Papiere zu verfassen, Entscheidungen vorzubereiten und Change Management zu betreiben. Die Akteure sind damit betraut, Lösungen zu erarbeiten, wobei nur ein bestimmtes Ziel und ein bestimmter Zeitrahmen vorgegeben sind. Diese Aufgabenbeschreibung könnte man sicherlich auch auf die Leitungen von Informationsinfrastruktureinheiten anwenden.

Gesetzliche Forderungen nach integrierten Strukturen aus dem Jahr 2005 

Den Ausgangspunkt für die vorliegende Untersuchung bildet eine Gesetzesnorm aus der Novelle des baden-württembergischen Landeshochschulgesetz (LHG) von 2005. In § 28 Absatz 3 LHG von 2005 findet sich folgende Formulierung: „Zur Informationsversorgung bilden die Hochschulen (1.) ein einheitliches Informationszentrum oder (2.) eine koordinierte Struktur aus Bibliothek und Rechenzentrum.“ Dabei wird die Wirkung dieser gesetzlichen Forderung erstmalig in der zugrunde liegenden Dissertation untersucht.

Interviews ermöglichen Einblicke

Im Rahmen eines vergleichenden Fallstudienansatzes wurden drei baden-württembergische Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) sowie deren Einbettung in das baden-württembergische Feld betrachtet. Es wurden insgesamt 24 Interviews geführt und Satzungen und weitere Dokumente ausgewertet. HAW weisen aufgrund ihrer geringeren Größe (im Vergleich zu Universitäten) einfachere Schnittstellen und weniger relevante Projekte in den Überschneidungsbereichen der drei Informationsinfrastruktur­einheiten auf, was eine allumfassende Analyse deutlich einfacher macht. Auch wurde sich auf nur ein Bundesland konzentriert, da somit die Komplexität für das Forschungsdesign beherrschbarer wurde. Denn auf diese Weise werden die Umweltfaktoren (zum Beispiel ein gemeinsames Landeshochschulgesetz, aber auch die gemeinsame Kultur) konstant gehalten.

Zusammenarbeit bleibt hinter Erwartungen zurück

Was die hochschulinterne Zusammenarbeit zwischen den Bereichen Rechenzentrum, Bibliothek und Medienzentrum und E-Learning-Support-Einheit anbelangt, so blieb deren Grad, aber auch deren (qualitative) Ausgestaltung deutlich hinter den Erwartungen zurück. Im LHG von 2005 wurde explizit die Schaffung von integrierten Informationszentren gesetzlich gefordert. Überdies ging man lange Zeit davon aus, dass sich im Zuge der Digitalisierung die Menge an Themen an den Schnittstellen der drei Informationsinfrastrukturbereichen stark erhöhen würde und deren Bedeutung hinsichtlich innovativer, neuer Entwicklungen sich deutlich steigern würde. Ebenso gab es die Annahme, dass die Corona-Krise die Zusammenarbeit dieser Bereiche weiter intensivieren würde. 

Das empirische Ergebnis dieser Untersuchung ist jedoch, dass die hochschulinterne Zusammenarbeit von Informationsinfrastruktureinheiten an baden-württembergischen HAW keinen hohen Grad der Integration erreicht hat. Dies konnte durch die detailgetreue Analyse von drei ausgewählten Fallhochschulen gezeigt werden. 

Hinsichtlich der Organisation und Strukturen ist Folgendes festzustellen: Bei Fallhochschule A zeigte sich trotz „konvergenter“ Struktur durch die Einführung eines integrierten Informationszentrums im Jahr 2007, dass keine wirkliche Integration zustande kam, sondern vielmehr eine gewisse Fassadenkonstruktion betrieben wurde. Bei Fallhochschule B trotzte man dem wahrgenommenen Isomorphie-Druck und blieb im gesamten Untersuchungszeitraum bei der „divergenten“ Struktur von einzelnen, autarken Einheiten. Bei Fallhochschule C hingegen schuf man früh ein integriertes Informationszentrum, welches jedoch im Jahr 2018 wieder aufgehoben wurde. Seither herrscht hier wieder ein „post-konvergentes“ Nebeneinander von einzelnen Einheiten.

Bezüglich Aufgaben und Prozessen an den Schnittstellen der jeweiligen Informationsinfrastruktureinheiten hat erstaunt, dass auch hier der Integrationsgrad niedrig ist. Sowohl die überschaubare Anzahl an gemeinsamen Aufgaben und Prozessen als auch die relative Nachrangigkeit, die ihnen (zum Teil von den Rektoraten) beschieden wird, ist überraschend. Während es im Bereich E-Learning noch recht große Verflochtenheit zwischen den Informationsinfrastruktureinheiten gab, ist die Themenfülle bei E-Science und E-Administration stark ausgedünnt.

