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Strategien für den Dialog

Warum es sich für die Wissenschaft lohnt, Zeit und Mühe in Öffnungsprozesse zu investieren. 

Wissenschaft und Wirtschaft sind beständig auf der Suche nach neuen Wegen, die Qualität ihrer Prozesse in Forschung und Innovation zu verbessern. Nicht neu, aber doch neu in der Betonung, ist die Öffnung dieser Prozesse in Form von Open Science und Open Innovation, um vielfältige Wissensbestände besser einbinden zu können und die Ergebnisse für mehr Beteiligte als bisher nutzbar zu machen. Der damit verknüpfte kulturelle und institutionelle Wandel verdient mehr Aufmerksamkeit, Reflexion und gemeinsame Gestaltung als bislang. Für die Wissenschaft behält eine Öffnung die Chance, ihre Rolle im Innovationssystem zu stärken. Das gelingt aber nur, wenn offene Wissenschaft verstärkt transfer- und innovationsorientiert gedacht wird, um aktiv zur Lösung von gesellschaftlichen Problemen beizutragen, und nicht beim passiven schrankenlosen Zugang von Forschungsdaten und -ergebnissen stehen bleibt. Offenheit in Wissenschaft und Innovation wird also zur strategischen Aufgabe für die Leitungen und das Management von Wissenschaftseinrichtungen.

Antwort auf gesellschaftliche Veränderungen

Der Ausgangspunkt: Beschleunigter Wandel und Gestaltungsmöglichkeiten

Das Innovations- und Wissenschaftssystem steht wie die gesamte Gesellschaft vor großen Umbrüchen. Wie sehen Mobilität, Energieversorgung und Medizin der Zukunft aus? Wie können ganze Industriezweige vor dem Hintergrund der Digitalisierung und neuer Wettbewerber weiterentwickelt und in neue Geschäftsmodelle überführt werden? Welche Rolle spielen wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse noch in der gesellschaftlichen Debatte, beispielsweise bei Fragen des Klimawandels, der Migration und der Gentechnik? Wie kann Deutschland auf der einen Seite ein weltweit führender Standort für Wissenschaft und Innovation bleiben und auf der anderen Seite den Anschluss an seine Bürgerinnen und Bürger nicht verlieren?

Offenheit und Agilität

Um der wachsenden Komplexität der Herausforderungen Rechnung zu tragen, muss das Forschungs- und Innovationssystem insgesamt

  • agil sein: das heißt insbesondere antizipativ, reflexiv, responsiv und adaptiv agieren,
  • offen sein: das heißt Probleme und Forschungsfragen aus verschiedenen Sichtweisen heraus definieren und komplexe Herausforderungen durch die Zusammenarbeit von Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik lösen.

Was Offenheit bewirken kann

Offenheit kann sich an vielen Stellen des Forschungs- und Innovationsprozesses manifestieren, von der Themenfindung bis zur Dissemination. Die Entscheidung darüber, an welchen Stellen Offenheit sinnvoll ist, kann nicht allgemein beantwortet werden. Disziplinen, Branchen, Art und Größe der Organisationen müssen unterschiedliche Antworten geben. Eine strategische Öffnung beinhaltet auch, die Grenzen der Öffnung zu respektieren. Öffnung ist kein Selbstzweck. Sie verursacht Mehraufwand, schafft jedoch gleichzeitig relevante Mehrwerte, die es durch gezieltes Wissenschaftsmanagement zu heben gilt.

Lust und Last für Wissenschaftler

Die Öffnung trägt zur Motivation junger Talente in Hochschulen und Forschungseinrichtungen bei, da sie Autonomie und Gestaltungsspielräume einzelner Wissenschaftler stärkt. Das Teilen von Daten und Erkenntnissen erspart Mehrfacharbeiten und inspiriert zu neuen Forschungsthemen. Allerdings verlangt Offenheit zusätzliche Anstrengungen der handelnden Personen, die im bestehenden Reputationssystem selten belohnt werden.

Mehrwerte und Herausforderungen für die Institution

Wissenschaftseinrichtungen können sich durch gelebte Offenheit als „Innovation Hub“ für Partner in Wirtschaft und Gesellschaft profilieren. Sie können dadurch Renommee gewinnen und neue Mittel akquirieren. Die Einbindung von unüblichen Wissensgebern und das Zusammenführen von Wissens- und Datenbeständen generieren neue Forschungsfragen und -themen. Eine Herausforderung bleibt der Schutz von intellektuellem Eigentum und Daten. Eine Herausforderung ist ebenso, dass Forschung und Innovation vermehrt jenseits etablierter Strukturen stattfinden. Mit digitalen Plattformen und neuen Experimentierräumen entstehen neue Orte der Wissensgenerierung, an denen sich einzelne Wissensgeber auch unabhängig von ihren Institutionen beteiligen können. In Zukunft müssen wissenschaftliche Einrichtungen deshalb ihr Verhältnis zu externen Partnern neu definieren, um ihre Funktion als Knotenpunkt im Innovationssystem zu erhalten.

