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Im Ringen um Transparenz

Nebentätigkeiten von Professoren provozieren immer wieder in der Öffentlichkeit Zweifel über die Unabhängigkeit der Forschung. Der Deutsche Hochschulverband fordert mehr Transparenz. Doch die Hochschulen hierzulande verweisen an die Gesetzgeber der Länder. Ein Vorstoß kommt jetzt aus der Schweiz.

Fälle wie diese: 2016 erhielt ein Professor der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) von einem Pharmaunternehmen ein Jahreshonorar von 43 500 Euro. Der MHH war das zu viel, sie legte eine Maximalgrenze von 25 000 Euro fest. Seither streitet sich die Hochschule mit dem Arzt vor dem Arbeitsgericht. Und 2013 verschwieg ein Wissenschaftler der Technischen Hochschule (TH) Nürnberg, dass er als Marketingberater 900 000 Euro kassiert hatte; inzwischen hat er die TH Nürnberg verlassen.

Die Nebentätigkeiten von Professorinnen und Professoren geben immer wieder Anlass zu öffentlichen Diskussionen. Auch, weil etliche Landesrechnungshöfe festgestellt haben, dass sich sehr viele Hochschullehrer etwas dazuverdienen. Der Nebenjob an sich ist nicht das Problem, es ist die Möglichkeit versuchter Einflussnahme. Wenngleich die Regelung in Deutschland Ländersache ist und es im Detail Unterschiede gibt, so lassen sich drei Grundsätze ausmachen. Erstens: Die Aufgaben in Forschung, Lehre und Verwaltung dürfen unter einer Nebentätigkeit nicht leiden. Zweitens: Ein Arbeitstag pro Woche in einer anderen Tätigkeit ist für die meisten Länder in Ordnung. Drittens: Hochschullehrer, die eine Nebentätigkeit aufnehmen wollen, müssen in der Regel einen Antrag von der Hochschulleitung genehmigt bekommen.

In der Schweiz gibt es seit diesem Jahr an der Universität Zürich einen Vorstoß, die Interessenbindungen über die Homepage offenzulegen (s. Interview). Für Dr. Michael Hartmer, Geschäftsführer des Deutschen Hochschulverbands (DHV), ist das ein guter Weg. „Das Modell ist ein Schritt in die richtige Richtung. Transparenz ist vor allem dort angezeigt, wo die Unparteilichkeit der Wissenschaft gefährdet sein könnte“, sagt er. Der DHV gab 2012 eine entsprechende Resolution heraus, geändert hat sich aber nichts. Zum Bedauern von Hartmer: „Eine Lösung wie in Zürich ist auch in Deutschland möglich. Insofern sind jetzt die Gesetzgeber in den Ländern am Zug.“

Die Hochschulen selbst drängt es nicht, das Thema in die Öffentlichkeit zu tragen. So antworteten von sechs angefragten Universitäten lediglich zwei auf die Fragen der duz. Nach Angaben der Uni Konstanz müssten die Professoren ihre Nebentätigkeiten an die Personalabteilung melden. Diese sowie das Justiziariat der Uni überwachten die Einhaltung der Regeln, „eine automatische Kontrolle gibt es aber nicht“, sagt Sprecherin Julia Wandt. Ein Transparenzvorstoß wie in Zürich sei in Baden-Württemberg aus rechtlichen Gründen nicht möglich, das ergebe sich aus den gültigen Landesregelungen. „Eine Universität erhält nur die nebentätigkeitsrechtlich relevanten Informationen, darf diese aber aus Gründen des Personendatenschutzes nicht publik machen“, sagt Wandt. Nicht viel anders sieht es an der Technischen Universität München aus. Nebentätigkeitsgenehmigungen werden auf bis zu fünf Jahre erteilt, darüber hinaus existiert seit 2011 ein Code of Conduct für Fundraising und Forschung, sagt Sprecher Dr. Ulrich Marsch.

Dr. Uwe Kamenz, Professor für Wirtschaftswissenschaft an der Fachhochschule Dortmund, bringt eine Lösung auf freiwilliger Basis ins Gespräch. „Innerhalb unserer Community wäre es ohne großen Aufwand möglich, die Nebentätigkeiten von den erfassten rund 40 000 Professoren eingeben zu lassen und dann zu publizieren. Was fehlt, ist die Motivation der Professoren, der mediale oder pekuniäre Anreiz.“ Kamenz führt weiter aus: „Die im Vergleich zur Wirtschaft immer schlechtere Bezahlung der Professoren führt zum Beispiel in Ballungsräumen dazu, Nebentätigkeiten annehmen zu müssen, wenn man seinen sozialen Status halten will.“

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hat einen eigenen Vorschlag. Sie fordert, die Nebeneinkünfte der Professoren in den Jahresberichten der Hochschulen zu veröffentlichen. Aber auch das hat bislang noch keine Hochschule umgesetzt.

