Blick in die Zukunft
Die richtigen Weichen stellen – Dr. André Lottmann schlägt vier Schritte für ein professionelleres Wissenschaftsmanagement vor
Wissenschaftsmanagement ist ein noch immer junges Phänomen. Es ist hochgradig verwoben mit dem Wandlungsprozess des deutschen Wissenschaftssystems, der spätestens vor etwa 20 Jahren einsetzte. Insbesondere die Hochschulen durchliefen um die Jahrtausendwende Veränderungen, die häufig unter dem allgemeinen Begriff „New Public Management“ firmieren (vergleiche etwa Kloke, S. 29–35; Lange/Schimank; de Boer/Enders/Schimank). Die entscheidenden Elemente, die hier im Folgenden darunter verstanden werden, sind:
- wachsende Handlungsautonomie der Hochschulen gegenüber dem Staat,
- größere Gestaltungsautonomie auf den Leitungsebenen der Hochschulen gegenüber traditionell kollegial und selbstorganisierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern,
- eine stärker wettbewerblich organisierte und projektbasierte Finanzierung der Hochschulen und
- eine zunehmende Ziel-, Leistungs- und Ergebnisorientierung, nicht nur bei der Einwerbung finanzieller Mittel, sondern im Hinblick auf das Erreichen wissenschaftlicher Reputation insgesamt.
Die stark an betriebswirtschaftliche Techniken und Paradigmen angelehnten Triebkräfte des New Public Management haben seither erheblich zur Umwandlung der Hochschulen beigetragen. Nicht grundlos stehen sie mittlerweile in einer Reihe mit ähnlich tief greifenden Neuordnungen in der Geschichte des deutschen Hochschulwesens wie der Herausbildung der modernen Universität nach dem Bildungsideal Wilhelm von Humboldts in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der verstärkten Orientierung an der Forschungsuniversität angloamerikanischer Ausprägung im Zusammenhang mit der Entstehung der außeruniversitären Großforschung zu Beginn des 20. Jahrhunderts oder der Expansion des Hochschulsektors mit der Herausbildung der Gruppenuniversität und der Entstehung von Fachhochschulen in den 1960er- und 1970er-Jahren (siehe Huber; Zechlin).
Erst mit dem New Public Management war überhaupt von Hochschulen als Organisationen die Rede, wohingegen sie zuvor noch als „organized anarchies“ (Cohen/March, S. 3), „loosely coupled systems“ (Weick, S. 1) oder zumindest als „Anomalie“ (Luhmann 1990, S. 678) unter den Organisationen charakterisiert wurden. Dennoch gehen selbst jüngere organisationssoziologische Studien selten soweit, dass sie die Hochschulen hinsichtlich ihres Organisationsgrades mit Unternehmen, Verwaltungen, Krankenhäusern, Kirchen oder Polizeibehörden gleichsetzen (vergleiche Tacke), sie also als „complete organizations“ (Brunsson/Sahlin-Andresson, S. 736) betrachten. Wenn stattdessen von „specific organization“ (Musselin), „organisierte[r] Institution“ (Luhmann 1992) oder „organizational actor“ (Krücken/Meier, S. 241) – um einige Schlagwörter zu nennen – die Rede ist, überwiegt die Vorstellung von den Hochschulen als Organisationen besonderen Typs (Kleimann, S. 1086–1088). Dies gilt im Übrigen auch noch für das (in Deutschland mit zeitlicher Verzögerung) viel und kontrovers diskutierte Extremmodell der „Entrepreneurial University“ nach Burton R. Clark, das trotz aller Tendenz zu einer Perfektionierung der Hochschule als unternehmensgleicher Organisation noch ein „academic heartland“ für die „traditional academic departments formed around disciplines“ kennt – ein Reservat also, das unternehmerisch allenfalls stimuliert, aber nie ganz organisiert und betriebswirtschaftlich durchdrungen werden kann.
Die Transformation durch das New Public Management betrifft zwar vorrangig, aber nicht allein die Hochschulen. Vergleichbare Entwicklungen lassen sich für die außeruniversitären Forschungsinstitute und mit Abstrichen auch für Einrichtungen der Wissenschaftspolitik (Ministerien, Behörden) oder der Wissenschaftsförderung (Förderagenturen, Projektträger, Stiftungen) konstatieren. Zum einen sind auch sie – teilweise zeitlich schon deutlich vor den Hochschulen – an Idealen des New Public Management ausgerichtet worden. Zum anderen entwickelte sich in einem von den Hochschulen essenziell geprägten Wissenschaftssystem ein nachträglicher Anpassungsdruck. Kurzum: Der Trend zur Organisationswerdung kann cum grano salis für alle Wissenschaftseinrichtungen festgestellt werden (Huber).
