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Wissenschaft trifft Politik

Es ist kein guter Weg, Forschungsergebnisse über eine PR-Agentur zu veröffentlichen, sagt Julia Wandt vom Bundesverband Hochschulkommunikation. Sie bezieht sich auf die erste Präsentation der Heinsberg-Studie, in der Wissenschaftler die Corona-Fälle im Ort Gangelt im Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen untersuchten. Und ruft dazu auf, die Qualitätskriterien der Wissenschaftskommunikation einzuhalten.

Wissenschaftskommunikation hat unterschiedliche Ziele. Sie kann die Kommunikation über Wissenschaft, aus der Wissenschaft selbst heraus oder eine die Wissenschaft begleitende Kommunikation sein. Sie soll erklären, informieren, Dialoge aufbauen, Inhalte verständlich aufbereiten; und – im Idealfall – auch Verständnis für den Wissenschaftsbetrieb schaffen. All dies muss Wissenschaftskommunikation nicht gleichzeitig tun, sondern es gibt für unterschiedliche Anlässe unterschiedliche Ansprüche an sie.

Auch die Wissenschaft selbst arbeitet mit unterschiedlichen Ansätzen: Es gibt unterschiedliche Disziplinen mit unterschiedlichen Methoden, unterschiedliche Theorien und Herangehensweisen. Dies darf aber nicht damit verwechselt werden, dass einige Rahmenbedingungen für jede Wissenschaft gleich sein sollten: Dies sind Werte, ein besonderer Anspruch an wissenschaftliches Arbeiten und Qualitätsstandards. Wichtig ist zudem das Bewusstsein dafür, dass sich wissenschaftliche Erkenntnisse weiterentwickeln. Nicht ohne Grund spricht man von wissenschaftlichem Erkenntnisfortschritt. Dieser Fortschritt macht Wissenschaft aus.

Wissenschaft und Kommunikation

Wie hängen Wissenschaft und Kommunikation zusammen? Eine weitere Rahmenbedingung ist, dass als Voraussetzung für Wissenschaftskommunikation eine wissenschaftliche Basis vorhanden sein muss. Es müssen konkrete, fundierte wissenschaftliche Inhalte vorliegen, die kommuniziert werden können. Dieses „Vorliegen“ kann auf vielfältige Weise erfüllt sein, unter anderem in Form einer (peer-reviewten) Veröffentlichung. Ohne diese fundierten Inhalte sollte keine Wissenschaftskommunikation erfolgen. Wissenschaftskommunikation ist kein Selbstzweck.

Wissenschaftskommunikation sollte aber noch darüber hinausgehen. Sie muss verstärkt auch die Methoden und die Abläufe von wissenschaftlichen Prozessen als Inhalt haben. Zu verstehen, „wie Wissenschaft funktioniert“ ist wichtig, um Vertrauen in sie haben zu können und um ihre Bedeutung zu verstehen.

Dabei sollte Wissenschaft stets verlässlich sein. Allerdings nicht dadurch, dass ihre Erkenntnisse immer gleich sind (es vermeintlich „keine Widersprüche“ gibt). Das wäre ein falscher Anspruch an Verlässlichkeit. Sondern Verlässlichkeit in der Wissenschaft muss dadurch gegeben sein, dass man sich auf ihre Methoden, Abläufe und Qualitätskriterien verlassen kann.

Es kann in der Wissenschaft kaum Widersprüche geben. Zumindest sind diese nicht negativ konnotiert. Wenn Wissenschaftlerinnen der Universität A etwas anderes herausfinden als Wissenschaftlerinnen der Universität B, dann ist das kein Widerspruch. Und auch wenn Wissenschaftler der Universität A in drei Monaten etwas anderes herausfinden als dieselben Personen es heute getan haben, ist das kein Widerspruch. Es ist der oben erwähnte Erkenntnisfortschritt – und ein Beispiel dafür, wie normal ein Diskurs, unterschiedliche Methoden und Herangehensweisen in der Wissenschaft sind.

Aber diese Sicht muss erklärt werden. Deswegen ist es wichtig, dass Stellungnahmen von wissenschaftlichen Einrichtungen kommunikativ gut begleitet werden. Es muss klar werden, warum es nicht nur normal ist, sondern warum es auch wichtig sei kann, wenn unterschiedliche Stellungnahmen unterschiedliche Aussagen treffen.

