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// Editorial: Kompliziert //

Das Coronavirus setzt allem die Krone auf, was wir in den letzten Jahrzehnten erleben mussten…

… Es ist allgegenwärtig und von einer derart zerstörerischen Kraft, dass wir langsam, aber sicher den Kompass verlieren für das, was angemessen ist und was wir mit allen unseren zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen sollten. Nehmen wir zum Beispiel die Corona-Warn-App, die seitens der Politik im Verbund mit aus dem Nichts aufgetauchten Experten derzeit als Wunderwaffe verkauft wird, um die Corona-Pandemie besser in den Griff zu bekommen. Sogar einige Wissenschaftler, mit denen wir Gespräche über die Corona-Krise geführt haben, halten es für eine gute Maßnahme, die Bevölkerung verstärkt zu überwachen, um den unsichtbaren Feind zu bekämpfen.

Dass man sich damit andere, aus unserer jüngsten Vergangenheit nur allzu gut bekannte Gefahren ins Haus holt, wird dabei gerne ignoriert. Dazu zählt nichts Geringeres als die Einschränkung der Persönlichkeitsrechte. Und auch die Wissenschaftsfreiheit wird davon tangiert. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass man die bösen Geister, die man rief, nicht so leicht wieder los wird. Moderne Überwachungssysteme ebenso wie soziale Netzwerke führen ein schwer kontrollierbares Eigenleben. Und sie wecken Begehrlichkeiten bei zum Autoritären neigenden Politikern, wie ein Blick nach China, Osteuropa, in die Türkei oder die arabischen Staaten nur allzu deutlich zeigt.

Eine Frage, die ich mir in diesen unwägbaren Zeiten stelle, wo die Wirtschaft, die Moral und unsere Gewissheiten ins Wanken zu geraten drohen: Kann es tatsächlich sein, dass unsere Elite aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft den Glauben an die Wirkungsmächtigkeit der Aufklärung, der Bildung und des Diskurses verloren hat? Setzt sie aus Inkompetenz, Machtgier und überbordender Ignoranz auf Überwachung und Bestrafung statt auf Kommunikation und das Bemühen, auf die Menschen zuzugehen, sie dort abzuholen, wo sie sich mental, sozial und kulturell befinden? Eine erschreckende Vorstellung und in keinster Weise begreifbar. Verfügen wir doch und damit auch unsere Führungsriege über ein wunderbares, gleichsam schönes und wirksames Instrument: die Macht unserer Sprache, die Berge versetzen und neue Horizonte erobern helfen kann. Allerdings kann sie sich nur so entfalten, wenn diejenigen, die sich ihrer bedienen, auch bereit sind, sich verständlich zu machen und ihr Wissen mit anderen zu teilen. Lesen Sie dazu unseren Schwerpunkt zur (deutschen) Wissenschaftssprache (ab Seite 16).

„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“, sagte der Philosoph Ludwig Wittgenstein (1889 – 1951). Wie recht er damit auch heute noch hat, kann man erfassen, wenn man ein Ohr auf deutsche Schulhöfe richtet: „Du Jude“ gehört dort zu den häufigsten Schimpfwörtern, gefolgt von „Judenschwein“, „Scheißjude“ oder „Man hat vergessen, dich zu vergessen“. Auf Unterstützung seitens der Lehrer hoffen die so Angefeindeten oft vergeblich, wie eine Studie der Antisemitismusforscherin Jutta Bernstein belegt (ab Seite 32).

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