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Hinter der Bühne geht es weiter

Eilig wie nie wollen die Wissenschaftsminister bis Ende April ein unterschriftsreifes Konzept zur Fortführung der Exzellenzinitiative vorlegen. Ihre Sorge: Die Forschungsmilliarden könnten beim anstehenden Bund-Länder-Finanzausgleich „Verfügungsmasse“ werden.

Als der Schweizer Umweltphysiker und Wissenschaftsmanager Prof. Dr. Dieter Imboden Ende Januar den Evaluationsbericht zur Exzellenzinitiative zunächst im internen Kreis den 16 Länder-­Wissenschaftsministern sowie Bundesforschungsministerin Prof. Dr. Johanna Wanka (CDU) vorstellte, war niemand so recht zufrieden: Die Wissenschaftler aus Imbodens zehnköpfiger Expertenkommission nicht, weil kein Politiker den 66­-seitigen Bericht zunächst sorgsam lesen wollte – sondern alle Minister gleich in eine heftige Debatte um die Folgen einstiegen.

Die Politiker gleich welcher Partei reagierten unwirsch – nicht etwa, weil sie von den Inhalten und Empfehlungen des Imboden­Berichts  überrascht waren. Vielmehr hatte ihnen die Präsentation deutlicher als je zuvor vor Augen geführt, vor welch ungeheurem Erwartungsdruck sie nunmehr seitens der Wissenschaft stehen – zugleich aber auch, welch finanzieller Kraftakt bei Fortführung der bisher 4,6 Milliarden Euro teuren Bund-­Länder­-Initiative zur Förderung der Spitzenforschung noch vor ihnen liegt.

Höflich, dankend, zugleich aber auffällig verhalten reagierte die Politik bei der öffentlichen Präsentation des Berichtes. Man wolle alles „intensiv auswerten“, versicherte Johanna Wanka. Und ihre Stellvertreterin im Vorsitz der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK), Prof. Dr. Eva Quante­Brandt (Bremen/SPD), attestierte der Imboden-­Kommission zumindest „wertvolle Hinweise“, die man in „die Überlegungen für die Architektur der neuen Initiative mit einbeziehen“ wolle.

Ministerrunden im Zwei-Wochen-Takt

Dabei hatte hinter den politischen Kulissen längst eine gewaltige hektische Betriebsamkeit begonnen. Parallel zur einjährigen Evaluationsarbeit der Imboden­-Kommission hatte bereits im vergangenen Jahr eine GWK-­Arbeitsgruppe mit Staatssekretären getagt und sich im Herbst 2015 auf ein Arbeitspapier mit verschiedenen Szenarien verständigt. Unmittelbar nach Präsentation des Imboden-­Berichts nahm dieses Gremium seine Arbeit sofort wieder auf. Zudem überarbeitet eine sogenannte Redaktionsgruppe mit sechs Staatssekretären die umfangreichen Texte und führt sie in Nachtsitzungen zusammen.

Die Wissenschaftsminister selbst treffen sich derweil in diesen Wochen nahezu im vierzehntägigen Rhythmus zu vertraulichen abendlichen „Kaminrunden“ in Berlin – alles inoffiziell, ohne Protokoll und zunächst auch ohne ihre Ministerkollegen aus den jeweiligen Finanzressorts, die ja eigentlich laut GWK-­Statut allesamt ordentliche Mitglieder der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz sind. Ehrgeiziges Ziel der Wissenschaftsminister: Schon am 22. April soll die GWK ein unterschriftsreifes Konzept beschließen, das man im Mai zunächst den Chefs der Staatskanzleien und dann am 12. Juni den Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin präsentieren will. Zwar seien einige wichtige Grundsatzfragen wie auch viele Details noch offen, verlautet aus der GWK. Gleichwohl sei man aufseiten der Wissenschaftsminister quer über alle Parteien hinweg zuversichtlich, dass der enge Zeitplan doch eingehalten werden könne.

Für die neue Exzellenzinitiative sind zwischen 40 und 50 Forschungscluster mit einem Fördervolumen von jeweils zwischen drei und zehn Millionen Euro im Gespräch. Analog zu den Empfehlungen der Imboden­-Kommission sollen sie in ihrer Struktur offener als bisher ausgerichtet werden. Gerungen wird  darum, ob nach Fortfall des Kooperationsverbotes der Bund bei einem Teil herausragender Cluster nach dem neuen Grundgesetzartikel 91b dauerhaft in die Finanzierung einsteigt. Die Länder sind daran interessiert, der Bund zögert bisher noch.

