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Schlüsselakteur in der Impfstoffjagd

Wie das internationale Konsortium Cepi mit Geld von Milliardären die Forschung zum Coronavirus vorantreibt

Hamsterkäufe, Ausgangssperren, Börsencrashs: So etwas gab es für die meisten bisher nur in apokalyptischen Romanen oder Filmen und macht selbst Verächter wissenschaftlicher Erkenntnisse wie Donald Trump, Jair Bolsonaro oder Viktor Orbán zu Apologeten der wissenschaftlichen Methode. Alle hoffen, dass es Forschern so schnell wie möglich gelingt, einen Impfstoff zu entwickeln. Die Arbeiten daran laufen auf vollen Touren. Dabei helfen den Wissenschaftlern die enormen Fortschritte in der Gentechnologie der letzten Jahre. Die rasche Sequenzierung des Virusgens und dessen Veröffentlichung durch chinesische Forscher bereits im Januar 2020 sind ein Segen. Und die Geschwindigkeit ihrer Fortschritte ist wahrlich atemberaubend: Technologien wie genetische Sequenzierung und neue Protein-Visualisierungsmikroskope ermöglichen ihnen, bereits innerhalb weniger Wochen Impfstoffkandidaten zu entwickeln. Es ist noch nicht lange her, dass so etwas Jahre dauerte.

Der Erfolg der Forscher hängt aber auch von einer ausreichenden Finanzierung ihrer Arbeit ab, und daran mangelte es der Impfforschung bis zum Ausbruch der aktuellen Pandemie. Trotz vieler Warnungen, unter anderem von Bill Gates, der Milliarden aus seinem persönlichen Vermögen der Impfforschung spendete, wurde die Epidemie-Gefahr kaum ernst genommen. (Aus heutiger Sicht erscheint ein Interview dazu mit Bill Gates vom 22. Februar 2017 auf Spiegel Online als geradezu prophetisch.) Donald Trump löste im Mai 2018 gar das Pandemie-Reaktionsteam der USA auf.

Jetzt, in der weltweiten Corona-Krise, können sich die Impfforscher über mangelnde finanzielle Unterstützung kaum mehr beklagen. Und es kommt sehr zupass, dass unlängst die Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (Cepi) ins Leben gerufen wurde. Cepi wurde 2015, ein Jahr nach dem Ausbruch von Ebola in Westafrika, konzipiert, 2017 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos formell ins Leben gerufen und mit 460 Millionen US-Dollar von der Bill & Melinda Gates Foundation, dem Wellcome Trust und einem Konsortium diverser Staaten, hauptsächlich Norwegen, Japan und Deutschland, finanziert. Das Cepi konzentriert sich auf die generischen Krankheitserreger (Blueprint Priority Pathogens) der Weltgesundheitsorganisation, zu denen die Erreger des Middle East Respiratory Syndromes MERS-CoV, das Marburg-Virus, das Ebola-Fieber-Virus, das Zika-Virus und nun auch SARS-CoV-2 gehören. Dabei soll es helfen, „die wissenschaftliche und technologische Infrastruktur aufzubauen, um schnell Impfstoffe gegen Krankheitserreger zu entwickeln, die aus dem Nichts auftauchen und eine globale Gesundheitskrise verursachen, wie z.B. Sars in 2002/03 und Zika in 2015/16“.

In Sachen Covid-19 war das Cepi bereits früh sehr aktiv und wird international von Virologen inzwischen als Schlüsselakteur im Rennen um die Entwicklung eines Impfstoffs angesehen. Dank Cepi gibt bereits Dutzende von Covid-19-Impfstoffkandidaten, die unterdessen in Tier- und Humanversuchen getestet werden, sowie Plattformen, um weitere zu entwickeln. Bereits im Januar 2020 finanzierte es vier Teams, die an einem Impfstoff gegen das neue Virus arbeiten: Moderna, Inovio Pharmaceuticals, die deutsche Firma Curevac und die Universität von Queensland. Unterdessen sind noch zwei weitere Teams in der Finanzierung hinzugekommen (University of Oxford, Novavax). Schon im Februar gab die Firma Inovio bekannt, dass sie in ihrem Labor in San Diego eine präklinische DNA-basierte Impfung zur Bekämpfung von Covid-19 hergestellt hat. Curevac wiederum sagt, sie könne eine Coronavirus-Immunisierung basierend auf mRNA-Technologie aus ihren bestehenden Einrichtungen in Massenproduktion herstellen, wenn sich ihr niedrig dosierter Ansatz in Versuchen als erfolgreich erweist. Cepi-Chef Richard Hatchett sagte Anfang März in einem Interview mit der Financial Times, dass das Cepi erwarte, innerhalb von 16 Wochen Versuche am Menschen zu sehen. Er warnte aber zugleich: „All diese Zeitpläne sind aggressiv und ehrgeizig. Je nach Entwicklung der Umstände kann es Möglichkeiten geben, den Zeitplan zu verkürzen, aber es ist entscheidend, dass jeder neue Impfstoff sicher und wirksam ist.“

