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Promotion neu denken

Die Einführung eines Systems für die universitätsweite Promovierendenerfassung bietet Hochschulen Potenzial für die eigene Organisationsentwicklung und Profilbildung. Das Beispiel der Universität zu Köln zeigt, wie es gehen kann.

Mit der Novellierung des Hochschulstatistikgesetzes im Jahr 2016 wurde die Einführung einer Promovierendenstatistik beschlossen, für die jährlich umfassende Daten von den promotionsberechtigten Institutionen erhoben werden. Die Erhebung der Daten und die naheliegende Einführung eines universitätsweiten Systems für die Promovierendenerfassung hat Hochschulen vor neue Herausforderungen gestellt und gleichzeitig neue Möglichkeiten eröffnet.

Das Recht, Promotionen durchzuführen, ist fest in den Fakultäten verankert. Für die einzelnen Fakultäten bedeutet die Implementierung eines fakultätsübergreifenden Erfassungssystems daher nicht nur die Gefahr eines zentralen Eingriffs in ihr Promotionsrecht. Es erfordert zugleich eine große Veränderungsleistung und -bereitschaft, da ihre individuelle Promotionskultur davon direkt berührt werden könnte. Skepsis innerhalb der Institution entsteht in Sorge um den Verlust der eigenen Promotionsidentität, um zusätzliche Arbeitsbelastung, zum Beispiel durch die Datenerhebung für die Promovierendenstatistik, sowie um zunächst noch unklare Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen.

Wenige Hochschulen scheinen bislang das Potenzial zu nutzen, das die Einführung einer universitätsweiten Promovierendenerfassung für die Weiterentwicklung des eigenen Organisations- und Verwaltungshandelns mit sich bringen kann. An der Universität zu Köln ist es gelungen, den Schwerpunkt des Projektes in den vergangenen zwei Jahren zunehmend auf die Organisationsentwicklung zu verlagern.

Die Erhebung der Promovierendenstatistik stellt dabei nur ein Teilprojekt in einem großen Veränderungsprojekt der Universität zu Köln dar. Damit nutzt sie die gesetzliche Berichtspflicht als Anstoß, um die Prozesse, in die eine Promotion eingebettet ist, neu zu denken. Im Fokus stehen die strategische Digitalisierung und Profilbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses und zugleich die zentrale Frage, was eine Promotion an der Universität zu Köln ausmacht.

Kommunikation und Prozess managen

Unter der Leitung des Prorektors für Akademische Karriere und Chancengerechtigkeit arbeiten Vertreterinnen und Vertreter aus den Fakultäten und der zentralen Verwaltung in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe zusammen. Koordiniert wird das Projekt im Albertus Magnus Center for Early Career Researchers (AMC) der Universität zu Köln, das in der Abteilung Personalentwicklung Wissenschaft angesiedelt ist.

Die enge Anbindung des Projektes an das Prorektorat und an die Abteilung Organisationsentwicklung ist ein maßgeblicher Garant für den Projekterfolg. Für eine erfolgreiche Projektsteuerung sind der Aufbau von tragfähigen Kommunikationsstrukturen und zielgruppenspezifische Kommunikation zentral. Eine zweite Säule stellt ein professionelles Prozessmanagement dar. Das Projektteam bildet die Schnittstelle zwischen den Fakultäten, dem Rektorat und der Zentralverwaltung und ist Ansprechpartner für inhaltliche, kommunikative, technische, administrative und rechtliche Fragestellungen und Arbeitspakete. Das Kernprojektteam umfasst fünf Mitarbeitende.

Fünf Schwerpunktziele

Die Zielsetzung für die Einführung der Softwareanwendung Docfile umfasst fünf Schwerpunktbereiche:

