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So geht es nicht mehr weiter

Zu viel Dünger, zu viel Pflanzenschutzmittel: Landwirtschaft muss sich ändern, sonst bleiben nicht nur Artenvielfalt und Klima auf der Strecke, sagt die Umweltwissenschaftlerin Jana Zscheischler. Sie engagiert sich für einen nachhaltigen Wandel. Das  Wuppertal Institut hat sie dafür ausgezeichnet

Vor Kurzem stand Jana Zscheischler am Ufer des Grünower Sees in Mecklenburg. An einem wunderschönen Ort, traumhaft gelegen. „Am liebsten wäre ich sofort ins Wasser gesprungen und hätte ein kühles Bad genommen“, sagt die promovierte Umweltwissenschaftlerin. Wenn da nicht dieses ernüchternde Warnschild aufgestellt gewesen wäre, das darauf hinwies, dass Baden an dieser Stelle wegen des hohen Blaualgenaufkommens gesundheitsgefährdend ist.

Eutrophierung nennt man es, wenn der Nährstoffgehalt eines Gewässers durch gelöste Nährstoffe wie Stickstoff oder Phosphor stark erhöht ist und es deshalb zu starkem Wasserpflanzenwachstum kommt. Die Ursache dafür ist fast immer von Menschen gemacht. „Im Fall des Grünower Sees gelangen Stickstoff und Phosphor durch einen zu hohen Düngemitteleintrag aus der intensiven Landwirtschaft auf den Flächen im Einzugsgebiet in den See“, erläutert Zscheischler, die das Gewässer nebst Schild gleich fotografiert hat. So ein Fall muss dokumentiert werden, da ist sie viel zu sehr Forscherin, als dass sie die Sache auf sich beruhen lassen könnte.

Ihr Engagement fiel auf

Nachhaltigkeit im Landmanagement, das beschäftigt die Forscherin sehr, in jedem Satz merkt man Jana Zscheischler den Enthusiasmus für das Thema an. Auf ihr Engagement wurde das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie aufmerksam, das als einer der führenden internationalen Think Tanks zum Thema Nachhaltigkeitsforschung und Gestaltung von Transformationsprozessen gilt. Es kürte die Forscherin zur diesjährigen Trägerin des Preises „Transformative Wissenschaft“. Sie fühlt sich durch die Auszeichnung hochgeehrt, sagt sie. 

Zscheischler ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin am  Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) im brandenburgischen Müncheberg tätig, Sie leitet dort die vom Bundesforschungsministerium (BMBF) geförderte Nachwuchsgruppe „BioKum“. Fünf Jahre wird das interdisziplinäre Team, zu dem als Co-Leiterin eine Agrarökonomin sowie Techniksoziologen und Geografen gehören, bioökonomische Strategien für eine nachhaltigere Landwirtschaft untersuchen. Dabei soll es darum gehen, alle Akteure, die dabei eine Rolle spielen, mit ins Boot zu holen und transdisziplinär zu arbeiten.

„Trotz Düngeverordnung sind  sehr viele landwirtschaftliche Flächen in Deutschland weiterhin durch viel zu hohe Nährstoffüberschüsse belastet“, sagt Zscheischler. Das gilt insbesondere für Regionen mit Massentierhaltung. „Die Tiere produzieren viel mehr Gülle, als die Landwirte anschließend auf ihren Feldern umweltgerecht als Dünger ausbringen können“, erklärt die Wissenschaftlerin.

Die Frage ist: Wohin damit? „Die Gülle-Überschüsse der Landwirte wirken sich negativ auf Gewässer, die  Biodiversität und natürlich, aufgrund der damit verbundenen Treibhausgasemissionen, auch auf das Klima aus“, sagt Zscheischler.

Das Problem muss also dringlichst gelöst und Konzepte müssen gefunden werden, die in ökologischer, soziologischer und auch ökonomischer Hinsicht sinnvoll sind. An  solchen Konzepten arbeiten  Zscheischler und ihr Team. Die Forscherinnen und Forscher nehmen sich dafür zwei Landkreise in Niedersachsen exemplarisch vor.

Mit Gülle Geld verdienen

Es gibt bereits verschiedene Ansätze, das Gülle-Problem unter agrarökonomischen Gesichtspunkten in produktive Bahnen zu lenken: etwa aus Gülle Recyclingdünger herzustellen, der auf Äckern, aber auch in Gärtnereien oder in Privatgärten zum Einsatz kommen könnte. Es gibt auch Versuche, Insekten auf  Gülle zu züchten, um sie anschließend als Tierfutter zu nutzen.  „Wenn die Landwirte mit Gülle Geld verdienen können, schwindet der Druck, ihren Viehbestand zu reduzieren oder sogar ganz aus der intensiven Tierhaltung auszusteigen – auch wenn das eigentlich langfristig wünschenswert wäre“, sagt Jana Zscheischler.

Parallel zu ihrem Job in Müncheberg arbeitet Zscheischler mit an dem Projekt „Digitale Daten als Gegenstand eines transdisziplinären Prozesses (DiDaT)“ des Potsdamer Instituts für transformative Nachhaltigkeit (IASS).

