Die eigene Qualifikation ernst nehmen
Die Leitung einer Hochschule braucht unbedingt ausgeprägte Führungskompetenz. Doch wie offen sind Mitglieder von Hochschulleitungen für ihre eigene Personalentwicklung?
Dieser Artikel ist in DUZ Wissenschaft und Management in der Rubrik "Reflexionszeit" erschienen und Teil der Online-Reihe "Weiterdenken & Diskutieren" auf DUZ Wissenschaftskarriere.
Neulich in einem Workshop für Führungskräfte, Themenschwerpunkt Führungskommunikation: In das Seminar platzt die resolute Sekretärin des Rektors. Zielstrebig adressiert sie einen Teilnehmer: „Herr X, bitte kommen Sie sofort, der Rektor möchte etwas mit Ihnen besprechen.“ Darauf X: „Ich hatte dem Rektor gesagt, dass ich heute im Seminar bin. Hat das noch eine Stunde Zeit, dann haben wir hier Pause?“ Die Sekretärin: „Herr X, wenn der Rektor sagt ‚sofort‘, dann meint er ‚sofort‘. Ich soll Sie direkt mitbringen.“ X trottet aus dem Raum. In der Gruppe: betretenes Schweigen. Die Bereitschaft, an der eigenen wertschätzenden Führungskommunikation zu arbeiten: auf dem Tiefpunkt.
Derart drastische Situationen erlebe ich glücklicherweise selten. Beschreibungen eines Führungsverhaltens in Rektoraten oder Präsidien, das als unprofessionell oder wenig wertschätzend empfunden wird, höre ich allerdings häufiger. Dabei haben die Hochschulen in Sachen Personalentwicklung und insbesondere Führungskräftequalifizierung in den letzten Jahren viel getan. Vielerorts sind eigene Abteilungen für Personalentwicklung eingerichtet, Personalentwicklungskonzepte entwickelt und das Angebot an Qualifizierungsmaßnahmen ausgebaut worden. Hochschulleitungen sind in der Regel aber keine Zielgruppe.
Die meisten Angebote zur Führungskräfteentwicklung gibt es für den akademischen Mittelbau, für die Wissenschaftsmanagerinnen in Stabsstellen oder Fakultäten oder für Führungskräfte in den Hochschulverwaltungen. Auch für die Professorenschaft gibt es immer wieder Angebote, die allerdings weniger angenommen werden, als die Personalentwicklerinnen sich das wünschen. Ein Grund für das Ausklammern der Hochschulleitung mag der traditionell- hierarchische Aufbau der Hochschulorganisation sein: Es passt nicht zu den Spielregeln der Organisation, dass das unterstellte Personal bei der Entwicklung der Kompetenzen von Vorgesetzten unterstützen oder organisatorisch zuständig sein könnte. Und es könnte daran liegen, dass die eigene Personalentwicklung oft ein blinder Fleck im Kollegialorgan Rektorat respektive Präsidium ist. Ab und an wird der Anteil von Führungs- und Kommunikationskompetenz unterschätzt, den die Leitung einer Hochschule erfordert. Und manchmal gibt es hier weniger Offenheit, das eigene Führungsverhalten zu reflektieren oder spiegeln zu lassen.
Es gibt sie natürlich, die Kanzlerinnen, Rektoren oder Vize-Präsidentinnen, die die Sache in die Hand nehmen. Und es könnten mehr sein. Einige holen sich in Fragen von Führung und Zusammenarbeit externe Beratung oder Coaching. In der Regel hängen sie das nicht an die große Glocke, weil Coaching im Kollegium als Ausgleich von Defiziten betrachtet werden könnte. Ich beobachte erfreut eine wachsende Zahl kollegialer Beratungsgruppen in den genannten Funktionsrollen. Eine Spielart von Personalentwicklung, selbstgesteuert und effektiv. Hätte ich einen Wunsch frei für die Personalentwicklung an Hochschulen, würde ich mir einen offensiven Umgang mit dem Thema wünschen – systematische Führungsqualifikation für Hochschulleitungen als Unterstützung für die Einzelnen wie für das Rektorat oder Präsidium insgesamt. Wenn Hochschulleitungen zeigen, dass sie die eigene Führungsqualifikation ernst nehmen, wird das die Bereitschaft aller Führungskräfte, sich zu entwickeln, sprunghaft steigern. Und es würde helfen, dass Situationen wie die eingangs geschilderte Geschichte sind.
DR. UTE SYMANSKI ist Hochschulberaterin und Coach und arbeitet mit Hochschulleitungen, Dekaninnen und Dekanen sowie Führungspersönlichkeiten im Wissenschaftssystem.
DUZ Wissenschaft & Management 05/2018 vom 08.06.2018