Ich oder wir – ist Ihre Einrichtung ein Selbstbedienungsladen?
Als Beraterin lerne ich die Hochschulen und Forschungseinrichtungen des Landes ganz gut kennen. Spannend finde ich, wie individuell die Organisationen auch bei der Ressourcenverteilung „ticken“.
Dieser Artikel ist in DUZ Wissenschaft und Management in der Rubrik "Reflexionszeit" erschienen und Teil der Online-Reihe "Ratgeber" auf DUZ Wissenschaftskarriere.
Der Kampf um Ressourcen ist ein häufiger Anlass, wenn ich gerufen werde, um in Konflikten zu vermitteln. Oft geht es um Ressourcen, die von verschiedenen Lehrstühlen oder Fachgruppen geteilt werden: Räume, Nutzungszeiten von Geräten, Laborzeiten, attraktive Zeiten für Lehrveranstaltungen, Material, Mittel. Oder es geht um Personen, die verschiedenen Arbeitseinheiten oder Führungskräften zuarbeiten. Wenn es über die Ressourcenverteilung zu einem ausgewachsenen Konflikt kommt, sagt das viel über die Organisationskultur aus.
Oft gilt in dieser Hochschule die informelle Spielregel, dass nur ernst genommen werden kann, wer egoistisch ist und mit harten Bandagen kämpft. Vor Ort fallen mir meist weitere Anzeichen dafür auf, dass ich mich in einer kompetitiv ausgerichteten Organisation befinde. Das organisationale Gesamtinteresse fristet ein Schattendasein. Eine Dekanin, die mich bei einem ausufernden Ressourcenstreit gerufen hatte, fand hierfür ein passendes Bild: Es käme ihr so vor, als schöben alle riesige Einkaufswagen vor sich her. Und seien vor allem darauf erpicht, den eigenen Einkaufswagen möglichst voll mit dem zu packen, was in den Fakultätsregalen so läge, um dann an der Kasse möglichst wenig zu zahlen. Minimaler Einsatz – maximaler Benefit.
Das Zahlungsmittel in diesem Bild sind Kompromissbereitschaft, auch einmal freiwillig zurückstecken, Zeit für Gremienarbeit und akademische Selbstverwaltung investieren, Interesse für das Wohl der Fakultät insgesamt haben, sich 100-prozentig mitverantwortlich fühlen für den Lehr- und Forschungsbetrieb und den amtierenden Funktionsrollen gegenüber eine konstruktiv-unterstützende Haltung an den Tag legen. Es gibt immer mehr Fakultäts- und Hochschulkulturen, die das große Ganze im Blick haben. Dort wurden gemeinsame Antworten gefunden: Was tragen wir dazu bei, dass die Fachgruppe oder die Fakultät oder gleich die ganze Uni gut dastehen? Was ist der Nutzen unserer Arbeit für die Hochschule insgesamt? Welche negativen Auswirkungen hätte es, wenn wir Ressourcen willkürlich oder einseitig verteilen würden? Oder nach dem „Recht der Stärkeren“? Welche Ressourcen, Bürogrößen und Nutzungszeiten brauchen wir Einzelnen wirklich und wo geht es ehrlicherweise um Prestige?
Wo solche Fragen gestellt werden, steht das Organisationsinteresse über dem individuellen Wettstreit. Ich bemerke, dass sich diese aktive Gestaltung der Zusammenarbeit mehr und mehr etabliert. Und dass die übermäßige Ausrichtung am Partikularinteresse sich weiter auswächst aus der Hochschulorganisation. Weil es viele Strukturreformen gegeben hat. Und weil die kooperativ ausgerichtete Zusammenarbeit so viel mehr Freude bereitet und so viel mehr Energie freisetzt.
Wenn Sie beim Lesen Ihre eigene Hochschule im Hinterkopf hatten: Wo verorten Sie die? Eher Selbstbedienungsladen? Und das macht eher wenig Freude? Nehmen Sie das nicht länger hin. In diesem Punkt seien Sie gerne egoistisch. Fangen Sie an, Ihre Hochschule in Richtung Kooperationskultur zu schubsen. Um Ihrer selbst willen und zum Wohle aller.
DR. UTE SYMANSKI gründete 2009 Hochschulcoaching, ist Hochschulberaterin und Coach mit 20 Jahren Erfahrung im Wissenschaftsmanagement und arbeitet mit Führungspersönlichkeiten im Wissenschaftssystem.
www.hochschulcoaching.de
DUZ Wissenschaft & Management 05/2019 vom 07.06.2019