„Noch heute geht das Verständnis von Wissenschaftsmanagement häufig auseinander“
Ein wesentlicher Teil dieses Organisationswandels der letzten beiden Jahrzehnte betrifft auch das Berufsfeld des Wissenschaftsmanagements. Es ist Agens und Patiens dieser Entwicklung zugleich – Henne wie Ei des New Public Management. Dies gilt es im Folgenden genauer zu beleuchten, um auf dieser Grundlage sodann eine Prognose zu wagen, welche Entwicklungen für die Zukunft zu erwarten sind.
Status quo: Wissenschaftsmanagement als genuines Berufsfeld zwischen Verwaltung und Wissenschaft
Die dargelegten Entwicklungen – Autonomiezuwachs der einzelnen Einrichtung, mehr Wettbewerb zwischen den Einrichtungen, projektbasierte Finanzierungssysteme, stärkere Ziel-, Leistungs- und Ergebnisorientierung – waren nicht denkbar ohne entsprechendes Personal in den Wissenschaftseinrichtungen. In den Organisationen fand daher in den letzten zwei Jahrzehnten gleichzeitig ein „rise of the management profession“ (Krücken/Meier, S. 251–253) oder gar – insbesondere mit Blick auf die Hochschulen – eine „managerial revolution“ (Gugerli, S. 432) statt. Auch der Wissenschaftsrat konstatierte im Jahr 2014: „Durch die Zunahme von Drittmittelförderung und koordinierten interdisziplinären Projekten sowie durch die Zunahme des internationalen Wettbewerbs in Forschung und Lehre und der Relevanz von internationalen Kooperationen für den Erfolg in der Wissenschaft kommt Tätigkeiten im Bereich Wissenschaftsmanagement eine wachsende Bedeutung zu. Wissenschaftsspezifisches Managementwissen und eine Professionalisierung des Wissenschaftsmanagements sind wichtige Bausteine zur qualifizierten und effizienten Erfüllung dieser Aufgaben.“ (Wissenschaftsrat, S. 53)
Wissenschaftsmanagerinnen und -manager können und sollen hier folglich als diejenigen Berufstätigen in den Einrichtungen des Wissenschaftssystems verstanden werden, die an den wesentlichen Veränderungsprozessen der vergangenen beiden Jahrzehnte beteiligt waren, das heißt in ihrem individuellen Arbeitskontext an dieser Transformation mitgewirkt haben oder deren Arbeitsbereich zu allererst aus den Veränderungen hervorgegangen ist (siehe Krücken/Blümel/Kloke, S. 17–21; Nickel/Ziegele, S. 191–193).
Es geht also zum einen um Arbeitsgebiete, die infolge des New Public Management an Komplexität und Bedeutung gewonnen haben. Dazu gehören die Pflege internationaler (Kooperations-)Beziehungen, die Verwaltung und Betreuung von Studierenden, die Haushaltsführung, das allgemeine Personalwesen, die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit oder der Betrieb zentraler Informations- und Forschungsinfrastrukturen von Bibliotheken, Archiven und Sammlungen über Labore, Rechenzentren und Datenplattformen bis hin zu Großgeräten und Gebäuden. Hier existierten bereits vor dem New Public Management entsprechende Verwaltungsstrukturen. Allerdings führten insbesondere die Autonomiezuwächse und die stärkere Leistungsorientierung dazu, dass die Wissenschaftseinrichtungen in diesen Bereichen einen höheren Grad der Organisation anstrebten und dafür auch neues und entsprechend geschultes Fachpersonal benötigten. Die Folge war eine eher inkrementelle Weiterentwicklung der relevanten Verwaltungseinheiten.
Zum anderen entstanden Leistungsbereiche, die vorher nicht oder nur rudimentär in den Wissenschaftseinrichtungen existiert haben. Hier sind hervorzuheben: Strategie- und Organisationsentwicklung auf nahezu allen Leitungsebenen, Drittmittelmanagement und Controlling, Forschungs-, Finanz- und Personalmanagement in dezentralen Strukturen (etwa durch Fakultätsgeschäftsführerinnen) oder neuen Subeinheiten (etwa Koordinatoren von Sonderforschungsbereichen, Exzellenzclustern), Qualitätsmanagement und Leistungen in der quartären Bildung. Entsprechende Strukturen wurden in den Organisationen zu allererst geschaffen, nicht selten in Form von Stabs- und Projektstellen, die sich zu der Linienorganisation der klassischen Verwaltung komplementär oder gar disruptiv verhalten. Das Personal wurde entsprechend neu rekrutiert, dabei nicht selten unter Rückgriff auf Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger mit Hochschulabschluss (in Anlehnung an Balks/Hochmuth/Lottmann, S. 3f.).
