// Editorial: Osteuropa //
„Um klar zu sehen, genügt oft ein Wechsel der Blickrichtung“, sagte einst Antoine de Saint-Exupéry, der Schöpfer des „Kleinen Prinzen“. ..
... Wie kaum einem anderen gelang es ihm – dem begnadeten Schriftsteller und passionierten Flieger – die Herzen der Menschen zu öffnen und zugleich ihren Horizont zu erweitern.
Was das alles mit unserem originären Betätigungsfeld, der Beschäftigung mit den Entwicklungen in Hochschule und Wissenschaft, zu tun hat? Dazu fallen mir gleich mehrere Themen ein, die wir in der aktuell vorliegenden Ausgabe unseres Magazins für Sie aufbereitet haben: Starten wir mit unserer Schwerpunktstrecke (ab Seite 18), die den Auftakt zu einer Serie über die „EU 13“ bildet. Unter diesem Kürzel werden rein technisch betrachtet vor allem die osteuropäischen Staaten zusammengefasst, die zuletzt in die Europäische Union eingetreten sind. Doch eigentlich hat das Kürzel einen negativen Beigeschmack: Nicht selten steht es für die „Abgehängten“, die unseren Fortschritt und Wohlstand beeinträchtigen; für diejenigen, die uns Westeuropäern ständig Ärger bereiten und die nicht so richtig bei unserem schönen Europa-Projekt mitziehen wollen.
In der Tat ist es so, dass es auch im Bereich der Wissenschaft ein Europa der zwei Geschwindigkeiten gibt und dass auch 30 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges die Systeme sich noch immer nicht wirklich angenähert haben, geschweige denn zusammengewachsen sind. All dies macht sich nicht nur im zähen Ringen um die Prioritätensetzung bei der EU-Forschungsförderung und in den damit zusammenhängenden Streitereien bei der Festsetzung der Haushaltsmittel bemerkbar. Es zeigt sich auch darin, dass der Europäische Forschungsraum nicht so richtig von der Stelle kommt. Und – was fast noch gravierender ist: Wer sich mit Vertretern der beiden Seiten unterhält, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier in den letzten Jahren viel Porzellan zerschlagen wurde. Statt gegenseitiger Wertschätzung überwiegen Frust, Misstrauen und teils auch Missachtung. So habe ich schon des Öfteren von deutschen Wissenschaftsvertretern vernommen, dass sie nur ungern Projekte mit EU-13-Hochschulen machen, da sie befürchten, dass das ihr Niveau „runterzieht“. Eine arrogante Haltung, die dazu führt, dass sich Wissenschaftler und Forschungsmanager der betreffenden Länder zurückziehen. Das aber können wir Europäer uns einfach nicht erlauben. Wie stark wir sind, wenn wir zusammenhalten, zeigen die jüngsten Erfolgsmeldungen um den Corona-Impfstoff und die von der EUKommission vorangetriebenen Verträge, die allen EU-Mitgliedern eine Grundversorgung damit sichern sollen. Ohne die EU wäre das undenkbar, es würden viele Menschen in Europa auf der Strecke bleiben. Mit unserer in dieser Ausgabe gestartete Serie wollen wir dazu beitragen, die Sicht auf unsere osteuropäischen Nachbarn zu verändern.
Apropos Perspektivwechsel: Den brauchen die deutschen Hochschulen auch dringend, wenn es um ihren Beitrag zu Sozialen Innovationen geht, wie das neue
DUZ Spotlight – Gute Praxis international zeigt (ab Seite 37). Und nicht zuletzt möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf unseren Beitrag über Verschwörungstheorien und die stetig wachsende Anzahl ihrer Anhänger lenken (ab Seite 34). Auch ihnen täte es gut, mal die Blickrichtung zu wechseln. //
DUZ Magazin 11/2020 vom 20.11.2020