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Anerkennen mit System

Wer das Prinzip der Offenen Hochschule umsetzt, steht vor dieser Frage: Welche beruflichen Kompetenzen sind goldwert und werden anerkannt? Eine Datenbank soll Orientierung bringen.

Vor mehr als drei Jahren ist die Idee entstanden. Eine Datenbank zu erstellen, in der beruflich erworbene Kompetenzen und vor allem deren Anrechnung auf ein Studium systematisch erfasst werden können. Ort des Geschehens: Eine Sitzung der Landesarbeitsgruppe „Flexibilisierung und Durchlässigkeit im Bildungswesen“ im Stuttgarter Wissenschaftsministerium. Zu dem Gremium zählen neben den Kultus­, Wissenschafts-, Finanz-­ und Wirtschaftsministerien auch Arbeitgeber­- und Arbeitnehmerverbände sowie der Verein „Hochschulen für Angewandte Wissenschaften Baden­-Württemberg“ (HAW). Ihm gehören 24 Hochschulen an, die die Datenbank erstmals Ende dieses Jahres nutzen wollen.

„Den meisten Hochschulvertretern ging es wie mir: Ich wusste, wie die Anrechnung beruflicher Kompetenzen an der eigenen Hochschule funktionierte, und bekam nur durch Zufall mit, wie es andere Einrichtungen hielten“, erinnert sich Professor Dr. Ulrich Schmitt von der Hochschule Aalen. Schmitt ist einer derjenigen, die an der damaligen Beratung teilgenommen hatten; er brachte den Stein ins Rollen.

Der Bologna-Prozess fordert die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung

Verfahren waren nicht recherchierbar, ein Austausch darüber mangels Informationen nur begrenzt möglich. „Um voneinander zu lernen und die vom Bologna-­Prozess angeregte Durchlässigkeit zwischen akademischer und beruflicher Bildung zu fördern, sahen wir Handlungsbedarf für eine Anrechnungsdatenbank“, erklärt Schmitt heute. 2014 beantragte der HAW­-Verein deren Aufbau. Für Baden-­Württemberg wird die Datenbank jetzt realisiert und vom Wissenschaftsministerium, dem Arbeitgeberverband Südwestmetall und dem Industrie­ und Handelskammertag des Landes mit 300.000 Euro gefördert.

Schmitt leitet ein Team an der Hochschule Aalen, das den Aufbau der Datenbank betreut. Sie soll Systematik und Transparenz von Anrechnungsverfahren schaffen, jedoch keine Standardisierung verordnen. „Auch künftig können die Verantwortlichen eines Studiengangs selbst entscheiden, wie sie im Rahmen des Landeshochschulgesetzes berufliche Leistungen auf ein Studium anrechnen“, betont Schmitt. Die Datenbank soll vor allem Professoren und Studienberatern Orientierung bieten, Anrechnungsverfahren aufzeigen, den Informationsaustausch zwischen den Hochschulen fördern und helfen, Prozesse zu optimieren.

"Leistungen von Studienbewerbern werden anonymisiert in der Datenbank erfasst."

„Hochschulen können einsehen, ob und wie erworbene außerhochschulische, aber auch hochschulische Leistungen von Studienbewerbern auf welche Studienleistung in welcher Prüfungsordnung angerechnet oder warum sie abgelehnt wurden“, erläutert Schmitt. Diese Angaben finden sich anonymisiert in der Datenbank. „Jetzt in der Startphase fragen wir aus Aalen als Geschäftsstelle die Daten bei den Hochschulen ab und tragen sie ein.“ Später werden Hochschulmitarbeiter im Umgang mit der Datenbank geschult, um sie eigenständig nutzen zu können.

Studienbewerber könnten von einer zielsicheren Beratung und schnelleren Entscheidungen profitieren. Für sie wird eine Webseite erstellt, auf der Angaben aus der Datenbank zu Anrechnungsverfahren aller 24 Hochschulen zu finden sind. Das macht Sinn, da es keine einheitlichen Kriterien für Studiengänge zur Anrechnung beruflicher Qualifikationen gibt. „Wenn Umfang und Inhalt einer im Beruf erworbenen Kompetenz zu 75 Prozent oder mehr mit dem Umfang und den Themen einer Lehrveranstaltung übereinstimmen, wird in der Regel angerechnet und den Bewerbern werden Leistungspunkte gutgeschrieben“, beschreibt Schmitt die Praxis in Deutschland.

An der Hochschule Aalen gibt es den Studiengang „Mechatronik Kompakt durch Anerkennung“. Im pauschalen Anrechnungsverfahren werden dessen Modulbeschreibungen mit der Rahmenlehrordnung von Ausbildungsberufen auf Schnittmengen abgeglichen. Für Techniker der Fachrichtungen Mechatronik und Maschinentechnik verkürzt sich das Studium um zwei Semester.

Andere Hochschulen haben ebenfalls pauschale Verfahren entwickelt. „Damit sparen wir Zeit und Arbeit, auch wenn die Erstellung zunächst aufwendig war“, berichtet etwa Anett Wolf, die das Anrechnungsportal der Fachhochschule Brandenburg betreut. Hier können sich Studienanfänger berufliche Kompetenzen auf Module des berufsbegleitenden Bachelorstudiengangs Betriebswirtschaftslehre anrechnen lassen. Lernfelder von Industriekaufleuten, die ihre Prüfung bei der Industrie­ und Handelskammer abgelegt haben, können pauschal auf Module angerechnet werden. Für diese Studienanfänger ist die Anrechnung laut Wolf sowohl ein Argument für das Studium als auch eine Anerkennung für bereits Geleistetes.

Zahlen und Fakten

Zahlen und Fakten

Nach Angaben des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) waren im Wintersemester 2011/12 81.300 deutsche Studienanfänger mit abgeschlossener beruflicher Ausbildung registriert, das macht elf Prozent an Universitäten und 40 Prozent an Fachhochschulen aus. Zusammen stellen die 81.300 einen Anteil von 22 Prozent an allen Erstsemester-Studierenden.

Richtlinien der Politik

Richtlinien der Politik

Die Kultusminister der Länder befassen sich seit mehr als einem Jahrzehnt mit der Anerkennung beruflicher Kompetenzen auf ein Studium. Eine Auswahl der Empfehlungen

Grundsatzbeschluss
Angestoßen von der im Zuge des Bologna-­Prozesses geforderten Öffnung von Hochschulen für alle geeigneten Bewerber, eröffnet die Kultusministerkonferenz im Sommer 2002 mit einem Grundsatzbeschluss Hochschulen die Möglichkeit, berufliche Qualifikationen und Kompetenzen als Studienleistungen anzuerkennen. Der Beschluss ist eine unverbindliche Empfehlung.

Konkretisierung
Im Jahr 2008 konkretisieren und erweitern die Kultusminister der Länder ihre Empfehlung aus dem Jahr 2002. Sie tun dies mit dem erklärten Ziel, die Studiendauer derjenigen zu verkürzen, die berufliche Kompetenzen mitbringen. Mit den Empfehlungen verbinden die Kultusminister auch die Mahnung, die Qualität der akademischen Ausbildung zu sichern.

Erweiterung
Im März 2009 fasst die Kultusministerkonferenz einen weiteren Öffnungsbeschluss: Sie verabschiedet Rahmenregeln, die die Zulassung von beruflich Qualifizierten ohne Abitur zum Studium erlauben. Fünf Jahr später hält die Kultusministerkonferenz diesen Beschluss nach und legt dar, inwieweit er von den Ländern umgesetzt wurde. Diese sogenannte Synopse ist öffentlich im Internet abrufbar.

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