PROF. DR. MICHAEL HENGARTNER, Rektor der Uni Zürich, zur Offenlegung professoraler Nebentätigkeiten

„Es gibt keine systematische Überprüfung“

ZÜRICH Die Universität Zürich veröffentlicht seit diesem Jahr die Interessenbindungen ihrer Professoren – auf der Basis von Selbstdeklaration.

 

duz: Herr Hengartner, wie kam es zu diesem Vorstoß?

Hengartner: Die Frage nach den Interessenbindungen wird immer wieder an allen Hochschulen gestellt. Studierende und auch die Öffentlichkeit fragen sich, wie unabhängig und neutral Professorinnen und Professoren bei bestimmten Themen wirklich sind. Deshalb haben wir uns um das Thema gekümmert. Ein anderer Grund ist, dass eine Schenkung der Bank UBS von 100 Millionen Franken eine Debatte über Finanzierung und Unabhängigkeit ausgelöst hat. So wurde letztlich auch die Politik auf das Thema aufmerksam.

duz: Das heißt?

Hengartner: Damit die Interessenbindungen veröffentlicht werden konnten, musste das Universitätsgesetz aus Datenschutzgründen angepasst werden. Für Professorinnen und Professoren gelten nun für die Offenlegung ihrer Interessenbindungen die gleichen Kriterien wie für Parlamentarier und Richter des Kantons Zürich.

duz: Die Regeln lassen aber manches offen. Einmalige Beratertätigkeiten werden nicht erfasst, auch über die Summen für die Nebentätigkeiten erfährt man nichts.

Hengartner: Die Einkünfte müssen zwar bewilligt und deklariert werden, fallen aber unter den Datenschutz. Die Frage, wie viele Daten erfasst werden sollen, stellt sich immer. Wir sind mit der jetzigen Regelung sehr zufrieden. Schweizweit haben wir ein fortschrittliches Modell.

duz: Die Professoren machen die Angaben in Ihrer Datenbank selbst. Werden diese überprüft?

Hengartner: Punktuell ja, aber es gibt keine systematische Überprüfung. Bislang kannten wir in der Regel die Interessenbindungen unserer Professorinnen und Professoren. Die Datenbank ist ein Schritt zu mehr Transparenz. Jetzt gelten an der Universität gleich stringente Regeln wie in der Politik. Das halte ich für sinnvoll.

duz: Gibt es Sanktionen bei Verstößen?

Hengartner: Sollte etwas Relevantes nicht eingetragen sein, wird der entsprechende Professor, die Professorin von uns aufgefordert, dies nachzuholen.

duz: Und das war es dann?!

Hengartner: Ja. Aber ich sehe das relativ gelassen. Für Professorinnen und Professoren ist ihre Reputation eines ihrer wichtigsten Güter. Diese wird niemand leichtfertig aufs Spiel setzen. Schließlich wäre es extrem peinlich, an eine Interessenbindung erinnert zu werden. Wir gehen davon aus, dass wir sehr schnell über einen solchen Verstoß informiert würden. Grundsätzlich gehört es zur Kultur der Universität Zürich, dass wir unseren Professorinnen und Professoren viel Freiheit lassen. Diese Vertrauenskultur ist integraler Bestandteil unserer Hochschule.

duz: Was wurde aus der von Ihnen eingangs schon erwähnten Kooperation mit der Großbank UBS?

Hengartner: Diese hat sich in den letzten Jahren sehr gut entwickelt. Dank ihr konnte das Department of Economics die Zahl der Professuren deutlich ausbauen. Auch beim Ausbau des Doktorandenprogramms half die Spende. Populär sind zudem die Veranstaltungen des durch die Spende ermöglichten UBS Center, die Forschungsresultate einer breiteren Schicht zugänglich machen sollen. Es zeigt sich, dass die Spende für die Universität, den Forschungsplatz und die Gesellschaft einen Gewinn darstellt.

duz: Die Debatte war für Sie kein Anlass, auf die Kooperation zu verzichten?

Hengartner: Nein. Die Debatte hatte sich vor allem daran entzündet, dass der Schenkungsvertrag mit der UBS zunächst geheim gehalten wurde. Die Universitätsleitung hat dann veranlasst, dass er einsehbar wird. Wenn Sie ihn sich anschauen, werden Sie erkennen, dass das ein langweiliger Schenkungsvertrag ohne jede Brisanz ist.

duz: Sie haben auch eine Drittmittel-Datenbank angekündigt.

Hengartner: Wir beginnen mit der Datensammlung voraussichtlich 2018. Die Datenbank selbst sollte dann von 2019 an öffentlich zugänglich sein. Für mich ist diese Offenlegung eine gute Entwicklung. Sie dient nicht nur der Transparenz, sondern kann für uns auch ein Marketinginstrument werden. Ich bin doch stolz darauf, dass wir so viele Drittmittel einwerben. Ebenso freut es mich, dass unsere Professorinnen und Professoren gefragte Expertinnen und Experten für Wirtschaft und Politik sind.

Das Interview führte Michael Lünstroth.

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