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Die Digitalisierung der Lehre kollaborativ, kreativ und beherzt anpacken: Die Gastkommentatoren vom Hochschulforum Digitalisierung Julius-David Friedrich und Christine Tovar sehen darin einen langfristigen Mehrwert und machen mit drei Nachrichten Mut

Egal ob Digital-Semester, Kreativ-Semester oder Innovations-Semester – in den Hochschulen laufen die Vorbereitungen des Sommersemesters derzeit auf Hochtouren. Es gilt nun, für Studierende und Lehrende die bestmöglichen Bedingungen zu schaffen und die Gelegenheit für Experimente zu nutzen.  

Klar ist dabei: Es gibt an einigen Hochschulen Nachholbedarf und von heute auf morgen können nicht alle Hochschulen auf 100-prozentige Online-Lehre umstellen. Dafür ist teils nicht die Infrastruktur vorhanden und nicht alle Lehrenden, aber auch Studierenden sind mit digitalen Möglichkeiten vertraut. An vielen Hochschulen ist jedoch ein starker Wille erkennbar, ein gutes Studienangebot für dieses Semester bereitzustellen. Der Leitgedanke sollte dabei sein: Wo ein Wille ist, da sind auch Wege.  

Das Modell des flexiblen Semesters, auf das sich die Kultusministerkonferenz (KMK) am 3. April verständigt hat, sowie bereits zum Teil angepasste Rechtsverordnungen der Bundesländer, wie die vom 18. April in Nordrhein-Westfalen, schaffen neue Möglichkeiten, die nun gemeinsam und hochschulübergreifend gestaltet werden sollten. Für die Akteure im Hochschulbetrieb gilt es jetzt, aktuell und vor allem auch langfristig Optionen auszuloten, auszuprobieren, auch Fehler zu machen und damit am Ende die Krise als Chance zur Weiterentwicklung der Lehre zu nutzen. Das Erfreuliche ist: Neben dem Willen sind bereits viele positive Grundvoraussetzungen und Initiativen für gute digitale Studienangebote vorhanden.  

Die erste gute Nachricht: Kooperation hilft – gemeinsam statt einsam 
Nicht jede Dozentin und jeder Dozent muss beim ersten eigenen Onlinekurs bei null starten. Vielmehr lässt sich Bestehendes nutzen, Angebote können gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen entwickelt werden und die gegenseitige Anerkennung von Kursen ist flexibel möglich. Wichtig ist, dass Lehrende trotz erhöhter Isolation in den Austausch miteinandertreten – auch hochschul- und fächerübergreifend. Das schafft Zeit und schont Ressourcen. Die Produktion von Hunderten Onlinekursen zur „Einführung in die Betriebswirtschaftslehre“ ist beispielsweise nicht zielführend.  

Kooperation ist also das Gebot der Stunde. Dazu gehört auch, voneinander und miteinander zu lernen, gerade auch auf Ebene der Lehrenden. Wenn man zum Beispiel nicht sofort weiß, wie man ein gutes Lernvideo erstellt oder online eine Prüfung abnimmt, ist das keine Schande. Gemeinsam heißt es nun dazu beizutragen, dass Studierende in einem Digital-Semester möglichst viele Kurse besuchen und Prüfungen ablegen können.  

In der deutschen Lehre herrscht eine starke Einzelkämpfer-Tradition vor. Arbeitsteilung im Bereich Hochschullehre ist in Deutschland bisher noch unüblich. Aber das passt nicht in die aktuelle Zeit. Müssen die Lehrenden wirklich all die neuen Herausforderungen auf eigene Faust bewältigen? Hier sollte jetzt ein Umdenken erfolgen. Der Austausch über digitale Lehre, die Entwicklung neuer Formate gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen, Hilfen geben und annehmen – das alles schafft womöglich ein kollaboratives Lehr-Mindset, das auch in anderen (Krisen-)Situationen helfen und zur Weiterentwicklung der eigenen Lehre beitragen kann. Jetzt wäre beispielsweise eine gute Gelegenheit, Veranstaltungen oder Elemente von Veranstaltungen zusammenzulegen oder Team-Teaching-Modelle zu testen, um sich gegenseitig bei den (ersten) Gehversuchen in der Online-Lehre zu unterstützen.  