Potenziale und Hemmnisse für das Wissenschaftssystem

Der offene Zugang zu Rohdaten, Codes und Methoden unterstützt Kollaboration in der Forschung als emergentes Phänomen, das heißt, über vorab vereinbarte Kooperationen hinaus. Open Science steigert die Qualität der Forschung durch eine höhere Validität der Ergebnisse (Reproduzierbarkeit, Transparenz). Sie steigert auch die Ressourceneffizienz durch eine bessere (Nach-)Nutzung von Forschungsergebnissen. Offenheit in der Wissenschaft fördert eine „scientific literacy“ für Bürger, also das Verständnis von Methoden und Standards wissenschaftlicher Forschung. Aufseiten der Forscher kann dadurch eine Sensibilisierung für gesellschaftliche Belange, also eine social literacy, Raum bekommen. Beides sind wichtige Prozesse zur Stärkung des öffentlichen Bewusstseins für die Bedeutung von Wissenschaft sowie zur Optimierung von bislang oft sehr mühsamen Transferprozessen. Mögliche ungewollte Wissensabflüsse und ein nicht zu unterschätzender Koordinationsaufwand stellen die Hürden für das Wissenschaftssystem dar.

Was zu tun bleibt

Qualifizierung vorantreiben

Die Vermittlung von Prinzipien und Methoden offener Wissenschaft und Innovation müssen vermehrt in die Bildung des wissenschaftlichen Nachwuchses integriert werden. Bisher gibt es in Deutschland kaum institutionen- oder fächerübergreifende Initiativen zum Aufbau der entsprechenden Kompetenzen.

Öffnung als Managementaufgabe wahrnehmen

Öffnungsprozesse benötigen vielfältige Kompetenzen in einer Wissenschaftseinrichtung, auch jenseits des forschenden Personals. Dazu gehören juristische und kommunikative Beratung, Netzwerkmanagement und IT-Support, der auch Fragen des Datenmanagements beinhaltet. Um Wissenschaftler effektiv zu unterstützen, sollten Anlaufstellen Leistungen aus einer Hand anbieten. Ein aktives Management der Öffnungsprozesse erfordert unter Umständen ein neues Stellenprofil innerhalb des Wissenschaftsmanagements, den Manager für offene Wissenschaft und Innovation. Dieses Stellenprofil führt einzelne Aufgaben etwa von Forschungs- und Transfermanagern in den Hochschulen zusammen, ergänzt um neue Kompetenzen zu den unterschiedlichen Konzepten der Offenheit.

Öffnung als Profilmerkmal entwickeln

Ein arbeitsteiliges Innovationssystem braucht neue Orte, die Systemlösungen ganzheitlich denken, verschiedene Denkweisen integrieren und übergreifende Lösungsansätze entwickeln können. Eine besondere Rolle können hier Hochschulen spielen, die bereits heute in vielfältigen Netzwerken agieren (zum Beispiel Hochschule als „Open Innovation Hub“, Bibliotheken als Wissensrepositorien).

Neue Technologien für Kollaboration nutzbar machen

Wissenschaftliche Wertschöpfung wird zunehmend in Netzwerken oder auf Plattformen erbracht (co-created shared value). Bestehende Organisationen müssen darauf Antworten finden. Gleichzeitig müssen individuelle Beiträge nachvollziehbar bleiben. Neue Technologien könnten Wertbeiträge ermitteln helfen.

Wettbewerb in der Wissenschaft weiterentwickeln

Offenheit in der Wissenschaft beinhaltet eine neue Denkweise des wissenschaftlichen Arbeitens, das geprägt ist von Transparenz, Wissensteilung und der Aufnahme neuer Forschungsfragen von außerhalb der eigenen Disziplin und Wissenschaftscommunity. Um arbeitsteilige Wissensproduktion besser abzubilden, müssen sich Reputationsmechanismen verändern. Auch eine Weiterentwicklung einzelner Hochschulstrukturen, zum Beispiel des Lehrstuhlprinzips und der Doktorandenausbildung, kann Impulse für Offenheit und Innovation in Forschung und Lehre setzen.

Politische Steuerung anpassen

Wissenschaftseinrichtungen müssen den möglichen Widersprüchen begegnen, die sich aus einer gebotenen Verwertung von geistigem Eigentum und dem Ziel, Wissen weitmöglichst zu teilen, ergeben. Dazu müssen sie gemeinsam mit der Politik bestehende Ziel- und Leistungsvereinbarungen überprüfen und gemeinsam an Strategien für die offene Wissenschaft arbeiten, wie sie beispielsweise in Österreich und den Niederlanden mit dem nationalen Plan für Open Science existieren.

Das Wichtigste in Kürze

Konzept der strategischen Öffnung

Strategische Öffnung heißt, selektiv Formen der Offenheit auszuwählen und zu implementieren, um damit bestimmte Ziele der Organisation zu erreichen. Dieses Vorgehen erlaubt, in Teilbereichen weiterhin geschlossen zu agieren, weil es auch dafür Gründe geben kann. (Siehe Fecher, Leimüller, Blümel (2018): Das Potenzial strategischer Öffnung, Studie für den Stifterverband).

Open Science: Handlungsfelder

Wissenschaftlern soll der Zugang zu Prozessen und Ergebnissen der Forschung erleichtert werden. Das trägt dazu bei die Qualität von Forschungsmethoden und -ergebnisse positiv zu beeinflussen. Open Science nutzt die Digitalisierung, um Wissenschaft zu ihren Grundwerten der Transparenz, Reproduzierbarkeit, des Teilens und der professionellen Arbeitsteilung zurückzuführen. Instrumente und Prinzipien sind z. B.: Open Access, Open Data, Open Code, Open Infrastructure, Open Methodology.

Open Innovation in Science: Handlungsfelder

Ziel ist, Wissenschaft schneller, bedarfsgerechter und flexibler zu neuen Forschungsfragen, -themen und -methoden zu bringen. Öffnungsprozesse entstehen analog zur Open Innovation in Wirtschaft und Verwaltung. Instrumente und Prinzipien sind z. B.: Crowdsourcing, Innovationscluster, Citizen Science, Reallabore und Idea Labs.

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