Das SARS-CoV-2-Virus besteht aus einem RNA-Strang (dessen Sequenz bekannt ist), der in einer mit Zacken bedeckten Kapsel eingeschlossen ist (seine Strukturen sehen unter dem Mikroskop wie eine Krone aus, woher auch der Name des Virus kommt). Es nutzt diese so genannten „Spikes“, um in menschliche Lungenzellen einzudringen. Die Kenntnis des genetischen Codes des Virus kann den Forschern helfen, das Protein zu lokalisieren, das das Virus wie einen Schlüssel benutzt, um in menschliche Zellen zu gelangen. Dieses Protein, das sich normalerweise auf dessen Oberfläche befindet, teils sogar Teile davon, reichen oft aus, um vom Immunsystem erkannt zu werden und bei einer späteren Exposition dessen Abwehrreaktion auszulösen. Impfstoffhersteller können nun die genetischen Anweisungen zur Herstellung dieser Spikes kopieren und in einen Impfstoff verpacken, womit wieder der gleiche Prozess wirkt: Der Körper bildet Antikörper gegen diese Proteine und lernt so, wie man künftige Eindringlinge, die diese Proteinspitzen tragen, angreifen kann.

Die Erprobung, die der Entwicklung des neuen potenziellen Impfstoffes folgt, ist ein hochkomplexes, mehrstufiges Verfahren. Tests eines möglichen Medikamentes dürfen an Menschen immer erst durchgeführt werden, wenn seine Sicherheit und Wirksamkeit an Labortieren nachgewiesen sind. Dies ist ein Grundsatz der Pharmaforschung. Doch solche Studien brauchen Zeit und somit steht die Wissenschaft vor dem ethischen Dilemma, ob sie einer sehr kleinen Zahl von Menschen (den Testpersonen) ein Risiko auferlegen darf, um eventuell eine große Zahl von Menschen zu retten. Forscher in Seattle haben bereits damit begonnen, gesunde Freiwillige für die Teilnahme an einer klinischen Studie für einen experimentellen Covid-19-Impfstoff zu rekrutieren, der von der Biotechnologiefirma Moderna Therapeutics entwickelt wurde. Die größte Hürde ist jedoch die Herstellung des Impfstoffs und seine anschließende Verabreichung in großem Maßstab. Selbst der alleroptimistischste Pharmareferent würde wohl kaum behaupten, der Impfstoff sei vor Ende dieses Jahres fertig. Bis dahin wird mindestens die erste Welle des Corona-Ausbruchs wohl ihren Lauf genommen haben.

Die Verantwortlichen bei Cepi sagen, dass die Mittel der Organisation zur Bekämpfung des Virus bis Ende März vollständig überwiesen wurden und dass es einen neuen Aufruf an seine Geldgeber für zwei Milliarden US-Dollar zur Unterstützung der Bekämpfung des Virus lancieren werde. Es sollte nicht allzu schwer sein, an diese Gelder zu kommen. Auch die Regierungen lassen sich nicht lumpen. In Windeseile hat die britische Regierung zusätzliche Mittel in Höhe von 20 Millionen Pfund angekündigt, die über die 30 Millionen Pfund hinausgehen, die sie dem Cepi zuvor zur Verfügung gestellt hatte. Deutschland sagte Ende März zu, 140 Millionen Euro für die Koalition bereitzustellen. In Anbetracht der Billionen-Programme, die für die Rettung der Wirtschaft weltweit aufgelegt wurden, kommen Investitionen in die Wissenschaft immer noch sehr viel günstiger. //

 


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