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Freizeitaktivitäten an der Hochschule stärken das Zugehörigkeitsgefühl internationaler Studierender. Eine Studie des Bayerischen Staatsinstituts für Hochschulforschung und Hochschulplanung hat untersucht, was hilft, dass ausländische Studierende sich zu ihrer Hochschule in Deutschland zugehörig fühlen.

Deutsche Hochschulen sind bei internationalen Studierenden sehr beliebt. Nach einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) liegt Deutschland in der Beliebtheit bei internationalen Studierenden hinter den USA, Großbritannien und Australien an vierter Stelle. Doch gleichzeitig liegen die Studienabbruchquoten nach aktuellen Schätzungen des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung bei internationalen Studierenden höher als bei inländischen Studierenden. Im Bachelorstudium liegen die geschätzten Abbruchquoten bei 41 und im Masterstudium bei 28 Prozent und damit deutlich über den Werten inländischer Studierender (28 Prozent im Bachelor- und 21 Prozent im Masterstudium). 

Die Hochschulen und die Hochschulpolitik beschäftigen sich daher mit der Frage, wie der Studienerfolg von internationalen Studierenden in Deutschland gesteigert werden kann. Die Zugehörigkeit zur Hochschule bezieht sich auf das Gefühl, Teil der Campus-Gemeinschaft oder mit ihr verbunden zu sein. Bisherige Studien zeigen, dass internationale Studierende mit einem höheren Zugehörigkeitsgefühl zur Hochschule seltener über einen Studienabbruch nachdenken. Doch wie kann das Hochschulzugehörigkeitsgefühl gesteigert werden? 

An deutschen Universitäten gibt es attraktive Freizeitangebote

An deutschen Hochschulen gibt es attraktive Freizeitangebote, die von der Hochschule selbst, den Studierendenwerken, einzelnen Fakultäten oder den akademischen Auslandsämtern (International Offices) angeboten werden. Hierzu zählen zum Beispiel der Hochschulsport, regelmäßige internationale Stammtische, Sprachtandems oder Buddy Programme. Darüber hinaus gibt es an jeder Universität zahlreiche Hochschulgruppen, die meist von den Studierenden selbst organisiert werden. Die Studierenden können sich hier sozial oder kulturell engagieren oder ihre erlernten Fähigkeiten praktisch anwenden – zum Beispiel in der Nachhilfe, im internationalen Austausch, beim Klimaschutz, im Marketing oder musikalisch im Orchester oder Chor. An der Technischen Universität München gibt es beispielsweise über 60 unterschiedliche Hochschulgruppen

Internationale Studierende, das heißt Studierende mit ausländischer Nationalität und einer im Ausland erworbenen Hochschulzugangsberechtigung, kommen nach Deutschland mit der Absicht, ein Studienabschluss zu erwerben. Sie besitzen nur selten familiäre oder freundschaftliche Netzwerke im Gastland. Freizeitangebote an der Hochschule könnten helfen, Kontakte zu Mitstudierenden zu knüpfen und ein Gefühl der Zugehörigkeit zu vermitteln. 

Der Zusammenhang zwischen der Teilnahme an Freizeitangeboten und dem Zugehörigkeitsgefühl zur Hochschule wurde im Rahmen des Projekts „Studienerfolg und Studienabbruch von Bildungsausländerinnen und -ausländern im Bachelor- und Masterstudium in Deutschland“ (SeSaBa) – Laufzeit 2017 bis 2021 – näher untersucht. Das Verbundprojekt vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), dem Bayerischen Staatsinstitut für Hochschulforschung und Hochschulplanung (IHF) und der FernUniversität in Hagen wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Analysiert wurden die Studienverläufe von etwa 3000 internationalen Studierenden, die im Wintersemester 2017/2018 ihr Studium an einer deutschen Hochschule aufgenommen haben. An der Studie haben Studierende von 125 Hochschulen in Deutschland teilgenommen.

Ausgangslage: Niedrige Teilnahme an Angeboten der Hochschule und wenig Kontakte zu deutschen Studierenden

Die Teilnahme an Angeboten der Hochschulen und an Hochschulgruppen fällt im ersten Semester relativ niedrig aus. Nur 25 Prozent der Bachelor- und Masterstudierenden geben an, Freizeitangebote der Hochschule oft oder sehr oft besucht zu haben. Bei der Teilnahme an Hochschulgruppen liegt der Anteil bei elf Prozent. Am häufigsten stehen internationale Studierende in täglichem Kontakt mit Kommilitoninnen und Kommilitonen aus ihrem Herkunftsland beziehungsweise aus anderen Ländern (36 beziehungsweise 34 Prozent). 29 Prozent der internationalen Studierenden geben an, täglichen Austausch mit deutschen Studierenden zu haben. Insofern gibt es Spielraum für internationale Studierende, die Kontakthäufigkeit zu inländischen Studierenden zu erhöhen. Ein Weg dazu könnte deren Beteiligung an Hochschulgruppen sowie sportlichen und kulturellen Angeboten der Hochschule sein.

Teilnahme an Freizeitangeboten stärken das Zugehörigkeitsgefühl zur Hochschule

Die Forschungsergebnisse zeigen darüber hinaus, dass die Intensivierung der Teilnahme an studentischen Hochschulgruppen und Freizeitangeboten der Hochschule mit einem höheren Hochschulzugehörigkeitsgefühl einher geht. Insbesondere der Wechsel von seltenen zu täglichen Kontakten zu deutschen und anderen internationalen Studierenden stärkt das Zugehörigkeitsgefühl – auch unter Kontrolle weiterer intervenierender Faktoren, wie etwa der Sprachkenntnisse.

