Als Gleichstellungsbeauftragte zwischen den Fronten
Ich bin dezentrale Gleichstellungsbeauftragte in Berufungsverfahren. Einige meiner Postdoc-Kolleginnen kritisieren, dass ich mich zu wenig für Wissenschaftlerinnen einsetze. Konfrontative Debatten fallen mir schwer. Soll ich vom Amt zurückzutreten? Das fühlt sich aber wie ein Scheitern an
Dieser Artikel ist im DUZ Magazin für Wissenschaft und Gesellschaft in der Rubrik "Unter 4 Augen" erschienen und Teil der Online-Reihe "Ratgeber" auf DUZ Wissenschaftskarriere.
Coach Franziska Jantzen antwortet:
Ihre Überlegungen kann ich gut nachvollziehen. Zur Rolle der Gleichstellungsbeauftragten gehört es ja bisweilen, eine Perspektive einzunehmen, die für die anderen Kommissionsmitglieder unbequem ist oder gar deren Auswahl infrage stellt. Mächtige Menschen mögen das selten gerne. Mitunter können solche Diskussionen auch konstruktiv sein, aber es ist per se kein konfliktfreies Amt. Wenn Sie aus der Sicht der anderen Ärger machen, wird das oft auch auf Sie als Person projiziert und nicht erkannt, dass es Teil Ihrer Rolle ist. Das macht nicht immer Spaß und manchmal wirkt es auch nachteilig auf die eigene Karriere. Und Sie sind grade in einer Zwickmühle: Wenn Sie so weitermachen wie bisher, werden die Kolleginnen Sie vermutlich weiter kritisieren. Falls Sie aber Ihre Strategie in der Kommission ändern, wird es dort mehr Wind von vorne geben. Schließlich gibt es noch Ihren inneren Konflikt, ob Sie das Amt abgeben oder weitermachen.
Es gibt verschiedene Wege aus diesem Dilemma: Sie könnten ein Team von Verbündeten suchen, das Ihnen zur Seite steht. An manchen Unis gibt es auf Fakultätsebene Kollektive von Gleichstellungsbeauftragten, die sich gegenseitig beraten. Alternativ könnte es auch eine Gruppe anderer Postdocs oder Professorinnen sein. Es ist viel leichter, eine Gegenposition einzunehmen, einen alternativen Vorschlag zu vertreten, wenn ich weiß, andere stehen hinter mir. Die Gruppe könnte auch eine regelmäßige Supervision organisieren, um die Arbeit als Gleichstellungsbeauftragte zu reflektieren und schwierige Situationen intensiv vorzubereiten. Hochschulen finanzieren so etwas häufig, denn Ihre Arbeit ist für deren Ziel, mehr Professorinnen zu berufen, essenziell. Für Sie könnte die Kommissionsarbeit so eine Art Trainingslager zur professionellen Weiterentwicklung werden. Denn wenn Sie hier – mit Unterstützung – lernen, eigene Interessen zu vertreten, mutiger und konfliktfähiger werden, wird Ihnen das beruflich auch ansonsten helfen.
Genauso gut können Sie sich aber entscheiden, das Amt zur nächsten Wahlperiode niederzulegen. Damit würden Sie einer Ihrer Kolleginnen, die ja deutlich äußern, wie es besser laufen kann, ermöglichen, in die Rolle zu schlüpfen und eigene Erfahrungen zu sammeln. Es lässt sich leicht von außen kritisieren, wenn man selbst nicht diejenige ist, die grade den Gegenwind abbekommt. Sie könnten sich dann zurücklehnen und in Ruhe anschauen, was anderen gelingt oder auch nicht. Es wäre ganz gewiss kein Scheitern, wenn Sie feststellen, dass Ihnen diese Art der Arbeit nicht so gut liegt und Sie einfach nicht gerne die Rolle des institutionell etablierten Opposers einnehmen. Es ist völlig in Ordnung etwas auszuprobieren und dann festzustellen, dass es nicht der eigene Weg ist. Hilfreich ist dann zu überlegen, wo genau Ihre Kernkompetenzen liegen und sie einzusetzen. Vielleicht liegt es Ihnen als harmoniebedürftiger Mensch eher, wenn Sie etwa als Mentorin Jüngere unterstützen.
Wie auch immer Sie sich entscheiden, Sie können gar nichts falsch machen, denn das Wichtigste für Sie ist grade, einfach einen Schritt weiterzugehen.
FRANZISKA JANTZEN aus Hannover arbeitet seit 2001 als Coach, Trainerin und Beraterin im Wissenschaftsbereich. Sie ist Vorstandsmitglied des Coachingnetz Wissenschaft, das Partner der DUZ ist.
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DUZ Magazin 12/2020 vom 18.12.2020