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// Editorial //

Ob auf der politischen Bühne oder in der Welt der Wissenschaft – sobald ein Missstand ans Licht gelangt, kommt das Schwarze-Peter-Spiel ins Rollen, gepaart mit einer gehörigen Portion Doppelmoral und Verantwortungslosigkeit. ...

... Nehmen wir als Beispiel das jüngst erlassene Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum Mindestlohn für ausländische Pflegekräfte. Die Richter entschieden am 24. Juni, dass nach Deutschland vermittelte ausländische Pflegekräfte und Haushaltshilfen, die Alte und Kranke zuhause betreuen, Anspruch auf den Mindestlohn haben. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, gleicher Lohn für gleiche Arbeit – oder?

Doch diejenigen, die aus Polen, der Ukraine, aus Bulgarien oder Rumänien kommend bei uns wertvolle Arbeit am Menschen leisten, werden nicht nur miserabel vergütet, sondern stehen meist auch ohne jegliche soziale Sicherung da. Experten schätzen, dass hierzulande mehrere hunderttausend ausländische Pflegekräfte illegal arbeiten, also keinerlei Schutz im Krankheitsfall, vor Arbeitslosigkeit oder Willkür genießen. Ein Unding. Doch kaum wurde das Urteil veröffentlicht, begannen die Schuldzuweisungen – etwa gegen die Richter, denen vorgeworfen wurde, damit einen „Pflegekollaps“, einen „Tsunami“ oder gar ein „Armageddon“ für die häusliche Pflege ausgelöst zu haben. Schön einfach, wenn man bedenkt, dass die politisch Verantwortlichen den Themenkomplex demografischer Wandel, Babyboomer-Generation und Pflegenotstand seit Jahren aussitzen und – ähnlich wie bei der Rente – lediglich kosmetische Eingriffe vornehmen, anstatt das System grundlegend zu ändern. Doch unsere Gesellschaft, wir alle, nehmen das hin. Sicherlich auch, weil es mit Blick auf die prekären Arbeitsverhältnisse in der Pflege vorrangig Ost- und Mitteleuropäerinnen trifft, die doch „froh sein können“, mit dem bei uns verdienten Geld ihre notleidenden Familien über Wasser zu halten.

Eine schäbige Doppelmoral und Verantwortungslosigkeit. Die zeigt sich übrigens auch im Wissenschaftssystem, wo die Verantwortlichen es hinnehmen, dass prekäre Beschäftigungsverhältnisse die Regel sind und der Nachwuchs finanziell wie auch bei der Karriere- und Lebensplanung im Regen steht. Wie kann es etwa sein, dass Hochschulleitungen akzeptieren, dass ein Teil der Lehre von Postdocs und Habilitierten „gratis“ bestritten wird, weil diese Lehrerfahrungen nachweisen müssen, um ihre Chancen auf eine Professur oder Festanstellung zu verbessern? Das ist Ausbeutung, auf Kosten der Schwächeren, zumal das mit der festen Stelle dann meistens doch nicht klappt.

Mit dem Finger auf die Politik zu zeigen, was Hochschulvertreter gerne tun, ist „billig“. Sie selber könnten im Rahmen ihrer Globalhaushalte und Autonomie Akzente für bessere Arbeitsverträge und eine nachhaltigere Personalpolitik setzen. Aber bitte nicht nur, weil „angesichts der scharfen Konkurrenz um entsprechend qualifizierte Personen“ der Wissenschaft das Personal wegläuft – wie die Allianz der Wissenschaftsorganisationen in ihrem Papier zur Bundestagswahl 2021 bedauernd feststellt. Sondern doch wohl auch, weil Wissenschaftseinrichtungen Verantwortung für Mitarbeiter und Nachwuchskräfte tragen und eine gesellschaftliche Vorbildfunktion haben. Wer als exzellent gelten will, sollte dies auch als Arbeitgeber und Karriereförderer sein. In unserem THEMA ab Seite 10 beleuchten wir, wie FH/HAW das versuchen.

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