Wie kann ich Forschungsvorhaben in meinen Arbeitsalltag integrieren?
Die Arbeit als Juniorprofessorin der Soziologie macht mir Spaß, aber ich komme trotz hohem Arbeitseinsatz kaum mehr zum Forschen oder Schreiben. Das belastet mich, da ich Forschung liebe und wissenschaftlicher Output natürlich auch für die Karriere unabdingbar ist. Was kann ich tun?
Dieser Artikel ist im DUZ Magazin für Wissenschaft und Gesellschaft in der Rubrik "Unter 4 Augen" erschienen und Teil der Online-Reihe "Ratgeber" auf DUZ Wissenschaftskarriere.
Coach Edda Wilde antwortet:
Ihre Frage ist so verständlich wie verbreitet. Immerhin stellen sich als Juniorprofessorin viele, zum Teil widersprüchliche Herausforderungen. Ihre neue Rolle verlangt von Ihnen nicht nur, dass Sie ein sichtbarer und hochschulpolitisch gestaltender Teil eines Instituts werden, auch Lehre und Betreuung sowie externe Anfragen unterschiedlicher Art werden quantitativ mehr. Nicht leicht ist auch die Doppelrolle, gleichzeitig Professorin zu sein und doch jemand, die sich noch im System beweisen muss, um im günstigsten Fall verstetigt zu werden.
Auch wenn es hart ist: Erst einmal gilt es, sich von dem Gedanken zu verabschieden, dass Sie irgendwann wieder mehr Zeit zum Forschen haben werden. Das ist mit wenigen Ausnahmen – wie bei Forschungsfreisemestern – in der Regel nicht der Fall. Umso wichtiger ist es, die Forschung wieder in Ihren Alltag zu integrieren. Das übliche Vorgehen, semesterfreie Zeiten dafür verstärkt zu nutzen, ist sinnvoll. Richtig gut klappt dies jedoch erst, wenn Sie sich zum Forschen beziehungsweise Schreiben auch im Semester – am besten vier bis fünf Tage die Woche – Freiräume schaffen.
Wie aber geht das konkret? Eine einfache wie wirksame Regel im Zeitmanagement lautet: Beginne den Tag mit der wichtigsten Tätigkeit. Als Wissenschaftlerin dürfen Sie das Forschen getrost als diese wichtigste Aufgabe definieren. Wenn irgend möglich reservieren Sie sich morgens Ihre ersten 60 bis 90 Arbeitsminuten für das Forschen und blocken Sie diesen Termin im Kalender. Planen Sie schon am Ende des Vortages, wie Sie diese Zeit (und den Tag gesamt) konkret nutzen wollen, um sofort konzentriert starten zu können. Vermeiden Sie im Umkehrschluss, den Tag mit unwichtigen Dingen wie E-Mails zu beginnen, die sich sonst unweigerlich ausbreiten und Sie schon zu Tagesbeginn gedanklich zerstreuen. Legen Sie Termine, Meetings und Lehrveranstaltungen auf Zeiten nach Ihrer goldenen Stunde. Ein konzentrierter Forschungsblock am Morgen in Semesterzeiten (und zwei bis drei Blöcke in semesterfreien) wird Ihnen viel Forschungsfreiheit zurückbringen.
Um dies zu schaffen, sollten Sie gut planen und priorisieren. Einer der Gründe, warum die Forschung zu kurz kommt, ist das Fehlen klarer, messbarer Ziele im Arbeitsalltag. Häufig arbeiten Menschen in Stress schlichtweg das ab, was ansteht, und haben dann das Gefühl, gearbeitet zu werden statt ihre Arbeit selbst zu gestalten. Setzen Sie sich Dreimonats-, Halbjahres- und Jahresziele: Überlegen Sie, was Sie wissenschaftlich in einem definierten Zeitraum erreicht haben wollen. Wieviele und welche Art von Publikationen in welchem Umfang sind pro Jahr nötig, damit Sie mit sich zufrieden sind und es Ihrer Karriere zuträglich ist? Welche Ihrer Tätigkeiten können und wollen Sie einschränken, da sie weniger Freude bringen oder karrieretechnisch aktuell nicht so wichtig sind? Setzen Sie Schwerpunkte in einzelnen (Halb-) Jahren, damit Sie nicht das Gefühl haben, immer alles gleichzeitig tun zu müssen. Und sagen Sie demgemäß – auch wenn es teils schwerfallen mag – nur Dinge zu, die für Ihre gesteckten Ziele sinnvoll sind.
Literatur:
Riedenauer, M. / A. Tschirf (2018): Zeitmanagement und Selbstorganisation in der Wissenschaft. Ein selbstbestimmtes Leben in Balance. Stuttgart: UTB
EDDA WILDE ist freiberufliche Coachin, Teamentwicklerin und Trainerin in Berlin. Ihre Schwerpunkte sind Führung und Karriere. Sie ist Mitglied im Coachingnetz Wissenschaft, das Partner der DUZ ist.
DUZ Magazin 01/2021 vom 22.01.2021