  • Die Vereinfachung von Verwaltungsprozessen für Promotionsinteressierte und Promovierende durch die elektronische Antragstellung für die Zulassung als Doktorandin oder Doktorand und Zulassung zur Promotion sowie die elektronische Administration von laufenden/abgeschlossenen Promotionsvorhaben für Akteure in den Fakultäten und der Zentralverwaltung.
  • Die Schaffung eines zentralen Kommunikationsmittels, welches alle Akteurinnen und Akteure, die die Qualifizierungszeit mitgestalten, miteinander verbindet. Docfile bietet die Möglichkeit zur zielgruppengerechten Bereitstellung von Qualifizierungsangeboten, die die Promovierenden insbesondere in den „transition phases“ bei der Profilbildung und Karriereentwicklung unterstützen.
  • Die Erfüllung gesetzlicher Berichtspflichten und Aufbau eines strategischen Berichtswesens für den wissenschaftlichen Nachwuchs, das neben der Erhebung der Promovierendenstatistik auch die Auswertung von qualitätsgesicherten Daten ermöglicht. Auf dieser Basis können unter anderem Maßnahmen zur Unterstützung des wissenschaftlichen Nachwuchses entwickelt werden.
  • Die langfristige Umstellung auf digitalisierte Prozesse und Etablierung eines elektronischen Workflows. Das System soll langfristig als elektronische Akte für alle Dokumente den Promotionsprozess betreffend genutzt werden.
  • Eine umfassende Organisationsentwicklung und Profilbildung von Promotionen aus den oben aufgeführten Schwerpunktbereichen. Durch eine professionelle Ist-Prozessanalyse und Soll-Prozessgestaltung können etablierte Prozesse analysiert, neu definiert und verändert werden. Neue (Kommunikations-)Strukturen und Arbeitsschritte können wiederum in die neuen Soll-Prozesse behutsam integriert werden. Die Organisationsentwicklung umfasst unter anderem die Definition von gemeinsamen Leitlinien, einer gemeinsamen fakultätsübergreifenden Nomenklatur, einer Harmonisierung von Prozessen (wo immer möglich) sowie die Abklärung von rechtlichen Rahmenbedingungen und Grundsatzfragen von Promotionen, zum Beispiel nach dem Ende der Promotion. Die erarbeiteten Ergebnisse können allen Fakultäten sowie den Koordinatorinnen und Koordinatoren von Graduierteneinrichtungen/-programmen gleichermaßen zur Verfügung gestellt werden. Mit der Professionalisierung der Prozesse geht auch die weitere Professionalisierung von Mitarbeitenden in Promotionsbüros und Graduierteneinrichtungen einher.

Schlüsselfaktor Prozessmanagement

In Köln wurden alle Promotionsprozesse im gemeinsamen Diskurs mit den Fakultäten erhoben, analysiert und auf die elektronische Bearbeitung mit Docfile ausgerichtet. Die Abteilung Organisationsentwicklung unterstützt das Projektteam durch ein professionelles Prozessmanagement und -analyse, um die Bedürfnisse der Fakultäten in Docfile technisch optimiert abzubilden und behutsam neue Soll-Prozesse gemeinsam mit den Fakultäten zu modellieren.

Die Erhebung der administrativen Ist-Prozesse erfolgte gemeinsam mit den Fakultäten. Dadurch konnten alle Abläufe visualisiert und allen Fakultäten erstmals zum Vergleich zugänglich gemacht werden, um auf dieser Basis Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu identifizieren. Auffällig waren hierbei unter anderem die unterschiedliche Nomenklatur sowie die Länge von (Bearbeitungs-)Fristen. Identifizierte Best-Practice-Beispiele der Promotionsadministration wurden den Fakultäten im Nachgang vorgestellt. In drei Folgeterminen wurde gemeinsam mit den Fakultäten jeweils ein neuer Soll-Prozess entwickelt, der die technische Unterstützung durch Docfile und idealerweise die Best-Pratice-Beispiele mit integrieren konnte. Dabei sollte zu jeder Zeit das Beibehalten der spezifischen Promotionskultur weiter möglich sein. Der Wunsch nach einer gemeinsamen Nomenklatur sowie der Harmonisierung von Rahmenbedingungen, zum Beispiel die Diskussion um einen einheitlichen Zeitpunkt des Endes einer Promotion, wurde dabei aus den Fakultäten heraus angeregt und durch das Personaldezernat in der Zentralverwaltung mit unterstützt.

Die Prozessanalyse ermöglichte, alle Arbeitsschritte der Promotionsadministration grundlegend zu hinterfragen. So konnten unter anderem die rechtlichen Erfordernisse einzelner Schritte abgeklärt und gegebenenfalls eingespart werden. Dabei stellte sich beispielsweise die Frage nach der Notwendigkeit der Auslage einer Dissertation, der Erfordernis eines polizeilichen Führungszeugnisses bis hin zu der Frage, zu welchem Zeitpunkt die Promotionskommission zusammengesetzt werden muss. Die Einführung von Docfile schafft Rechtssicherheit, da für die Prozessanalyse alle Schritte der Promotionsadministration nochmals rechtlich geprüft und hinterfragt wurden.

Effekte des Prozessmanagements

Um Prozesse zu digitalisieren, wurde konsequent reflektiert und abgeklärt, ob Papierschriftstücke erforderlich sind oder ob eine elektronisch signierte Nachricht ausreichend sein könnte. Historisch gewachsene Vorgehensweisen, zum Beispiel die traditionelle Unterschrift einer Forschungsdekanin auf allen Schriftstücken, wurden überprüft – und konnten zur Entlastung aller Beteiligten eingestellt werden.

Die Datenerhebung und -prüfung für gesetzliche Berichtspflichten wurden in die Soll-Prozesse integriert, um von Beginn an valide Daten zu erheben.