Sensoren erkennen Unkräuter

„In DiDat moderiere ich den transdisziplinären Prozess zu Fragen eines verantwortlichen Umgangs mit der Digitalisierung und digitalen Daten in der Landwirschaft“, sagt sie und fügt hinzu: „Ein hochspannendes Thema, weil es die Landwirtschaft enorm verändern wird. Mithilfe von Sensoren beispielsweise können landwirtschaftliche Maschinen automatisch Unkräuter auf dem Acker erkennen und ganz gezielt Pflanzenschutzmittel ausbringen.“ Auch den genauen Stickstoffbedarf von Pflanzen können Sensoren ermitteln, was eine exakte Dosierung von Dünger ermöglicht. Bislang werden Pflanzenschutzmittel und Dünger großflächig auf den Acker aufgetragen und damit oft überdosiert.

Ein weiterer Effekt der Digitalisierung: „Statt immer größere und schwerere Landmaschinen einzusetzen, könnten wir künftig mehr mit kleinen Feldrobotern arbeiten, die voll automatisiert und an den Standort angepasster arbeiten“, sagt Zscheischler. Aber natürlich habe die Digitalisierung auch Risiken: „Die Systeme werden immer komplexer und damit störungsanfälliger. Was, wenn Hacker das System manipulieren – zum Schaden von Landwirten, der Umwelt und letztlich der Ernährungssicherheit?“, fragt sich die Wissenschaftlerin.

Ziel ihrer Arbeit in diesem Projekt ist es deshalb, mit Vertretern aus Wissenschaft und Praxis – etwa Agrarsoziologen und -ökonomen, Bauernverbänden und Naturschützern – sowohl die Potenziale und Chancen, als auch die Risiken und unerwünschten Nebenwirkungen neuer Technologien und Innovationen abzuschätzen und zu beschreiben. Das sei ein langer, oft mühsamer Prozess.

Wandel braucht Kommunikation

Auch für die Kommunikation zwischen den verschiedenen Interessengruppen ist Jana Zscheischler gut aufgestellt: Sie studierte Kommunikationswissenschaften an der Technischen Universität (TU) Berlin. Für das Thema „nachhaltige Landnutzung“ begann sie sich während eines vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) geförderten Auslandsjahres in Nicaragua zu interessieren. „Wenn, dann richtig“, dachte sie und absolvierte anschließend ein Masterstudium in Umweltwissenschaften in Rostock. Es war aus heutiger Sicht eine sehr gute Entscheidung, sagt Jana Zscheischler. 

Oft bekomme sie von verschiedenen Seiten in Bezug auf ihre Projekte zu hören: „Und was ist nun das Ergebnis? Dann sage ich, dass es auf komplexe Fragestellungen häufig nicht die eine einfache Lösung gibt. Darauf Antworten zu finden, dauert seine Zeit.“ Transformative Nachhaltigkeitsforschung ist eben keine Raketenforschung, sondern will gesellschaftliche Prozesse in Gang bringen.

Mit dieser Beharrlichkeit und der Bereitschaft, notfalls Umwege zu gehen, möchte sie auch ihren Weg in der Wissenschaft weitergehen. Der Preis des Wuppertal Instituts ist mit 25 000 Euro dotiert. Dieses Geld werde auf jeden Fall in ihre Forschung fließen, sagt die Umweltwissenschaftlerin. //

Jana Zscheischler : LANDMANAGEMENT DER ZUKUNFT

DIE HERAUSFORDERUNG

Wie schafft man es, nachhaltig mit dem Land und den natürlichen Ressourcen umzugehen? Das ist eine sehr komplexe Frage. Um dafür Lösungen zu finden, ist es notwendig, dass unterschiedliche Disziplinen und gesellschaftliche Akteure transdisziplinär eng zusammenarbeiten. Wissenschaft kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten – aber sie kann es nicht allein.

MEIN BEITRAG

Ich engagiere mich dafür, Prozesse des gesellschaftlichen Wandels zu mehr Nachhaltigkeit in der Landnutzung besser zu verstehen, sie anzustoßen und aktiv zu gestalten. Auf diese Weise versuche ich, zu einer nachhaltigen Entwicklung produktiver, gerechter und multifunktionaler Agrarlandschaften beizutragen.

DROHENDE GEFAHREN

Uns darf der Mut nicht abhandenkommen. Wir neigen dazu, einfache und insbesondere technische Lösungen zu bevorzugen. Wir müssen aushalten, dass es anstrengend wird.

OFFENE FRAGEN

Wie gestalten wir erfolgreich Innovationsprozesse für eine nachhaltigere Landnutzung? Können die häufig auftretenden wirtschaftlichen Nachteile, die Nachhaltigkeitsinnovationen hervorbringen, langfristig durch kooperative Ansätze ausgeglichen werden?

MEIN NÄCHSTES PROJEKT

Beharrlich weiterforschen im Bereich Transformative Nachhaltigkeit. Es gibt noch viel zu tun.

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