Die zweite gute Nachricht: Hochschulen sind offen für Austausch und Kollaboration  
Das Angebot möglicher Hilfestellungen innerhalb der Hochschulen ist groß. In fast jeder Hochschule gibt es bereits Lehr-Supportstrukturen, also Menschen, die sich tagtäglich mit der Unterstützung von Lehrenden beschäftigen – sei es in Medien- oder Hochschuldidaktik-Zentren, E-Learning-Teams oder auch in Bibliotheken.  

Diese Mitarbeitenden im didaktischen Support sind jetzt vermehrt gefragt. Sie entwickeln beispielsweise Handreichungen und Hilfestellungen für Lehrende oder loten die verschiedenen Lehrszenarien, die jetzt möglich sind, aus. Auch innerhalb dieser Gruppe kann und sollte ein Austausch stattfinden – denn gerade diese Akteure werden aktuell verstärkt in der strategischen Unterstützung sowie gleichzeitig der Eins-zu-eins-Betreuung von Lehrenden gebraucht und müssen ihre Kräfte bündeln.  

In den meisten Fachbereichen oder Hochschulen gibt es eine Gruppe von Vorreiterinnen und Vorreitern – Lehrende, die über einen großen Erfahrungsschatz im Bereich von Online-Angeboten verfügen. Diese Expertise gilt es nun zum Beispiel über kurze informelle Videokonferenzen anzuzapfen und innerhalb der eigenen Hochschule sichtbar zu machen.  

In den Peer-to-Peer-Beratungen des Hochschulforums Digitalisierung (HFD) und dem Mentoring-Programm für Hochschulleitungen zeigt sich, dass die Verantwortlichen im Hochschulmanagement offen für diese neuen Wege sind. Für sie stehen die Themen Partizipation und Kollaboration schon auf der Tagesordnung und sollten nun forciert werden. Austauschformate innerhalb der eigenen Fachbereiche, Fakultäten oder der ganzen Hochschule, auch auf informeller Ebene, sind aktuell immens wichtig.  

Fachbereichsverantwortliche sollten die Lehr-Vorreiterinnen und -Vorreiter ins Boot holen und mit den anderen Lehrenden vernetzen. Bemühungen und Best Practices im Bereich Lehre gilt es „von oben“ anzuerkennen und in den Vordergrund zu rücken. Auch können Lehrende ermutigt werden, offenes Lernmaterial von Kolleginnen und Kollegen zu nutzen oder selbst zu erstellen und beispielsweise über Plattformen wie Jointly zu teilen. Die Devise muss sein: Sharing is caring.  

Die dritte erfreuliche Nachricht: Es gibt bereits gute Ansätze und Initiativen auf Bundes- und Länderebene 
Auch auf Bundes- und Länderebene gibt es bereits gute Ansätze, die für möglichst viele verfügbar und nutzbar zu machen sind. Denn 400 Hochschulen müssen das Rad nicht jedes Mal neu erfinden. Beispielsweise gibt es Länderinitiativen wie „E-Learning NRW“ oder das Projekt „Digital gestütztes Lehren und Lernen in Hessen“, die Expertise in der Beratung und Qualifizierung von Lehrenden haben. Hinzu kommen Angebote von Verbundeinrichtungen, beispielsweise von der Virtuellen Hochschule Bayern, die derzeit allen Interessierten offene Online-Kurse zur Verfügung stellt. Die Inhalte stammen von Lehrenden der bayerischen Hochschulen selbst. Auch oncampus, eine 100-prozentige Tochter der Technischen Hochschule Lübeck, stellt über 100 Selbstlernkurse frei und öffentlich zur Verfügung. Weitere Unterstützung gibt es unter anderem von der Fernuniversitätin Hagen, die breite Erfahrungen in der Onlinelehre hat und diese über eine Community of Practice in Kooperation mit dem Hochschulforum Digitalisierung schnell und unkompliziert teilt. Dieses Angebot steht allen Interessierten offen.  