Noch heute geht das Verständnis von Wissenschaftsmanagement entlang dieser Differenzierung häufig auseinander. Diejenigen, die stark auf die erste (eher inkrementelle) Gruppe fokussieren, neigen dazu, Wissenschaftsmanagement als professionalisierte Verwaltung zu betrachten. Es entsteht häufig der Eindruck vom Wissenschaftsmanagement als „bessere“ Verwaltung. Diejenigen, die auf die zweite (eher komplementäre bis disruptive) Gruppe blicken, verstehen das Wissenschaftsmanagement vor allem als Dienst an der Wissenschaft, für deren Ausübung das Personal selbst wissenschaftlich sozialisiert oder gar weiterhin zumindest teilweise akademisch tätig sein sollte. Hier wird vor allem der Eindruck von Wissenschaftsmanagement als wissenschaftsnahem Service genährt. Beide Sichtweisen greifen zu kurz und führen zu einer verengten Diskussion, bei der Verwaltung und Wissenschaft als mehr oder weniger unvereinbar gegeneinander ausgespielt werden. Zutreffender – besonders auch vor dem Hintergrund der hier gewählten historisch-diskursiven Herleitung aus dem New Public Management – ist hingegen die Definition von Wissenschaftsmanagement als neue „Überlappungsbereiche“ (Schneijderberg et al., S. 17) oder „Brücke zwischen Verwaltung und Wissenschaft“ (Banscherus et al., S. 126), die sich in „Gestaltungs- oder in Transfer- und Übersetzungsfunktionen“ (Balks et al., S. 3) wiederfindet.
Das „concept of third space as an emergent territory between academic and professional domains, which is colonised primarily by less bounded forms of professional“ (Whitchurch 2008, S. 377; Whitchurch 2013) kommt dieser Definition nah. Allerdings wurde die Third-Space-Theorie vor dem Hintergrund des angloamerikanischen Hochschulsektors formuliert und schließlich auch kritisiert, weil dort – in klarer Abgrenzung zu Deutschland – die Professionalisierung der „unbounded“ und „blended professionals“, allgemeiner auch „managerial professional[s]“ (Whitchurch 2008, S. 386; Whitchurch 2009, S. 407) oder „manager-academics“ (Deem/Brehony, S. 217), mit einer deutlich stärkeren Expansion und auch entsprechend kritischen Verwerfungen vonstattenging (Rhoades; Rhoades/Sporn).
Eine solche Verselbstständigung kann in Deutschland schon quantitativ nicht beobachtet werden. Schätzungen gehen davon aus, dass an den deutschen Hochschulen etwa 7500 bis 15 000 Beschäftigte, die formal dem wissenschaftlichen Personal (im Jahr 2014 insgesamt circa 236 000 Beschäftigte) zugeordnet sind, dem Wissenschaftsmanagement zugeschrieben werden sollten. Diese Größenordnung entspricht einem Anteil von fünf bis zehn Prozent der Beschäftigten in Verwaltung, Bibliotheken und Technik (im Jahr 2014 insgesamt circa 153 000 Beschäftigte) (Banscherus et al., S. 21–26). Zieht man einen solchen Anteil des Wissenschaftsmanagements, die formal der Verwaltung zugeordnet sind, annäherungsweise hinzu, kommt man auf eine Summe von 15 000 bis 30 000 Wissenschaftsmanagerinnen und -managern an deutschen Hochschulen. Mit vier bis acht Prozent des Gesamtpersonals an Hochschulen bleibt das Wissenschaftsmanagement somit eine zahlenmäßig kleine Gruppe. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die so identifizierten Stellen nicht, wie gelegentlich kolportiert wird, zum bestehenden Personaltableau an Hochschulen hinzugekommen sind. Insbesondere für die formal der Verwaltung zugeordneten Stellen des Wissenschaftsmanagements wurde gezeigt, dass „[i]m Unterschied zu Entwicklungen in anglo-amerikanischen oder skandinavischen Hochschulsystemen […] im deutschen System kein substanzieller Anstieg oder eine Expansion des nichtwissenschaftlichen Personals“ vorliegt, sondern diese Stellen vielmehr auf „qualitative Restrukturierungsprozesse“ zurückzuführen sind (Blümel/Kloke/Krücken, S. 114–116; Blümel/Kloke/Krücken/Netz, S. 160–166, S. 155). In Deutschland kann daher von einer Managerisierung oder Bürokratisierung durch das Wissenschaftsmanagement keine Rede sein (siehe Brembs/Brennicke; Meyer).
Dennoch sollte diese eher bescheidene quantitative Entwicklung nicht dazu verleiten, den qualitativen Einfluss zu unterschätzen. Das Wissenschaftsmanagement bedeutet auch in Deutschland einen „organisations-kulturelle[n] Bruch, dessen Verarbeitung einige Zeit beanspruchen wird und eine hohe Ambiguitätstoleranz bei allen Beteiligten erfordert“ (Nickel/Ziegele, S. 24), an dessen Ende – so soll hier hinzugefügt werden – das Wissenschaftsmanagement jedoch ein Berufsfeld darstellen wird, dessen genuines Merkmal gerade die professionelle Synthese von Verwaltung und Wissenschaft sein wird.