Ein automatisiertes Nachrichten-, Aufgaben- und Fristenmanagement wird zukünftig weitere Prozessschritte automatisieren und zugleich die Serviceleistung für Promovierende, Professorinnen und Professoren sowie Verwaltungsmitarbeitende erhöhen. Das gezielte Monitoring von zu erbringenden Leistungen wie die Erfüllung von Auflagen und die Abgabe von Betreuungsvereinbarungen kann zukünftig automatisiert erfolgen.

Mit der Implementierung von Docfile wird auch die Internationalisierung von Promotionsprozessen fortgeführt. Dokumente und Antragsformulare werden sukzessive als zweisprachige elektronische Dokumentenvorlagen mit Platzhaltern in Docfile hinterlegt, um aus dem System heraus generiert zu werden. Parallel dazu erfolgt die schrittweise englische Übersetzung von zentralen Dokumenten.

Die fakultätsübergreifende Harmonisierung von Formularen und Anträgen ist ein weiterer wichtiger Effekt, den die Prozesserhebung mit sich bringt. Dabei wurde der Wunsch nach Angleichung stets durch die Fakultäten ausgesprochen, während das Projektteam den kommunikativen Raum für den fakultätsübergreifenden operativen Austausch bereitstellt.

Fazit und Ausblick

Das Jahr 2020 steht im Zeichen des letzten Projektmeilensteins von „Docfile 1.0“: die Umstellung auf die entwickelten Soll-Prozesse in den Fakultäten sowie die sequenzielle Freischaltung der elektronischen Programmassistenten zur Antragstellung für die Zulassung als Doktorandin oder Doktorand sowie die Zulassung zur Promotion, die über das gesamte Jahr verteilt erfolgen wird.

Die Implementierung von Docfile verändert unsere Organisation: Promotionsprozesse haben sich harmonisiert, zugleich ihre individuelle Identität behalten. Fünf Fakultäten konnten sich auf eine gemeinsame Nomenklatur der Promotionsadministration verständigen. In der verantwortlichen Arbeitsgruppe, der Docfile-AG, wurde ein umfassender operativer Austausch zwischen den Fakultäten über das eigene Promotionswesen etabliert. Dabei konnten wir unser eigenes Promotionswesen reflektieren und untereinander von Best-Practice-Beispielen unserer Fakultäten lernen.

Tragfähige Kommunikationsstrukturen und Entscheidungswege wurden definiert, um gemeinsam operativ zu handeln und strategische Fragestellungen zu bearbeiten. In der AG aufgeworfene größere strategische Entscheidungen werden von hier in weitere Gremien der Fakultäten weitergegeben, insbesondere an das ­Leitungsgremium des Albertus Magnus Centers.

Organisationsentwicklung ist ein immerwährender Prozess. Neben der stetigen Weiterentwicklung von Docfile sind kommende Projektmeilensteine unter anderem der Ausbau von internen Schnittstellen zur Datensynchronisation sowie die technische Unterstützung strukturierter Promotionsprogramme. //

Das Projekt Docfile in Zahlen


1
System für 5 Fakultäten

5 Mitglieder des zentralen Projektteams

5 Jahre Projektlaufzeit (laufend)

7 Fakultätsgraduiertenschulen / Graduiertenschule für Lehrerinnen- und Lehrerbildung

14 Mitglieder der Docfile-AG

44 Graduierteneinrichtungen/-programme

400 Stunden Prozesserhebung, -analyse und -gestaltung

Aufbau neuer Kommunikationsstrukturen​


Julia Hodapp:
Kommunikation eines Organisationsentwicklungsprojektes – Die Implementierung einer Software zur Promovierendenerfassung und -verwaltung an der Universität zu Köln.

Weiterführende Informationen


An der Universität zu Köln

Docfile: www.portal.uni-koeln.de/docfile.html

Albertus Magnus Center: www.portal.uni-koeln.de/9541.html

Erfassung, Verarbeitung und Prüfung von Promovierendendaten. Ein Austausch zwischen der Universität zu Köln, dem Landesamt für Statistik (IT.NRW) und UniKoN

Nacherfassung von Promovierendendaten an der Universität zu Köln. Ein Praxisbeispiel aus der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät

Werkstattbericht der Universität zu Köln. Viertes UniKoN-Werkstattgespräch, Frankfurt am Main (2018): www.unikon.uniwind.org/veranstaltungen/werkstattgespraeche/werkstattgespraech-2018


Allgemein

Umfassende Literaturhinweise: UniKoN-UniWiND-Koordinierungsstelle Nachwuchsinformationen: www.unikon.uniwind.org/informationen/

Promovierendenerfassung. Leitfaden für einen einheitlichen Datensatz. UniWiND-Publikationsreihe, Band 7/2016: www.uniwind.org/fileadmin/user_upload/Publikationen/2016_UniWiND_Bd7.pdf

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