Bezüglich der Vergleichskategorien Einstellungen und Kultur wird besonders deutlich, dass bestimmte Ausprägungen insbesondere mit Ausprägungen aus dem Bereich der Organisation und Struktur einhergehen. So scheinen die idealtypischen Ausprägungen „konvergent, divergent und post-konvergent“ zu korrespondieren mit den Ausprägungen der Organisationskultur „schwach, stark und mittel“. Es zeigt sich, dass man es mit hochindividuellen Entwicklungspfaden zu tun hat, wobei bestimmte Ausprägungskombinationen jeweils durch institutionelle Komplementaritäten gestützt werden. Dabei treten aber auch Detailanpassungen beziehungsweise leicht abgewandelte Entwicklungen auf, die in manchen Bereichen durchaus zu einem Fortbestand einer gewissen Heterogenität führen. 

Insgesamt lässt sich resümieren, dass die tatsächlich beobachtete Integration im Inneren der Hochschulen hinter den Erwartungen zurückblieb und sich keine „überlegenen“ institutionellen Lösungen zeigten. Somit scheint die gesetzliche Forderung nach mehr innerhochschulischer Integration (zumindest hinsichtlich formal integrierter Organisationsstrukturen) nur bedingt eine zielgerechte Umsetzung erfahren zu haben. Sicherlich gibt es hierfür aus der jeweiligen Logik der Organisation heraus nachvollziehbare Gründe.

Analysefokus Pandemie

Mit Blick auf die Pandemie als disruptives Ereignis ist allen drei Fallhochschulen gemeinsam, dass sie für sich beanspruchen, sehr gut durch die Krise gekommen zu sein, besser als andere Vergleichshochschulen. Die grundsätzlichen IT-bezogenen Voraussetzungen waren an allen drei Hochschulen vorhanden, um eine schnelle Umstellung auf Online-Lehre zu gewährleisten und den Mitarbeitenden großflächig Homeoffice zu ermöglichen. Die Systeme für Online-Lehre konnten recht leicht skaliert werden. Dabei wird die sehr gute Wahrnehmung der Krisenbewältigung insbesondere von den Fallhochschulen B und C (mit einer gewissen Demut) auch auf gewisse „glückliche Fügungen“ zurückgeführt. So schätzte man sich bei Fallhochschule B glücklich, dass die Einführung des neuen Lernmanagementsystem-Canvas exakt zu Beginn der Corona-Krise gerade abgeschlossen war. Bei Fallhochschule C war man froh über die bereits angelaufene Kooperation mit dem deutschen Videokonferenz-Anbieter Alfaview, was aufwendige Datenschutzdiskussionen ersparte.

Was Abteilungs- und Hochschulleitungen tun können

Aus der vorgestellten Forschungsarbeit ergeben sich einige Anhaltspunkte für die Zukunft. Im Zuge der stärkeren Organisationswerdung von Hochschulen stieg die Notwendigkeit für das Hochschulmanagement, für eine planvolle Entwicklung und Erbringung der Informationsinfrastrukturen beziehungsweise (digitalen) Dienstleistungen Verantwortung zu übernehmen. Es ist eine zielgerichtete, ganzheitliche Steuerung erforderlich. Es ergeben sich folgende Handlungsempfehlungen für Hochschul- und Abteilungsleitungen:

  • Vermeidung von Silo-Denken bei den Abteilungen, Schaffung von Anreizen für abteilungsübergreifende Kooperation,
  • Rekrutierung von Abteilungsleitungen mit Sozialisationserfahrungen im Wissenschaftsbetrieb,
  • Etablierung einer positiven Organisations- und Führungskultur,
  • Treffen von Gestaltungsentscheidungen mit Blick auf die individuelle Passung von institutionellen Elementen.

Zukunftsperspektiven

Die Studie zeigt, dass es trotz der beobachteten Herausforderungen und Komplexität vielversprechende Ansätze gibt, die Zusammenarbeit von Informationsinfrastrukturen an Hochschulen zu stärken. Durch gezielte Vernetzung und Austauschmaßnahmen können die verschiedenen Abteilungen ihre individuellen Fähigkeiten erweitern und synergetisch zusammenarbeiten, um den bestmöglichen Service für Studium, Forschung und Verwaltung zu bieten. Weiterhin kann die Anerkennung der Informationsinfrastrukteure in Leitungsfunktion als Teil des Hochschulmanagements dazu beitragen, den Austausch und die Kooperation zwischen den verschiedenen Einheiten zu stärken und Synergien zu nutzen. Führungspersönlichkeiten im Bereich der Informationsinfrastrukturen werden hierbei eine zentrale Rolle spielen, um auch künftige Veränderungen erfolgreich zu gestalten und zur weiteren Stärkung und Profilierung der Hochschulen beizutragen. //

Ursula Müller

ist Dekanatsreferentin der Fakultät Bauingenieurwesen, Bauphysik und Wirtschaft der Hochschule für Technik Stuttgart und promoviert nebenberuflich im vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierten Graduiertenkolleg „Wissenschaftsmanagement und Wissenschaftskommunikation“. 

Foto: HFT Stuttgart

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