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Hochschulen lockern die Kontrollsysteme

Die gesetzlich garantierte Studienfreiheit erlaubt den Hochschulen nur in ganz begrenztem Umfang, die Anwesenheitspflicht für Studierende zu verhängen. Mit der Bologna-Reform führten die Hochschulen umfangreiche Kontrollsysteme ein. Nun werden sie zurückgefahren – doch in der Medizin halten sie sich.

Anwesenheitskontrollen an Hochschulen sind eine nervige Sache. Und das nicht nur für Studierende: „Per Senatsbeschluss haben wir uns gegen die Anwesenheitspflicht ausgesprochen“, sagt Dr. Bernhard Marschall, Studiendekan an der Medizinischen Fakultät der Universität Münster. Doch das half nichts. Die Approbationsordnung, die für die Zulassung von Ärzten am Ende maßgeblich ist, schreibt eine „regelmäßige und erfolgreiche Teilnahme“ für rund 40 Veranstaltungen vor.

Also blieb es dabei. Professoren und Dozenten der Medizin müssen kontrollieren, ob ihre Studierenden an Vorlesungen und Seminaren teilnehmen oder eben nicht. Das erfolgt in Münster mit Hilfe eines elektronischen Erfassungssystem, das vor gut zwei Jahren in das bestehende Stundenplan-Management Elan integriert wurde. Der Vorteil: Es schafft Flexibilität in der Studienorganisation. Plätze in Seminaren können einfacher getauscht, Termine leichter verändert werden.

Tatsächlich fußt die Anwesenheitspflicht nicht immer auf bloßem Kontrollwahn. Dr. Harald Fritz, Leiter des Bereichs Studium und Lehrentwicklung an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Uni Heidelberg, hält sie für bestimmte Veranstaltungen durchaus für „inhaltlich sinnvoll“. Sie signalisiere, dass die Inhalte relevant seien. „Gerade Studienanfänger können das selbst ja noch gar nicht einschätzen“, sagt er. Auch die Mannheimer Mediziner haben, zunächst für das Grundstudium, auf elektronische Erfassung umgestellt: Zum vergangenen Wintersemester installierten sie an den 50 wichtigsten Veranstaltungsräumen ein zwischen 30.000 und 40.000 Euro teures Scannersystem, an denen die Studierenden sich mit ihrem Bibliotheksausweis registrieren.

Im Unterschied zu den Papierlisten ist die Scanner-Erfassung  schneller und weniger aufwändig.

Das Ansinnen war in erster Linie, „möglichst unbürokratisch den Auftrag des Gesetzgebers zu erfüllen“, sagt Fritz mit Blick auf die Approbationsordnung. Die Kontrolle der Studierenden sei nicht das Ziel gewesen. Dass bei der elektronischen Erfassung vereinzelt geschummelt werde, darüber macht sich Fritz keine Illusionen. Im Unterschied zu den früheren Papierlisten sei diese Erfassung schneller und weniger aufwändig. Offenbar ist sie aber auch mit Fehlern behaftet. Medizinstudenten beklagen, dass ihre Anwesenheit oft falsch verbucht wurde. Das kann negative Folgen haben, denn wer laut System zu oft fehlt, fällt durch.

Die Uni Münster investierte fast 10.000 Euro in 140 mobile Scanner. Der Kauf habe sich schon im ersten Semester gelohnt, sagt Studiendekan Marschall: „Früher, mit den Laufkarten, mussten die Studierenden bei diversen Instituten ihre Scheine einsammeln. Jetzt sammeln wir sie im System und schicken sie gebündelt ans Prüfungsamt.“ Das spare allen Zeit.

An der Universität des Saarlandes kursieren dagegen Papierlisten – trotzdem haben die Mediziner einen Weg gefunden, den Aufwand gering zu halten: Die Pflichtstundenzahl, die die Approbationsordnung als Minimum vorgibt, wurde auf einzelne Fächer in der Medizin verteilt. Dort entscheiden die Verantwortlichen, welche Vorlesung oder welches Seminar zur Pflicht wird. Manchmal ist die nötige Stundenzahl schon mit einer Veranstaltung erreicht.

Den Einsatz der Elektronik würden sich auch die saarländischen Mediziner wünschen. Doch die Universität sträubt sich aus Kostengründen dagegen, diese anzuschaffen, und argumentiert mit dem „Prinzip der Studienfreiheit“. Die Entscheidung, ob es zur ordentlichen Durchführung von Veranstaltungen eine Anwesenheitspflicht braucht, werde deshalb dezentral und fachspezifisch gefällt, sagt Christoph Jaroszewski, im Qualitätsbüro der Uni zuständig für Studien- und Prüfungsorganisation. Wollen die Mediziner also die Anwesenheit künftig elektronisch kontrollieren, müssen sie die dafür nötige Ausstattung selbst finanzieren

Die Rechtslage

Die Rechtslage

  • Hochschulrahmengesetz: Das Gesetz definiert in Paragraf 4, Absatz 4 das Recht auf Studienfreiheit. Siehe http://www.gesetze-im-internet.de/hrg/index.html
  • Landesgesetzgebung: Die Kultusministerkonferenz hat keine verbindliche Richtlinie zum Thema beschlossen. Die meisten Länder haben aber Empfehlungen verabschiedet, die eine zurückhaltende Kontrolle nahelegen.
  • Studien- und Prüfungsordnung: Im Zuge der Bologna-Reform haben zahlreiche Hochschulen und Fachbereiche die Anwesenheitspflicht in ihren Ordnungen verankert. Nach Protesten von Studierenden wurden sie aber zumeist zurückgenommen. Allein aus dem Begriff „Pflichtveranstaltung“ lässt sich aber keine Teilnahmepflicht ableiten.
  • Approbationsordnung: Diese bundesweite Verordnung schränkt das grundsätzliche Recht auf Studienfreiheit ein und fordert in Paragraf 2, Absatz 7, den Nachweis „regelmäßiger Teilnahme“ an Veranstaltungen, deren Besuch in der Studienordnung vorgeschrieben ist.
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