Nicht zuletzt kann man auf einen immensen Angebotsmix im Internet zurückgreifen, zum Beispiel über die Seite des Hochschulforums Digitalisierung(HFD) oder e-teaching.org sowie Blogs von Lehr-Lern-Zentren an Hochschulen. Konkret möchten wir hierauf die HFD-Sonderseite zum Thema Corona und auf die Möglichkeiten der Vernetzung über die Austauschplattform Mattermost aufmerksam machen, wo insbesondere gute Ansätze für aktuelle Herausforderungen geteilt und diskutiert werden.  

Die Einstellung entscheidet über den Erfolg der digitalen Lehrformate 
Es ist nun nicht an der Zeit, den Finger in die Wunde zu legen und aufzuzeigen, welche Defizite im Bereich der digitalen Lehre vorherrschen. Stattdessen gilt es jetzt, dass Lehrende rasch handeln und solidarisch dazu beitragen, dass die Studierenden auch unter diesen besonderen Umständen studieren können. Die nötige Rückendeckung sollten sie dabei von ihrer Hochschulleitung bekommen. Diese sollte die Ressourcen flexibel zur Verfügung stellen, unbürokratisch Weiterbildung ermöglichen und ein deutliches Signal senden, dass beispielsweise Veranstaltungen, die mit wöchentlicher Präsenz geplant waren, auch kreativ in anderen Formen stattfinden können und nicht einszueins ins Digitale übersetzt werden müssen. Last but not least können Hochschulleitungen auch gezielt Partnerschaften mit anderen Hochschulen auf- und ausbauen, um beispielsweise gegenseitig Unterstützungsstrukturen zu nutzen.  

Klar ist: Wir befinden uns aktuell in einem großen realen Labor und experimentieren im laufenden Betrieb. Es wird nicht alles gelingen und auch nicht nach Corona alles Bestand haben. Aber flexible Lösungen wie die aus Bayern, Lübeck und Hagen oder gute kooperative Ansätze können auch langfristig und bundesweit in der Lehre helfen. Untätig zu bleiben, ist aktuell keine Alternative.  

Jetzt können Grundsteine gelegt werden für die Zeit nach Corona. Die in dieser Zeit gemachten Erfahrungen sollten Hochschulleitungen nutzen, um die Digitalisierung der Lehre strategisch weiter voranzutreiben, etwa was den Ausbau der Unterstützungsstrukturen und Qualifikationsmaßnahmen für Lehrende angeht. Erfolgreiche Formate sollten verstetigt und weiterentwickelt werden.  

Lehrende, die sich nun verstärkt mit digitalen Formaten auseinandersetzen müssen, brauchen günstige Rahmenbedingungen, etwa Ressourcen für Hilfskräfte. Denn wo perspektivisch eine Inhaltsvermittlung zunehmend digital stattfindet, kann die Präsenzphase im Studium vor allem für dialogische Formate genutzt werden.So können die Stärken beider Welten zum Tragen kommen. Die Erfahrungen und angestoßenen Entwicklungen während der Corona-Krise würden so langfristig einen echten Mehrwert für die Hochschullandschaft bieten.  
 

Christine Tovar


Dr. Christine Tovar ist Projektmanagerin im Hochschulforum Digitalisierung beim gemeinnützigen CHE – Centrum für Hochschulentwicklung in Gütersloh.


Julius-David

Julius-David Friedrich ist Projektleiter des Hochschulforums Digitalisierung beim gemeinnützigen CHE – Centrum für Hochschulentwicklung in Gütersloh. 

Fotos: CHE / David Ausserhofer

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