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Und ewig grüßt das Murmeltier

Der Abschlussbericht der #FactoryWisskomm schürt die Vorfreude auf den nächsten. Ein Gastkommentar von Jens Rehländer

„To be continued“ steht auf dem letzten Deckblatt. Es ist die Seite 93 im blauen Ringordner mit dem Aufdruck „Handlungsperspektiven für die Wissenschaftskommunikation“. Der Abschlussbericht von sechs Arbeitsgruppen, von Bundesforschungsministerin Anja Karliczek am 23. Juni 2021 der Öffentlichkeit präsentiert.

„To be continued“ deute ich so: Nach Seite 93 könnte es mit der #FactoryWisskomm weitergehen. „2.0“, sozusagen. Weitergehen muss es meines Erachtens auch. Denn darin sind sich die meisten der 150 Mitwirkenden, zu denen Kolleginnen und Kollegen aus der VolkswagenStiftung und ich gehörten, einig: Das dicke Dokument ist zwar reich an wohlfeilen und gründlich fundierten Vorschlägen, wie Wissenschaftskommunikation hierzulande „besser“ werden könnte. Gleichzeitig spitzte man am Abschlussabend vergeblich die Ohren, um zu erfahren, welche Empfehlungen nun in konkretes Handeln überführt werden sollen. Aus dem Wissenschaftssystem, das ja Hauptadressatin der neunmonatigen BMBF-Aktion war, hörte man dazu: nichts.

Dafür wurde, so heißt es, schon Monate vor der Abschlussveranstaltung hinter den Kulissen über Formulierungen im Bericht gestritten. In der entschärften Version ist jetzt der Handlungsdruck raus, weil das Reizwort „Selbstverpflichtung“ getilgt wurde, mit dem das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) dem Prozess eine gewisse Verbindlichkeit hatte verleihen wollen. Das geplante „Mission Statement“, das vielleicht eine Art „PUSH Zwei“-Memorandum hätte werden können, ein neues Aufbruchssignal an allen Fronten der Wissenschaftskommunikation, 20 Jahre nach dem ersten – wurde zur rituellen „Einleitung“ degradiert. Und der ursprüngliche „Aktionsplan“, den sich die Ministerin als einen Meilenstein ihrer Amtszeit gewünscht hatte, ist nun zu „Handlungsperspektiven“ domestiziert worden.

Wieder mal „Handlungsperspektiven“. Kann man sich drum kümmern. Kann man aber auch sein lassen. Die Beharrungskräfte im Apparat können mit dem Ergebnis zufrieden sein.

Das BMBF hat sich mit der #FactoryWisskomm sehr viel Mühe gegeben. Dafür sind den beteiligten Personen Dank und Anerkennung zu zollen. Trotzdem konnte der Prozess – zumindest bisher - alte Gräben nicht überbrücken, die Wissenschaft und Politik in Fragen der Wissenschaftskommunikation schon so lange trennen, dass man von folkloristischer Asymmetrie sprechen kann. Das Narrativ dazu: Das BMBF bestellt ein deutliches Plus an Wissenschaftskommunikation, aber das Wissenschaftssystem verweigert die Lieferung mit Verweis auf seine Autonomie. Und auf „mangelnde Ressourcen“, natürlich. Wenn die Politik mehr Wissenschaftskommunikation haben will, soll sie die Rahmenbedingungen verbessern. Oder, noch besser: mehr bezahlen.

Erblast statt Kulturwandel

Das Gerangel zwischen den Machtblöcken ist zur Erblast für jene geworden, die die #FactoryWisskomm mit Know-how, Engagement und Einfällen bereichert haben, auf der nachgeordneten Hierarchie-Ebene aber keinen Kulturwandel in Gang setzen können. Mag sich die sogenannte informierte Gesellschaft auch noch so dynamisch verändern, die faktenbasierte Wissenschaft im Diskurs mit der Politik, auf der Straße und in den sozialen Medien zunehmend in die Defensive geraten – noch hat man genug Muße, um in einer Arbeitsgruppe erstmal Ethik-Prozesse wie diesen zu empfehlen: Eine „Verständigung auf gemeinsame Werte und Prinzipien, aus denen Leitlinien zur Qualitätssicherung in der Wissenschaftskommunikation abgeleitet werden.“ - Abgesehen davon, dass es solche Leitlinien in einer gewiss ausbaufähigen, aber doch passablen Form schon seit 2016 gibt: Warum gelingt der Ausstieg aus der Selbstreferentialität nicht?

Auch der Wissenschaftsrat befand es für nötig, parallel (!) zur #FactoryWisskomm die Wissenschaftskommunikation in Deutschland einer ganz eigenen Generalinventur zu unterziehen. Der Bericht soll im Oktober 2021 erscheinen. Freuen wir uns also auf einen weiteren Ringordner in der Serie „Perspektiven/Handlungsempfehlungen/Leitlinien/Impulse für eine bessere Wissenschaftskommunikation“!

„To be continued“ steht auf dem letzten Deckblatt im blauen #FactoryWisskomm-Ordner. Dahinter ist noch Platz für weitere AG-Berichte. Viel Platz.

Jens Rehländer

Jens Rehländer leitet die Kommunikation der VolkswagenStiftung.

Foto: Philip Bartz / VolkswagenStiftung​

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