Diese Entwicklung des Wissenschaftsmanagements zu einem eigenen Berufsfeld mit originärer Verantwortung im Gesamtsystem ist absehbar. Nicht exakt abschätzbar ist jedoch, welche Aufgaben es in der Zukunft übernehmen wird, da diese hochgradig von den Anforderungen abhängen, die an die Wissenschaft insgesamt in den nächsten Jahren gestellt werden.
Neue Geschäftsfelder für das Wissenschaftsmanagement
Jeder Blick in die Zukunft ist von Unsicherheit geprägt. Er ist dies besonders, wenn er auf eine Domäne fällt, die wie die Wissenschaft in besonderer Art und Weise um ihre eigene Offenheit bemüht sein muss. Eingedenk dieses Vorbehalts soll im Folgenden versucht werden, einige der zumindest mittelfristig zu erwartenden Entwicklungen zu skizzieren und damit auch einen Ausblick auf mögliche Herausforderungen und neue Geschäftsfelder für das Wissenschaftsmanagement in den nächsten Jahren zu geben.
Wissens- und Technologietransfer – eine noch immer neue Mission
Hochschulen beziehen sich spätestens seit Wilhelm von Humboldt auf mindestens zwei gesamtgesellschaftliche Umwelten: über die Forschung auf das Wissenschaftssystem und über die Lehre auf das Bildungs- und Erziehungssystem. Dies ist der wesentliche – hier beinahe sträflich vernachlässigte – Unterschied gegenüber den außeruniversitären Forschungseinrichtungen und den Hochschulen. In den letzten Jahren und damit im Grunde noch mitten im Prozess der Organisationswerdung infolge des New Public Management sind allerdings weitere Funktionsbezüge hinzugekommen, die gern unter dem Begriff „Third Mission“ zusammengefasst werden (Hechler/Pasternack, S. 89–99). Darunter wird zumeist jede Art von Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Sphären außerhalb der akademischen Gemeinschaft (und also nicht über die in den Hochschulen stattfindende Lehre selbst) subsumiert (für weitere Definitionen und Konzepte siehe Roessler/Duong/Hachmeister, S. 5–16) – sei es in Form von Technologietransfer, Weiterbildung oder allgemeinem sozialen Engagement (Carríon García et al.). Diese „Dritte Mission“ hat bereits – wenn auch mit unterschiedlichen Akzentuierungen – ihren Niederschlag in den großen wissenschaftspolitischen Anreizsystemen gefunden: für die Hochschulen beispielsweise im Programm für „Innovative Hochschulen“, aber auch in der „Exzellenzstrategie“, für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen vor allem im „Pakt für Forschung und Innovation“. Dennoch entspricht die Realität des deutschen Wissenschaftssystems bei Weitem noch nicht den wissenschafts- und förderpolitischen Ansprüchen.
Es ist daher zu erwarten, dass in diesem Punkt die eigentlichen Veränderungen noch bevorstehen. Insbesondere der Wissens- und Technologietransfer mit kommerziellen Zielsetzungen dürfte in den kommenden Jahren noch erheblich an Bedeutung gewinnen und entsprechende Transferzentren dürften nicht länger nur an vereinzelten Wissenschaftsstandorten zur Realität gehören. Ein spezialisiertes Technologiemanagement wird sich folglich etablieren und ein breites Spektrum an Aufgaben übernehmen: von der allgemeinen Erfindungs- und Gründungsberatung, der Vermittlung von unternehmerischen Haltungen und Herangehensweisen sowie vom Screening nach Technologiepotenzialen über den juristischen Schutz geistigen Eigentums, die Begleitung und Finanzierung von konkreten Produkt- und Geschäftsideen sowie die Gestaltung von Kooperationen mit Unternehmen und Investoren einschließlich entsprechender Vergütungs- beziehungsweise Beteiligungsmodelle bis zum Management der konkreten Ausgründungen und Markteinführungen.
„Ein spezialisiertes Technologiemanagement wird sich etablieren und ein breites Spektrum an Aufgaben übernehmen“
Dabei werden mehr und mehr auch Fragen nach dem richtigen Verhältnis von wissenschaftlicher Erkenntnissuche und der wirtschaftlich-technologischen Verwertung von vorhandenem Wissen in den Vordergrund treten. Das bisherige Spektrum von Grundlagenforschung bis zu anwendungsorientierter Forschung wird sich weiter in Richtung Entwicklung und Kommerzialisierung aufspannen und möglicherweise die Debatte um eine vermeintliche „Ökonomisierung“ der Wissenschaft in Deutschland erst wirklich entfachen. Das Wissenschaftsmanagement wird im besten Fall auch hier eine Brückenfunktion übernehmen können. Eine nicht zu unterschätzende Aufgabe wird es dabei sein, die Diskussion um Public Private Partnerships sinnvoll zu revitalisieren und neue Modelle gelingender Wertschöpfungspartnerschaften zwischen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen sowie unter zusätzlicher Beteiligung gesellschaftlicher Akteure zu finden. Dafür wird es unerlässlich sein, dass auch das Personal des Wissenschaftsmanagements häufiger als bisher zwischen Hochschulen und öffentlichen Forschungseinrichtungen, privatwirtschaftlicher Forschung und Entwicklung sowie zivilgesellschaftlichen Institutionen wechselt.