Masterstudierende in deutschsprachigen Programmen profitieren am meisten von Freizeitangeboten der Hochschulen

Wichtig ist in diesem Kontext auch die Studiengangssprache. Etwa 15 Prozent aller Masterprogramme werden auf Englisch unterrichtet, während dies nur auf etwa drei Prozent aller Bachelorprogramme zutrifft. Die Ergebnisse zeigen, dass Studierende in englischsprachigen Masterprogrammen häufiger an Freizeitangeboten der Hochschule teilnehmen und gleichzeitig auch häufiger in Kontakt mit anderen internationalen Studierenden stehen. Sie haben jedoch seltener Kontakt zu deutschen Studierenden im Vergleich zu ihren Kommilitonen in deutschsprachigen Masterprogrammen. Bei Masterstudierenden in deutschsprachigen Programmen kann eine häufige Teilnahme an Freizeitangeboten der Hochschulen das Hochschulzugehörigkeitsgefühl steigern, insbesondere, wenn für diese Deutsch eine Fremdsprache ist. Für Studierende in englischsprachigen Studiengängen kann die Teilnahme an den Freizeitangeboten der Hochschule sogar mit einem niedrigeren Hochschulzugehörigkeitsgefühl einhergehen. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass die Sprache der Freizeitangebote eine Rolle spielen könnte und sich Studierende aus englischsprachigen Studiengängen – mit keinen oder schlechten Deutschkenntnissen – womöglich ausgeschlossen fühlen.

Studierende aus Drittländern haben seltener Kontakt zu deutschen Studierenden

Studierende aus Asien und Pazifik sowie Nordafrika und Nahost nehmen etwas häufiger als Studierende aus Westeuropa an den Freizeitaktivitäten der Hochschule teil. Gleichzeitig pflegen sie jedoch wesentlich seltener täglichen Kontakt zu deutschen Studierenden – im Vergleich zu ihren westeuropäischen Kommilitoninnen und Kommilitonen. Gerade für diese Studierenden aus Drittländern bietet die Teilnahme an Aktivitäten der Hochschule folglich die Chance, stärker mit deutschen Studierenden in Kontakt zu treten und darüber das Zugehörigkeitsgefühl zur Hochschule zu stärken. 

Mehr Leben auf dem Campus zur Förderung des Austausches zwischen deutschen und internationalen Studierenden

Die Ergebnisse der Studie sind insbesondere für Lehrende sowie Mitarbeitende in der Studienberatung und in den International Offices an Hochschulen relevant. Sie verdeutlichen, dass interkulturelle Kontakte insbesondere zu inländischen Studierenden zentral für das Zugehörigkeitsgefühl sind. Um interkulturelle Netzwerke zu vergrößern, sind unterschiedliche Maßnahmen denkbar, deren Wirksamkeit teilweise bereits durch US-amerikanische Studien belegt wurde: 

  • Lehrende sollten im Rahmen von Gruppenaktivitäten darauf achten, dass Studierende in interkulturellen Gruppen zusammenarbeiten. 
  • Freizeitangebote an den Hochschulen sollten deutsche und internationale Studierende gleichermaßen ansprechen, um den gegenseitigen interkulturellen Austausch zu ermöglichen. 
  • Freizeitangebote, die den sozialen Austausch und die Sprachkenntnisse der Studierenden fördern – beispielsweise Sprachtandems oder Buddyprogramme – sollten an keiner Hochschule fehlen. 
  • Die Teilnahme an Hochschulangeboten sollte generell gesteigert werden. So ist bekannt, dass Studierende, die von einer Teilnahme an Hochschulangeboten besonders profitieren würden, diese nicht wahrnehmen. Informationsquellen bei Studienbeginn speziell für internationale Studierende können den Studienstart erleichtern. So weist beispielsweise die Ludwig-Maximilians-Universität München in ihrem International Student Guide auf Angebote in den Bereichen Sport, Kultur und Kunst hin (www.lmu.de/en/workspace-for-students/international-student-guide/index.html).
  • Der Campus an deutschen Hochschulen sollte durch Angebote und Einrichtungen vor Ort belebt werden, damit internationale und deutsche Studierende Gelegenheiten zum Austausch finden. Campus-Universitäten tun sich hier leichter als Universitäten, deren Standorte über die Stadt verteilt sind. //

Die Studie „International Students in Higher Education: Extracurricular Activities and Social Interactions as Predictors of University Belonging“ von Theresa Thies und Susanne Falk ist in der Zeitschrift Research in Higher Education (online first) erschienen.

Dr. Susanne Falk   

ist wissenschaftliche Referentin am Bayerischen Staatsinstitut für Hochschulforschung und Hochschulplanung in München. Sie ist Projektleiterin des soziologischen Teilprojekts InterMINT sowie des Vorgängerprojekts SeSaBa.

Foto: Foto: Photogenika

Theresa Thies   

ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bayerischen Staatsinstitut für Hochschulforschung und Hochschulplanung in München. Im Rahmen des soziologischen Teilprojekts InterMINT sowie des Vorgängerprojekts SeSaBa promoviert sie zum Studienerfolg internationaler Studierender in Deutschland.

Foto: Foto: Stefan Leifken

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