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Im November veröffentlichte das Bundesforschungsministerium sein Grundsatzpapier zur Wissenschaftskommunikation. Kritikern ist es zu unkonkret. Die Beteiligten verteidigen das Papier.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ist einer der, wenn nicht gar der „Mega-Player“ im deutschen Wissenschaftssystem. Dieses Schwergewicht in Sachen Wissenschaft, Bildung und Forschung hat sich nun in einem Grundsatzpapier des Themas Wissenschaftskommunikation angenommen. Angesichts steigender Etats für Forschung in Deutschland bei gleichzeitigem Abbau der Wissenschaftsredaktionen in Medienhäusern ein starkes Signal: Ja, Wissenschaftskommunikation ist wichtig. Für die Wissenschaft, für die Gesellschaft, für unser demokratisches System.

Was für jeden sofort ein Grund zur Freude über die Anerkennung und Aufwertung eines Themas sein müsste, muss allerdings differenziert betrachtet werden. Schnell verloren sich die vielen Kritikerinnen und Kritiker des Papieres im Klein-Klein des Alltagsgeschäfts und übersahen dabei, dass einiges Grundständiges und Bemerkenswertes aufgenommen wurde.

Es ist nicht selbstverständlich, dass das BMBF Wissenschaftskommunikation als Schwerpunkt anerkennt, um große Teile der Gesellschaft zu erreichen, auch wenn die Initiative PUSH, Public Understanding of Science and Humanities bereits seit 20 Jahren existiert. Wissenschaftskommunikation wurde in Deutschland zunächst zögerlich gefördert. Geschah sie früher „halt so“, rückt sie spätestens jetzt zu einem strategischen, bundesweit beachteten Schwerpunkt auf – dies zusätzlich belegt durch die vielen im Grundsatzpapier genannten Institutionen, Aktivitäten und Initiativen. Und vielmehr: Das BMBF setzt sich dafür ein, dass Wissenschaftskommunikation grundständig im Wissenschaftssystem verankert wird – und das ist neu. Es sagt nicht, dass jede und jeder Forschende über Wissenschaft kommunizieren muss. Dies können (und sollten an mehreren Stellen) auch bezahlte Fachkräfte übernehmen. Aber es soll ein Ende haben, dass Milliarden Euro in Wissenschaft investiert werden und die Öffentlichkeit über die Ergebnisse zu wenig erfährt. Warum erscheinen uns die USA und Großbritannien als wissenschaftliche Großmächte? Freilich nicht nur, aber auch weil sie doppelten und dreifachen Aufwand in die Kommunikation der Forschung investieren. Hier können die deutschen Wissenschaftseinrichtungen noch nicht auf Augenhöhe agieren.

Keine Daumenschrauben

Nun könnte das BMBF als Fördereinrichtung die Daumenschrauben ansetzen. Tut es aber nicht, denn das wäre zu mechanistisch. Es sucht den Austausch, die Diskussion mit den großen Förder- und Forschungseinrichtungen, um sich dabei über die besten Wege und Methoden zu verständigen. Das ist der liberale, freiheitliche Weg, der gut zur Freiheit der Wissenschaft passt – nicht die Detailverliebtheit von Ministerien.

Die Plattform #FactoryWisskomm, die eingerichtet werden soll, dient diesem Austausch. Es wird zu diskutieren sein, wer daran mitwirkt – bisher wird nur die Wissenschaft genannt. Es müssten aber auch die Medienanstalten und Verleger einbezogen werden, denn diese operieren tatsächlich täglich am Markt für Neuigkeiten.

Auch geht es nicht darum, den „Lautsprecher“ auf schreien zu stellen, sondern Wissenschaft professionell und zeitgemäß zu präsentieren. Damit sind wir auch bereits mitten im Thema Digitalisierung. Laut Statista gab es 2018 57 Millionen Smartphones in Deutschland, drei Millionen mehr als ein Jahr zuvor. Die Allgegenwart der Geräte, ihre permanente Nutzung, die ausgeklügelten Darstellungsformen und die wachsende Flut an kostenlosen Informationen prägen das Medienverhalten der Menschen. Diese erwarten, dass auch Wissenschaft professionell, verständlich und leicht auffindbar präsentiert wird. Sie werden bei der Flut von Informationen Entscheidungen treffen, welchen Informationen und Meinungen sie folgen. Diesen Wettbewerb darf die Wissenschaftskommunikation nicht verlieren. Und dabei darf das Wort „Wettbewerb“ nicht missverstanden werden: Es geht nicht um lauter („höher, schneller, weiter“), sondern um Qualität!