Open Science – eine neue Dimension von Öffentlichkeit
Ein weiterer Trend betrifft die Öffnung der Wissenschaft in einem weit umfassenderen Sinn. Zwar genießt die Wissenschaft auf den ersten Blick ein ungebrochen großes Vertrauen in der breiten Bevölkerung (siehe Wissenschaft im Dialog, S. 15–20). Dennoch beruht diese Integrität – zumindest im Rahmen der Studien, die keinen Vertrauensverlust konstatieren – eher auf einer diffusen Zuschreibung von Expertise und nicht auf eigenen Erfahrungen oder einem genauen Verständnis für den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess. So werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach einer britischen Studie wahrgenommen als „poor communicators“ und als „secretive, even if they are broadly seen as honest individuals“ (Ipsos MORI, S. 41) – eine Charakterisierung, die vermutlich auf viele weitere nationale Wissenschaftssysteme, so auch das deutsche, übertragen werden kann.
"Qualitätsmanagement gewinnt im Hinblick auf die Öffnung der Wissenschaft gegenüber der Gesellschaft nochmals eine besondere Bedeutung"
Vor diesem Hintergrund wird es in Zukunft nicht mehr genügen, dass die Wissenschaftseinrichtungen ihre Ergebnisse häufiger und allgemein verständlicher kommunizieren, sondern neue Wege der Öffnung beschreiten, wie sie nunmehr häufig unter dem Begriff „Open Science“ diskutiert werden. Hierunter fallen beispielsweise alle Initiativen für eine allgemeine Zugänglichkeit von wissenschaftlichen Daten und Veröffentlichungen (Open Data, Open Source, Open Access), Formate für den gleichberechtigten Austausch zwischen Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Interessengruppen (Bürgerdialoge, Makerspaces) sowie Ansätze für die Beteiligung von nicht akademischen Akteuren und Laien an wissenschaftsinternen Prozessen (Open Review, Citizen Science, Crowdsourcing). Hier tut sich an vielen Hochschulen und Forschungsinstituten eine neue Dimension der Wissenschaftskommunikation auf, für die es vielfacher Managementunterstützung bedarf.
Qualitätsmanagement – die verborgene Herausforderung
Die Entwicklung um Open Science berührt empfindlich die in den letzten Jahren vermehrt beobachteten Phänomene wissenschaftlichen Fehlverhaltens. Hierzu zählen klare Betrugsfälle, die in den Medien breit thematisiert worden sind, insbesondere einige prominente Fälschungen von einzelnen Wissenschaftlern und Plagiate in Promotionsarbeiten bekannter Politikerinnen und Politiker. Darunter fallen aber auch weniger prominente Vergehen wie etwa die unsachgemäße Dokumentation bei Experimenten, die verzerrte Interpretation von Forschungsdaten oder eher wissenschaftsinterne Verstöße wie künstliche Autorschaften, unautorisierte Nutzungen von Ideen anderer oder die Mehrfachnutzung und -publikation derselben Ergebnisse (siehe Martinson et al.; Böhmer et al., S. 150). Diese fragwürdigen Praktiken liegen in einer Grauzone und sind dort schwer quantifizierbar. Dass sie jedoch als verbreitetes Phänomen eher unter- als überschätzt werden, zeigt sich dort, wo sie zu systematischen Qualitätsdefiziten führen. So wurde für die biomedizinische Forschung offengelegt, dass ein Großteil der publizierten Ergebnisse fragwürdig oder gar nutzlos ist (siehe Macleod et al.). Hier wie in anderen, wenn nicht gar allen wissenschaftlichen Fachbereichen genügt der übliche Verweis auf die wissenschaftliche Redlichkeit allein nicht aus. Vielmehr bedarf es gezielter und flächendeckender Maßnahmen zur Definition, Vermittlung, Einübung und Sicherung von Qualitätsstandards in der Forschung.
Gleichzeitig besteht die Kunst der Qualitätssicherung darin, dass sie innovative Forschungsansätze nicht verhindert, sondern begünstigt. Sie muss in eine Qualitätskultur eingebettet sein, die neuartige und im positiven Sinn risikoaffine Forschungsfragen, unkonventionelle Arbeitsmethoden und kreative Projektdesigns befördert und bei der Umsetzung zugleich hohe und transparente Standards verlangt und nachprüft. Dafür bedarf es neuer Rahmenbedingungen und hier insbesondere einer wissenschaftspolitischen Umsteuerung im noch immer weitgehend nachdem Publish-or-Perish-Prinzip funktionierenden wissenschaftlichen Reputationssystem insgesamt, aber auch eines couragierten, wissenschaftsaffinen Qualitätsmanagements in den Hochschulen und Forschungseinrichtungen vor Ort. Hier haben sich bisher allenfalls einzelne Modellversuche hervorgetan.