Strittige Punkte bei den Ländern und dem Bund

Auf wenig Gegenliebe stößt bei vielen Ländern bisher der Vorschlag, die angedachten neuen „Elite­Prämien“ nach einem reinen Indikatoren-­Modell für bisher erbrachte Forschungsleistungen zu vergeben. Diese Prämien sollen nach den Empfehlungen der Kommission die bisherige Förderlinie der „Zukunftskonzepte“ ablösen. Imboden hatte hier vorgeschlagen, den etwa zehn forschungsstärksten Universitäten für sieben oder acht Jahre jeweils 15 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung zu stellen.

Wenig überrascht hat hingegen der Imboden­-Vorstoß, die Förderlinie „Graduiertenschulen“ in der künftigen Exzellenzini­tiative nicht mehr weiterzuführen. Dazu hatte es bereits vergangenes Jahr Absichtserklärungen der Ministerpräsidenten gegeben. Bisher wurden über die Exzellenzinitiative 50 Graduiertenschulen gefördert. Allein 2014 flossen dafür aus dem Exzellenzprogramm 70,7 Millionen Euro.

Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sei schließlich originäre Aufgabe einer jeden Universität, heißt es zur Begründung – doch kann dies auch zu­zeiten einer ohnehin defizitären Grundfinanzierung gelten? Zugleich geht mit dem Fortfall der Graduiertenschulen ein gewisses regionalpolitisches Kompensationsmittel verloren, mit dem bisher jene Länder zumindest ein wenig befriedet werden konnten, die bei den Juryentscheidungen für die beiden anderen Förderlinien (Cluster und Zukunftskonzepte) völlig leer ausgegangen waren. Der ersatzlose Fortfall dieser Graduiertenschulen aus der Gesamtarchitektur des Exzellenzprogramms dürfte die Suche nach einem politischen Kompromiss zwischen forschungsstarken und eher forschungsschwachen Bundesländern nicht gerade erleichtern.

Doch der Druck auf eine rasche Einigung ist gewaltig. Denn nicht wenige Wissenschaftsminister treibt die Sorge um, die für die Fortsetzung der Exzellenzinitiative zwischen 2018 und 2028 geplanten Forschungsmilliarden könnten ansonsten bei den Berechnungen für die Ende der Legislaturperiode 2017 anstehende Neuordnung der Bund­-Länder-­Finanzbeziehungen schnell zum ‚Spielball von vielen‘ werden.

Vom Bund sind bisher für die neue Exzellenzinitiative 400 Millionen Euro pro Jahr in Aussicht gestellt. Bleibt es beim bisherigen Finanzschlüssel von 75:25 Prozent, kämen von den Ländern weitere 100 Millionen pro Jahr für die Spitzenforschung hinzu – was jedoch einige Länder­-Finanzminister angesichts der absoluten Schuldenbremse bisher eher nur als ein loses „Gesprächsangebot“ an den Bund verstanden wissen wollten. Erschwerend kommt hinzu, dass ab 2019 die sogenannten „Entflechtungsmittel“ aus dem alten Hochschulbauförderungsgesetz des Bundes fortfallen und den Ländern damit pro Jahr mindestens 700 Millionen Euro verloren gehen, die  bisher weitgehend in die Landes­-Hochschuletats einflossen.

Auch aufseiten des Bundes sieht die Finanzlage längst nicht mehr so rosig aus wie vor einem Jahr, als die Fraktionsvorstände von Union und SPD nach einer Klausurtagung die Fortführung der Exzellenzinitiative ankündigten. Für die Integration der Flüchtlinge haben Kommunen und Länder inzwischen Milliarden­Forderungen beim Bund angemeldet. Für Arbeitsmarktprogramme und Wohnungsbau kommen weitere Haushaltsforderungen in Milliardenhöhe aus den Bundesressorts hinzu. Der Verteilungskampf um die Haushaltsmittel wird härter – auch für die Wissenschaft.

Meilensteine des Entscheidungswegs

Meilensteine des Entscheidungswegs

Januar Am 29. Januar legt der Schweizer Wissenschaftsmanager Dieter Imboden den Evaluationsbericht zur Exzellenzinitiative vor. Die heiße Phase der Verhandlungen zur Zukunft des milliardenschweren Programms zur Förderung der Spitzenforschung an Universitäten beginnt.

April Am 22. April will die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) mit Politikern aus Bund und Ländern ein unterschriftsreifes Konzept zur Fortführung der Exzellenzinitiative über das Jahr 2017 hinaus beschließen.

Juni Am 12. Juni sollen die Ministerpräsidenten der Länder und Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel über das von der GWK verabschiedete Konzept befinden.

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