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Hoch hinaus

Der größte Geldtopf ist fest in Universitätshand: In der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) verteilen Uni-Professoren Milliarden an ihre Uni-Kollegen. Einige FHs wollen die Festung nun einnehmen – mit akademischer Guerilla-Taktik.

Dieser Satz dürfte am Sitz der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in der Bonner Kennedyallee für Alarmstimmung gesorgt haben. In ihrem Koalitionsvertrag loben Union und SPD die Forschungsleistung der Fachhochschulen, stellen weiteres Geld in Aussicht und formulieren schließlich eine unmissverständliche Botschaft: „Von der DFG erwarten wir, die Beteiligung von Fachhochschulen an ihren Programmen zu stärken.“ Die Passage ist für eine politische Willenserklärung ausreichend schwammig formuliert – dennoch steckt sie voller Sprengkraft.

Die DFG ist der größte Forschungsförderer in Deutschland, sie verfügt über ein Budget von rund 2,8 Milliarden Euro. Doch an dieses Geld kommen FHs kaum ran: Ganze 127 FH-Projekte weist die DFG-Statistik für 2012 aus, ein Anteil an allen Förderzusagen von gerade einmal 0,45 Prozent. Mit 6,9 Millionen Euro entfielen auf diese Projekte auch nur 0,26 Prozent der gesamten Fördersumme – und die Zahl der Anträge, die durchkommen, liegt mit rund 20 Prozent deutlich unter dem Durchschnitt. Nirgendwo sind die FHs derart außen vor wie bei der DFG. Dabei können sie dort in den meisten Förderbereichen genauso Anträge stellen wie die Universitätskollegen auch. Die Türen stehen auf, und trotzdem bekommen Fachhochschulen keinen Fuß hinein. Was ist da los?

„Eine indirekte Benachteiligung“

Es gibt schon so etwas wie eine indirekte Benachteiligung“, sagt Prof. Dr. Micha Teuscher, Rektor der FH Neubrandenburg und Sprecher der Fachhochschulen in der Hochschulrektorenkonferenz: „Viele Förderprogramme setzen universitäre Strukturen voraus – mit Professoren, Mittelbau, Postdocs, Arbeitsgruppen. Das wird dem Charakter der FH-Forschung nicht gerecht.“ Dazu kommt: In ihren Strukturen ist die DFG auf Universität geeicht. Fächer wie „Soziale Arbeit“, die es nur an Fachhochschulen gibt, fallen durch ihr Raster – oder die Förderanträge mäandern zwischen den DFG-Gutachtern aus den klassischen Universitätsdisziplinen wie Psychologie oder Soziologie. Kein Wunder, dass der Forschungsansatz eines FH-Kollegen da nicht immer gleich verstanden wird.

„Viele Fachhochschulen haben sich in den letzten 40 Jahren zu außerordentlich forschungsstarken Wissenschaftseinrichtungen entwickelt“, sagt Prof. Dr. Herbert Zickfeld, Präsident der FH Flensburg. Ein Beispiel aus seinem Haus ist Michael Teistler, der 2011 aus der Industrie als Professor für Angewandte Informatik und Medieninformatik an die FH kam. Beim international wichtigsten Radiologenkongress RSNA in Chicago erhielt er bereits 2012 die höchste Auszeichnung, den „Magna cum Laude Award“, für seine Forschung im Bereich der Interaktion zwischen Menschen und medizinischen Spezialgeräten. Entstanden ist dabei eine Software, mit der medizinisches Personal am Computer die Ultraschalldiagnostik trainieren kann. „Für viele angehende Mediziner ist es schwer zu verstehen, wie ein in der Realität dreidimensionales Objekt, beispielsweise das Herz, sich auf 2D-Schnittbildern darstellt. Zudem hängt diese 2D-Darstellung davon ab, wie die Ultraschallsonde positioniert und gedreht oder gekippt wird“, sagt Teistler.

Sein Lösungsansatz: Mit einem handelsüblichen Game-Controller, wie er sonst bei Konsolenspielen benutzt wird, üben die Mediziner die Untersuchung mit der Simulations-Software – und können so ihre Fertigkeiten auf jedem handelsüblichen Computer verbessern. Auch auf dem Nachfolgekongress vor einigen Wochen waren Michael Teistler und seine Kollegen wieder in Chicago dabei. Der Auftritt war sichtbare Anerkennung dafür, dass es die Flensburger Software jetzt in die Praxis geschafft hat: An der University of California in Davis wird das Verfahren bereits in der Neuroradiologie getestet, das Northwestern Memorial Hospital in Chicago plant den Einsatz im kardiologischen Bereich, ebenso die University of Pittsburgh in Pennsylvania. Ein weltweiter Erfolg – und das ohne einen einzigen Cent aus dem Drittmitteltopf der DFG.