"Die Wissenschaft droht im Hinblick auf die Rekrutierung ihres dauerhaften wissenschaftlichen Personals ungewollt Ausdauer und Geduld und nicht etwa Leistung und Fähigkeiten zu belohnen"
Ein solches Qualitätsmanagement ist bereits für sich genommen eine große Herausforderung für die nahe Zukunft. Es gewinnt aber im Hinblick auf die bereits angesprochene Öffnung der Wissenschaft gegenüber der Gesellschaft nochmals eine besondere Bedeutung. Zum einen wird sich die Wissenschaft – will sie das weitgehend blinde Vertrauen der breiten Bevölkerung nicht aufs Spiel setzen – nur dann für neue Formen von Transparenz und Beteiligung einsetzen können, wo sie sich der Qualität ihrer eigenen Arbeit sicher sein kann. Zum anderen werden die einmal eingebundenen gesellschaftlichen Akteure ihrerseits die Wissenschaft unter Druck setzen, für verlässliche Qualitätsstandards zu sorgen. Open Science und Qualitätsmanagement sind somit zwei Seiten derselben Medaille.
Digitalisierung – selbstverständlich
Die Digitalisierung ist ein ubiquitäres Thema in nahezu allen sozioökonomischen Sphären des 21. Jahrhunderts. Es ist daher eine triviale Feststellung, dass sie auch das Wissenschaftssystem in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weiter prägen wird. Dem Wissenschaftsmanagement wird dabei nicht nur die Aufgabe zuteil, die Digitalisierung in den akademischen Kernbereichen von Forschung und Lehre voranzubringen – im Übrigen eine wesentliche Voraussetzung für die zuvor genannte Öffnung und Qualitätssicherung –, sondern auch die eigene Arbeit vermehrt auf Daten und digitale Technologien zu stützen. Das Spektrum reicht dabei von IT-basiertem Ressourcen- und Facilitymanagement, mit dem personelle, materielle und finanzielle Ressourcen in der Organisation zugeteilt und kontrolliert werden können (wie dies insbesondere im Bereich der Lehre in Form von Campus-Management-Systemen bereits vielfach an Hochschulen umgesetzt ist), über Informations- und Business-Intelligence-Systeme, mit denen die Abläufe und Leistungserbringungen in der Organisation abgebildet und ausgewertet werden können, bis hin zur Digitalisierung aller Geschäftsprozesse und Services in Verwaltung und Management (elektronische Bibliotheken, digitale Dokumentations-, Berichts- und Beschaffungssysteme, Projektmanagement-Software) (siehe Expertenkommission Forschung und Innovation; Gilch et al.).
Wie viele andere Bereiche steht auch das deutsche Wissenschaftssystem und mit ihm das Wissenschaftsmanagement noch am Anfang der digitalen Transformation. Dabei werden die Entwicklungsmöglichkeiten noch immer genauso unterschätzt wie der Ressourcenaufwand, der erst die Nutzung dieser Möglichkeiten erlaubt.
Personalmanagement – beinahe vergessen
Das Personalwesen ist insofern kein neues Gebiet an Wissenschaftseinrichtungen, als dass Hochschulen und Forschungsinstitute in ihrer langen Geschichte immer schon Beschäftigte gesucht, eingestellt und weiterqualifiziert haben. Allerdings sind die meisten Personalstrukturen und -maßnahmen an Wissenschaftseinrichtungen traditionell darauf geeicht, die Beschäftigten – insbesondere die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – für Arbeitsmärkte außerhalb der Wissenschaft zu qualifizieren. Dies mag zum Teil den Aufgaben eines öffentlich finanzierten Wissenschaftssystems und sogar den Wünschen einer signifikanten Anzahl an Beschäftigten, hierunter insbesondere die promovierenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, entsprechen (siehe Konsortium Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs, S. 180–201). In Kombination mit über mehrere Jahre eher unattraktiven Beschäftigungsbedingungen – befristete Arbeitsverhältnisse, kurze Vertragslaufzeiten, geringes Einkommen, unbezahlte Mehrarbeit – läuft jedoch eine solche Personalpolitik Gefahr, auch besonders geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von einer wissenschaftlichen Karriere abzuschrecken. Die Wissenschaft droht hier im Hinblick auf die Rekrutierung ihres dauerhaften wissenschaftlichen Personals, vor allem also die Berufung von Professorinnen und Professoren, ungewollt Ausdauer und Geduld und nicht etwa Leistungen und Fähigkeiten zu belohnen – und dies trotz eines doch vielerorts bemühten Exzellenzanspruchs.