Wissenschaft und Corona

Mit Bezug zum Coronavirus heißt das: Wenn noch nicht einmal Personen, die sich täglich (politisch) mit diesem Thema befassen, klar ist, wie es sich mit unterschiedlichen Indikatoren wie der Reproduktionszahl (Anzahl der Personen, die ein Infizierter im Durchschnitt ansteckt) oder der Verdopplungszeit (Zeit, in der sich die Zahl der Infizierten verdoppelt) verhält, zeigt dies die Unerlässlichkeit guter Wissenschaftskommunikation.

Wissenschaft und Politik

Wie kommt nun die politische Ebene ins Spiel? Es wurde in Bezug auf die Corona-Situation bereits mehrfach ausgesprochen, aber es ist wichtig, dies noch einmal zu betonen: Zwischen der Wissenschaft und politischen Entscheidungen gibt es einige strikte Trennlinien. Nicht, weil das eine nichts mit dem anderen zu tun haben darf. Im Gegenteil. Aber Politik darf Wissenschaft nicht instrumentalisieren. Und Wissenschaft darf sich nicht von der Politik in der Hoffnung auf „klare Antworten auf Fragen“ beeinflussen lassen.

Das eine (die Wissenschaft) darf und muss häufig Basis für das andere (politische Entscheidungen) sein. Aber die Wissenschaft darf dabei nicht „zwischen die Fronten“ geraten: Grundlage für Entscheidungen in Form von wissenschaftlicher Erkenntnis zu bieten, ist richtig – gar unerlässlich; aber die Wissenschaft darf politische Entscheidungen nicht selbst treffen.

Die Heinsberg-Studie

Wissenschaft – Kommunikation – Politik: Was ist ein guter Umgang? In Bezug zur Corona-Situation lässt sich hier feststellen: Kommunikationsexpertinnen und -experten mit Wissenschaftserfahrung hätten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Heinsberg-Studie, die in der Ortschaft Gangelt im Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen vor allem die Sterblichkeitsrate von Corona-Infizierten untersucht haben, schützen können. Sie hätten im Vorfeld der ersten Ergebnispräsentation kurz vor Ostern andere Fragen gestellt und auf andere Dinge hingewiesen als die Vertreter der PR-Agentur, die mit Teilen der Veröffentlichung betraut war.

Auf diese Weise hätte vor der Veröffentlichung der ersten Ergebnisse im April einiges an Kritik an der Studie abgefangen werden können. Damit hätte meiner Meinung nach auch verhindert werden können, dass das Ausmaß der Kritik an der Kommunikation das Ausmaß der Kritik an der Wissenschaftlichkeit der Studie beeinflusst. Auch für Wissenschaftskommunikation gibt es klare Qualitätskriterien. Zum Beispiel die Leitlinien für gute Wissenschafts-PR, die in einem überinstitutionellen Arbeitskreis, organisiert von Wissenschaft im Dialog und dem Bundesverband Hochschulkommunikation, erarbeitet wurden (frei verfügbar zum Download).

Was eine fundierte Beratung ausmachen kann, zeigt sich im Vergleich zur zweiten Heinsberg-Pressekonferenz: Die Vorstellung der Ergebnisse Anfang Mai anlässlich der Veröffentlichung des bis dahin noch ausstehenden Papers verlief wesentlich besser und zielführender. Der Fokus der Diskussion lag auf den Inhalten der Studie. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten sich auf die Wissenschaft konzentrieren. Ich bin davon überzeugt, dass ein wesentlicher Grund hierfür die entsprechende Begleitung durch die Wissenschaftskommunikatorinnen und -kommunikatoren der Bonner Universität und Universitätsmedizin war.

Das Fazit: Zwei Dinge zeigen Krisenzeiten und insbesondere die aktuelle Corona-Zeit sehr klar: wie hoch der Wert von Wissenschaft für Gesellschaft und Politik ist – und wie wichtig die Beachtung von Qualitätskriterien in der Kommunikation von Wissenschaft.


Julia Wandt

Julia Wandt ist Leiterin der Stabsstelle Kommunikation und Marketing der Universität Konstanz und Vorsitzende des Bundesverbandes Hochschulkommunikation.

Foto: Universität Konstanz

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