Neue Welt, neue Worte
Eine Romanistin der Uni Halle untersucht, wie sich die italienische Sprache in der Corona-Krise verändert
„Covididiota“, so nennen Italiener die „Idioten“, die die Corona-Schutzmaßnahmen missachten, damit das Risiko der Virusausbreitung erhöhen und das Gemeinwohl gefährden. Das ist eine der in den letzten Monaten in Italien entstandenen Wortschöpfungen, erklärt Dr. Daniela Pietrini, Professorin für italienische und französische Sprachwissenschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU). Die Wissenschaftlerin untersucht die Entwicklung der italienischen Sprache im Kontext der Corona-Pandemie. Außerdem hat sie die Krisenkommunikation europäischer Regierungschefs analysiert.
Im Diskurs zu Covid-19 haben sich laut ihren Untersuchungen in Italien innerhalb kürzester Zeit neue sprachliche Ausdrücke, Wortschöpfungen und Stilmittel entwickelt, die im Zuge der medialen Berichterstattungen, bei politischen Reden oder auch im Alltagsgebrauch schnell Verwendung gefunden haben, erklärt sie. Die Dramatik der derzeitigen Lage in Italien und die Allgegenwart der Krise schlägt sich demnach unter anderem in Begriffen wie „Pazienti no covid“ nieder, womit Patienten gemeint sind, die nicht an Corona erkrankt sind. Darin sieht die Wissenschaftlerin einen Hinweis dafür, wie sehr sich die „Normalität“ im Gesundheitssystem verschoben hat. In der Umgangssprache fänden Wortfügungen wie „Covididiota“ (siehe oben) Eingang in den regulären Sprachgebrauch.
Auch untersuchte die Romanistin die rhetorischen Mittel der öffentlichen Ansprachen verschiedener Regierungsoberhäupter, darunter die des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, Angela Merkel und des italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte. Demnach rüstete Macron verbal auf, wirkte in seiner Rede durch viele Wiederholungen und der häufigen Verwendung des Wortes „Krieg“ sehr emphatisch. Merkel dagegen argumentierte sachlich und ausgewogen, verwendete das Wort „Krieg“ einmal und appellierte häufig an Solidarität und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Conte wiederum nutzte laut Pietrini das Wort „Krieg“ in seiner Ansprache überhaupt nicht und setzte verstärkt auf Wir-Botschaften und starke Metaphern (zum Beispiel „Siamo sulla stessa barca“, zu deutsch „Wir sitzen alle in einem Boot“).
Aktuell erforscht die Sprachwissenschaftlerin die Bildung von Slogans und Hashtags in der Corona-Krise. Ihre Ergebnisse veröffentlicht sie regelmäßig auf der italienischsprachigen Internetseite des Enzyklopädie-Instituts Treccani. Wenn die Pandemie überwunden ist, sollen die bis dahin erschienenen Beiträge – zusammen mit weiteren Texten – als größere Publikation veröffentlicht werden.
raw/ DUZ Redaktion