Diesbezüglich findet heute ein erstes Umdenken statt. Zum einen gibt es eine jüngere wissenschaftspolitische Diskussion um bessere Beschäftigungsbedingungen in der Wissenschaft, die allerdings noch einseitig um die Frage angemessener Entfristungen kreist. Zum anderen gibt es Anzeichen, dass die Hochschulen und Forschungseinrichtungen auch ihre Personalmaßnahmen mehr am eigenen, wissenschaftlichen Arbeitsmarkt ausrichten (siehe Krempkow et al., S. 42–61). In der Praxis jedoch fehlt es noch an wesentlichen Elementen wie der strategischen Personalgewinnung (Scouting, Career Fairs, Executive Search), Möglichkeiten für soziale und monetäre Flexibilisierungen und Zusatzleistungen (flexiblere Vergütungen, Zulagen, Boni, Altersvorsorge), der gezielten Personalentwicklung (Fort- und Weiterbildungen, Trainee- und Führungskräfteprogramme) in Verbindung mit klar definierten Karrierewegen (Tenure Track, Outplacement), Employer Branding oder Retention Management. Kurzum: Im Bereich des Personalmanagements steht die Organisationswerdung der Wissenschaftseinrichtungen größtenteils noch aus. Das Personalmanagement wird sich – ernst genommen – zu einem weiteren, größeren Geschäftsfeld für das Wissenschaftsmanagement entwickeln.
Conclusio: Professionalisierung des Wissenschaftsmanagements
Wissens- und Technologietransfer, Open Science, Qualitätsmanagement, Digitalisierung und Personalmanagement – vor diesem hier nur grob gezeichneten Panorama steht das Wissenschaftssystem. Dabei ist es weder erforderlich noch wünschenswert, dass jede einzelne Wissenschaftseinrichtung in Deutschland diese und weitere, noch nicht genauer absehbare Entwicklungen in toto wird einfangen und zu ihrer Profilierung nutzen müssen. So wie schon heute Unterschiede zwischen den Universitäten und Fachhochschulen, den außeruniversitären Forschungsinstituten der Max-Planck- und der Fraunhofer-Gesellschaft, der Leibniz- oder der Helmholtz-Gemeinschaft, den Akademien und den Ressortforschungseinrichtungen, dem gesamten intermediären Sektor aus Fördereinrichtungen, Stiftungen, Fachgesellschaften, Verbänden et cetera bestehen, wird sich das Wissenschaftssystem auch mit unterschiedlicher Verteilung den künftigen Entwicklungen annehmen – und sich in der Folge funktional noch wesentlich stärker differenzieren. Insbesondere dem Hochschulsektor in Deutschland dürfte die eigentliche Binnendifferenzierung über unterschiedliche Leistungsprofile und Organisationstypen noch bevorstehen.
Dennoch sollte erkennbar geworden sein, dass in der Summe beträchtliche Herausforderungen auf alle Einrichtungen des Wissenschaftssystems zukommen werden. Dieses „cross-fire of expectations“ und die daraus resultierende „demand-response imbalance“ (Burton R. Clark) erfordern jedoch nicht weniger organisatorische Anstrengungen, wie dies der eingangs thematisierte Verweis auf die Besonderheit der Wissenschaftseinrichtung als Organisationstyp und die vermeintliche Unvergleichbarkeit mit einem Wirtschaftsunternehmen gelegentlich nahelegen. Vielmehr erfordern die neuen und teilweise konfligierenden Erwartungen gerade mehr Engagement in der Selbstorganisation der Wissenschaftseinrichtung: eine Fokussierung auf einzelne der neuen Anforderungen, eine entsprechende Anpassung und notwendigerweise auch Spezialisierung der Vision und Mission, eine daran ausgerichtete Strategie- und Organisationsentwicklung und insgesamt eine agile und dynamische Governance.
Bei alledem wird das Wissenschaftsmanagement eine entscheidende Rolle spielen. Die Anforderungen an dieses Berufsfeld werden sich qualitativ und quantitativ ausweiten. Mehr noch als heute werden Wissenschaftsmanagerinnen und -manager in den nächsten Jahren dafür sorgen müssen, dass die wissenschaftlichen Kernaufgaben nicht auf der Strecke bleiben, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich also weiter und bestenfalls mehr als bisher der Forschung und Lehre widmen können. Um diesen Anforderungen begegnen zu können, wird sich auch das Wissenschaftsmanagement selbst weiter professionalisieren müssen – und dies mindestens über folgende Schritte:
"Das Wissenschaftsmanagement steht vor einer Phase der eigenen Spezialisierung"
- Das Wissenschaftsmanagement benötigt eine klare Verortung in der jeweiligen Gesamtorganisation. Seine Verantwortung und Aufgaben müssen geklärt werden und für alle nachvollziehbar sein. Insbesondere die genuine, aber nicht trennende Stellung gegenüber der Wissenschaft einerseits und der Verwaltung andererseits muss definiert werden. Davon hängt maßgeblich ab, welchen Stellenwert das Wissenschaftsmanagement einnehmen kann und wie sehr seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrer Arbeit akzeptiert werden.