Vielleicht sind es Beispiele wie das von Michael Teistler, die die Koalitionäre in Berlin bewogen, das Thema „Fachhochschulen und die DFG“ eigens im Koalitionsvertrag aufzuführen. DFG-Präsident Prof. Dr. Peter Strohschneider unterstützt zwar grundsätzlich die Forderung nach mehr Forschungsgeldern für die FHs, warnt aber davor, Antragsteller unterschiedlicher Hochschulen auch unterschiedlich zu behandeln. „Die DFG wird den Belangen der Forscherinnen und Forscher an Fachhochschulen, die ja immer schon bei ihr antragsberechtigt waren, künftig im Beratungs-, Begutachtungs- und Entscheidungsprozess noch besser gerecht zu werden suchen“, sagte Strohschneider beim DFG-Neujahrsempfang im Januar in Berlin, „und sie wird dies im Rahmen ihres Auftrags tun, also aufgrund von Anträgen, neutral gegenüber der institutionellen Zuordnung der Antragstellenden aus den Hochschulen und auf der Grundlage wissenschaftlicher Qualitätsurteile.“ Mit anderen Worten: Nur die Qualität zählt, die Hochschulart spielt keine Rolle.

Mit einer Art akademischer Guerilla-Taktik wollen die FHs die DFG unterwandern: 2015 ist die Wissenschaft aufgerufen, die Fachkollegien der DFG zu wählen, die entscheidenden Wahlvorbereitungen sind laufen in diesem Jahr. Hauptaufgabe der Mitglieder der Fachkollegien ist es, in ihren jeweiligen Fächern die schriftlichen Gutachten in der so genannten Einzelförderung zu bewerten und auf dieser Grundlage eine positive oder negative Förderempfehlung an die Etnscheidungsgremien der DFG weiterzugeben – die Zusammensetzung der Fachkollegien entscheidet also auch über Erfolgschancen bei der DFG. Bisher machen wenige Fachhochschulforscher von ihrem Wahlrecht Gebrauch.
Das soll sich nun ändern. In den kommenden Monaten wollen sich viele Fachhochschulen als Wahlstellen registrieren lassen – ein erster Schritt, um in Zukunft mehr FH-Vertreter über die Förderanträge der DFG mitentscheiden zu lassen.

Zwar ist es bisher schon möglich, als einzelner FH-Professor das Wahlrecht bei der DFG zu beantragen. Doch nicht wenige Fachhochschullehrer empfinden es als seltsame Situation, wenn sie das Wahlrecht auf einer solchen persönlichen Basis erhalten. Mit der Registrierung als Wahlstelle entfällt für die jeweiligen FH-Professoren der Zwang, sich um diese individuelle Anerkennung zu bemühen. „Bei den letzten Fachgremien-Wahlen vor vier Jahren haben rund 30 Fachhochschulen diesen Weg beschritten – dieses Mal hoffen wir auf eine stärkere Beteiligung“, sagt Micha Teuscher, und: „Auf diese Weise treiben wir die Diskussion um den Zugang zu Fördergeldern noch einmal aktiv voran.“

Denkbar wäre auch die direkte Strategie: dass forschungsstarke Fachhochschulen selbst die Mitgliedschaft bei der DFG beantragen. Vereinsmitglieder der DFG sind bisher fast ausschließlich Universitäten, eine Fachhochschule sucht man dort vergebens. Dabei haben es einige von ihnen durchaus in andere Universitätsverbände geschafft: FHs wie Köln oder Aachen sind Mitglied im Europäischen Hochschulverbund EUA (European University Association). Ein Aufnahmekriterium dort ist eine ausgewiesene Forschungsleistung.

Bei der DFG wollte bisher allerdings keine Fachhochschule anklopfen – zu unkalkulierbar das Risiko, bei einer Ablehnung als Verlierer dazustehen. Doch allzu lange, munkeln FH-Akteure, werde es nicht mehr dauern, bis in der Bonn DFG-Zentrale ein entsprechendes Mitgliedschaftsformular eingeht. Es wäre ein spektakulärer Schritt. Öffentlich möchte sich daher niemand dazu äußern – die Chancen möglicher Antragsteller sollen keinesfalls durch die Nennung konkreter Namen geschmälert werden.
„Das ist aber auch alles nicht so wichtig“, winkt eine Fachhochschul-Prorektorin ab, „wir FHs sind ja die kleinen Schwestern der Unis. Und jüngere Geschwister haben sich schon immer durch Chuzpe, Frechheit und das Ignorieren von Traditionen ausgezeichnet.“

 

Anmerkung der Redaktion: Dieser Beitrag ist eine korrigierte Fassung des im duz Magazin 04/2014 veröffentlichten Artikels.

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