Es geht um Standards, die formuliert werden müssen. Einen guten Anfang haben bereits die „Leitlinien zur guten Wissenschafts-PR“ gemacht. Solche Standards müssen kommuniziert werden, es muss motiviert werden, diese umzusetzen und Standards gilt es zu pflegen und weiterzuentwickeln. Dies hat sich auch der Bundesverband Hochschulkommunikation mit seinen über 1000 Mitgliedern zur Maxime gemacht. Es geht um zeitgemäße Strategien für die Wissenschaftskommunikation, es müssen erst Antworten gefunden werden, die auch dazu führen, dass die dafür nötigen Ressourcen bereitstehen. Dabei geht es nicht nur um Personalstellen, sondern auch um Technologien.

Zudem gibt es die Kritik, dass im vorliegenden Grundsatzpapier nichts über Soziale Medien und deren Rezeption gerade bei Jugendlichen gesagt wird. Nun – jeder, der sich täglich damit beschäftigt, weiß um den rapiden Wandel der Sozialen Medien wie auch deren sich rasch verändernde Nutzungsgewohnheiten. Es mag klug sein, sich in einem Grundsatzpapier nicht in Details zu verlieren – vieles von heute kann morgen weit überholt sein.

Begeisterung wecken

Das BMBF spricht sich auch für physische Orte der Wissenschaft aus, die es fördern will – Museen, Ausstellungen, Science Center. Dies ging in der Diskussion bislang völlig unter. Wie wollen wir kommende Generationen für Wissenschaft und Technik begeistern, wenn es kein Angebot gibt, mit Menschen zu sprechen, zu streiten, von ihnen zu lernen? Ausschließlich digital werden wir keine Begeisterung wecken.

Wir waren als Vorstand des Bundesverbands Hochschulkommunikation an dem Konsultationsprozess des BMBF zur Erarbeitung des Grundsatzpapieres beteiligt. Für uns externe Einrichtungen startete die Beteiligung im August 2018. Auch ein Experten-Workshop mit Ministerin Anja Karliczek war Teil der Konsultation. Bereits während des Prozesses wurde schnell klar, dass es viel Gesprächsbedarf gab – und natürlich immer noch gibt. Viele wissen, dass sich das Grundsatzpapier in seiner jetzigen Form gegenüber der ersten Fassung grundlegend verändert hat. Auch wenn wir externen Beraterinnen und Berater an der konkreten Ausarbeitung nicht mehr beteiligt waren, ist die Bereitschaft des BMBF zur Weiterentwicklung in diesem Prozess klar zu erkennen. Wir sehen das Interessante und den nächsten großen Schritt jetzt in der konkreten Umsetzung. Gerade die vielfach kritisierte „Unkonkretheit“ des Papieres muss und wird jetzt angegangen werden. Wir sind der Meinung, dass der Anspruch einer konkreten Ausgestaltung – zumal zu allen vom BMBF angesprochenen Bereichen – an ein Grundsatzpapier nicht gestellt werden kann. Genau hierfür gibt es die jetzt kommenden Monate und vielleicht auch Jahre. Dabei wird und muss sich auch die Art und Weise der Ausgestaltung regelmäßig an die aktuellen Gegebenheiten und Veränderungen in der Wissenschaftskommunikation anpassen. Vieles von dem, was wir heute in der Kommunikation als relevant und innovativ ansehen, wird in wenigen Jahren bereits wieder überholt sein

Ein Grundsatzpapier darf sich nicht in Regelungsdetails und ausschließlich heute aktuellen Fragestellungen verlieren. Vieles bleibt zu vertiefen und wird wegen der rasanten Entwicklung in Kommunikationsinstrumenten und -verhalten immer wieder nachgearbeitet werden müssen. Die Grundlage hierfür, das Bekenntnis, unsere Gesellschaft an Wissenschaft, Technik und dem Prozess dazu mehr, anders und besser als bisher teilhaben zu lassen, hat das BMBF klar abgelegt. //


Die Autorinnen und Autoren
sind Vorstandsmitglieder des Bundesverbands Hochschulkommunikation e.V.: Jan Meßerschmidt, Dr. Utz Lederbogen, Julia Wandt (Vorsitzende), Monika Landgraf, Dr. Ulrich Marsch und Ralf Garten (v.l.n.r.)


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