- Das Wissenschaftsmanagement wird sich aufgrund der Menge und der Komplexität seiner Einsatzgebiete diversifizieren. Mit Blick auf die skizzierten neuen Geschäftsfelder wird dies besonders deutlich. Für den Technologietransfer bedarf es erkennbar anderer Fachkenntnisse und Arbeitserfahrungen als im Bereich von Open Science, die Digitalisierung erfordert ein anderes Arbeitsprofil als das Personalmanagement. Das Wissenschaftsmanagement steht vor einer Phase der eigenen Spezialisierung. Mehr und deutlich gezieltere Weiterbildungsangebote werden dafür unerlässlich.
- Um die jeweiligen Expertinnen und Experten gewinnen zu können, muss es für das Wissenschaftsmanagement selbst einen attraktiven und über die Sektorengrenzen des Wissenschaftssystems hinweg offenen Arbeitsmarkt geben. Dafür müssen einerseits den Wissenschaftseinrichtungen die nötigen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Andererseits müssen die Einrichtungen selbst über Konzepte für die Gewinnung, Beschäftigung und Entwicklung von Wissenschaftsmanagerinnen und -managern verfügen. Gerade auf einem noch vergleichsweise jungen und sich dynamisch weiterentwickelnden Arbeitsmarkt herrscht in der Regel eine Knappheit an hoch qualifizierten und erfahrenen Fachkräften.
- Das Wissenschaftsmanagement entwickelte sich, wie zu Beginn dargelegt, Hand in Hand mit dem New Public Management. Trotzdem stand von Beginn an die Frage im Raum, inwieweit betriebswirtschaftliche Paradigmen und Techniken sinnvoll eins zu eins auf das Management von und für Wissenschaft übertragen werden können. Der Blick auf bestehende Weiterbildungsangebote in Deutschland legt dabei nahe, dass die betriebswirtschaftliche Managementlehre an die Wissenschaft angepasst werden muss, insbesondere wenn es nicht um ein allgemeines Leadership-Training, sondern um die Qualifizierung für konkrete, eher operative Sachgebiete geht. Dadurch wird aber die Frage noch nicht beantwortet, wie ein solch relativiertes und für die Wissenschaft adaptiertes New-Public-Management-Modell nicht nur ex negativo, sondern positiv definiert werden kann. Im Hinblick auf die für die nahe Zukunft genannten Geschäftsbereiche stellt sich die Frage dann möglicherweise nochmals neu und dringender: Wie sieht das Gedankengebäude hinter dem Wissenschaftsmanagement von morgen aus? Welches allgemeine Fachwissen sollte vermittelt werden und über welche professionellen Kompetenzen, Haltungen und Werte sollten Wissenschaftsmanagerinnen und -manager in idealiter verfügen? Diese Frage nach dem „State of the Art“ im Wissenschaftsmanagement oder gar einem Managementmodell in der Ära nach dem „New“ Public Management wird nicht zuletzt auch das Berufsfeld selbst beantworten müssen.
Dass das Wissenschaftsmanagement in Zukunft mehr noch als bisher gebraucht wird, sollte deutlich geworden sein. Es ist konstitutiv für den Organisationswandel, den alle Einrichtungen des Wissenschaftssystems in den letzten Jahren durchlaufen haben und dessen Ende noch nicht in Sicht ist. Auch wenn man Wissenschaftseinrichtungen als Organisationen besonderen Typs betrachtet, so werden die Anforderungen an ihre Selbstorganisation, mithin an ihr Management,
weiter anwachsen. Dabei werden Wissenschaftsmanagerinnen und -manager zwischen der Wissenschaft und der Verwaltung an unterschiedlichen Stellen und auf unterschiedlichen Ebenen der Organisation noch mehr als bisher gefragt sein. Das Wissenschaftsmanagement verspricht daher, als Berufsfeld sehr gute Zukunftsaussichten zu haben. Als Teil des Wissenschaftssystems bleibt es dabei jedoch gleichermaßen dem Organisationswandel unterworfen. Seine Zukunftsaussichten können daher immer nur so gut sein, wie das Wissenschaftsmanagement selbst veränderlich bleibt. //
André Lottmann
Dr. André Lottmann arbeitet seit zehn Jahren im Wissenschaftsmanagement. Seit 2015 leitet er in der Stiftung Charité den Bereich Wissenschaftsförderung. Davor war er für die Geschäftsstelle des Wissenschaftsrates und das Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (inzwischen Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung) tätig. lottmann@stiftung-charite.de
Foto: Stiftung Charité
ZUR LITERATUR
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