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Scham und Peinlichkeit

Ich bin keine sehr selbstbewusste Person. Trotzdem sage ich oft spontan, was ich fachlich denke. Manchmal erweist sich das aber als Unsinn – was mir äußerst peinlich ist. Sollte ich weniger sagen oder nur sprechen, wenn ich mir ganz sicher bin, fragt eine Nachwuchswissenschaftlerin.

Dieser Artikel ist im DUZ Magazin für Wissenschaft und Gesellschaft in der Rubrik "Unter 4 Augen" erschienen und Teil der Online-Reihe "Ratgeber" auf DUZ Wissenschaftskarriere.

Coach Boris Schmidt antwortet:
Das Gefühl, um das es sich hier zu drehen scheint, ist Scham. Häufig verbunden mit Erröten, Anspannung, abwertenden Ideen („Was die anderen bloß über mich denken ...“), Fluchttendenzen („Schnell weg hier!“) und allerlei weiteren Phänomenen. Die Natur hat uns reich ausgestattet, um Scham zu erleben. Denn Scham ist eine unerlässliche Fähigkeit. Sie dient dazu, soziale Regeln zu erlernen und einzuhalten – zum Beispiel, keinen „Unsinn“ zu verbreiten.

Dennoch ist Scham äußerst unangenehm. Die meisten Menschen versuchen, sie zu umgehen. Etwa, indem sie peinliche Situationen von vornherein vermeiden („Am besten, ich sage gar nichts mehr.“), entstandene Peinlichkeiten bagatellisieren („Ach, das war doch nicht wichtig!“) oder überkompensieren („Ich erzähle ganz viel, dann merkt niemand, was für ein Quatsch dabei ist.“). All dies ist in bestimmten Situationen geeignet. In Ihrem Fall könnte es jedoch sein, dass Sie allzu selbstkritisch sind und sich daher viel öfter und viel stärker als nötig schämen.

Wie wäre es mit diesen Ideen:

  • Untersuchen Sie das Phänomen genauer: Führen Sie eine Zeit lang (diskret) Protokoll über Ihre Beiträge: Welcher Anteil ist „brauchbar“, welcher „unsinnig“? Geben Sie vor den Meetings eine Prognose ab („heute circa 30 Prozent Unsinn“) und/oder wählen Sie zwei andere Gruppenmitglieder, über deren Beiträge Sie ebenfalls Protokoll führen. Werden Ihre Beiträge anders behandelt als die der anderen?
  • Versuchen Sie, Ihre Scham zu verstehen: Was genau ist das Peinliche für Sie? Ist es, was die anderen über Sie denken könnten? Oder dass Sie „Unfertiges“ zur Diskussion stellen? Versuchen Sie, Feedback zu bekommen, wie man Sie und Ihre Beiträge fachlich einschätzt und auch darüber, ob es vielleicht ganz normal und wissenschaftstypisch ist, wenn spontane Ideen kritisch diskutiert werden.
  • Machen Sie aus der Angelegenheit ein wissenschaftliches Experiment: Variieren Sie für eine Zeit lang systematisch, unter welchen Bedingungen Sie eine Idee äußern, etwa „nur, wenn ich mir ganz sicher bin“ versus „absichtlich auch dann, wenn ich mir unsicher bin“. Untersuchen Sie die Effekte.
  • Päppeln Sie Ihr Selbstbewusstsein auf: Auch ein nicht so großes Selbstbewusstsein lässt sich pflegen, stärken und entwickeln. Überlegen Sie, was an Ihnen und an Ihrer fachlichen Arbeit gut ist und in welchen Bereichen Sie sich sicher fühlen. Holen Sie sich positives Feedback von vertrauten Personen. Und stellen Sie sich die Frage, warum Sie „okay“ sind und bleiben, auch wenn Sie mal Unsinn erzählen.

Seien Sie sich gewiss: Alle, wie sie in Ihren Meetings am Tisch oder am Computer sitzen, erleben manchmal Scham und Peinlichkeit. Sie sind in bester Gesellschaft. Finden Sie Ihren Weg, mit diesen Gefühlen umzugehen. Mit – nicht ohne. Sie gehören dazu.

DR. BORIS SCHMIDT ist Wirtschaftswissenschaftler, Psychologe und Verhaltenstherapeut und arbeitet seit 2001 als Coach, Trainer und Mediator für und mit Menschen in Hochschule, Wissenschaft sowie im Non-Profit-Bereich, seit 2012 in Berlin. Er ist Mitglied im Coachingnetz Wissenschaft. Das Netzwerk ist Partner der DUZ.
www.thema31.de 
www.gekonnt-scheitern.de
www.coachingnetz-wissenschaft.de/

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