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„Der Präsident muss sich kümmern“

Anfang Juli wählen die Mitglieder der Deutschen Forschungsgemeinschaft einen neuen Präsidenten. Welche neuen Aufgaben stehen für ihn oder sie an? Die duz fragte den ehemaligen DFG-Präsidenten und international renommierten Forschungsmanager Ernst-Ludwig Winnacker.

duz: Herr Professor Winnacker, Sie sind ein Freund der Frauen-Quote. Sollte der nächste DFG-Präsident weiblich sein?

Winnacker: Für die Frauen-Quote bin ich seit langem, aber auf dieser Ebene ist die Luft dafür zu dünn. Die Quote muss unten in der Breite ansetzen. Es kann ja nur einen Präsidenten geben. Da darf man nicht eine Frau um der Frau willen wählen.

duz: Sollte dann aber ein Präsident gewählt werden, der die DFG transparenter macht?

Winnacker: Die DFG ist in ihren Entscheidungen so transparent, wie es für eine solch große Organisation derzeit möglich ist. Sie gilt in der ganzen Welt als vorbildlich. Man kann natürlich immer noch mehr machen. Ich denke, man sollte einmal prüfen, ob man nicht tiefer in die Welt der sozialen Netzwerke und der Blogs einsteigen kann.

duz: Sie meinen, der DFG-Präsident sollte bei Facebook und Twitter präsent sein?

Winnacker: Nein, das bestimmt nicht, aber vielleicht sollte man darüber nachdenken, etwa die Wahl der Fachkollegien im Internet zu organisieren. Oder die Fächergruppen könnten sich überlegen, wie sie in der Community bei der Begutachtung von Anträgen miteinander kommunizieren. Vielleicht entstünde dann bei jungen Forschern nicht der Anschein der Intransparenz, sondern sie fühlten sich besser mitgenommen.

duz: Momentan ist der Unmut gegenüber der DFG aber da. Woran liegt das?

Winnacker: Gibt es ihn wirklich? Ich denke, die Exzellenzinitiative hat die DFG verändert. Plötzlich waren da knapp zwei Milliarden Euro mehr im System. Das bedeutet einen Machtzuwachs, den nicht jeder begrüßt. Das ist normal.

duz: Hat die Exzellenzinitiative der DFG  am Ende geschadet?

Winnacker: Nein, das ist nicht das Problem. Um ehrlich zu sein, mein großes Problem bei der Exzellenzinitiative war immer der Wissenschaftsrat.

duz: Wieso das?

Winnacker: Ich halte wenig von diesem Gremium, es ist viel zu sehr politisiert. Der Wissenschaftsrat ist befangen, weil er im Auftrag der Politik die Zukunft von wissenschaftlichen Einrichtungen beurteilt, über die Politiker dann entscheiden. Ich halte das für einen Interessenskonflikt, der auch in die Exzellenzinitiative hineingeraten ist.

duz: Wenn es so sein sollte, dann wäre der Wissenschaftsrat ja kein guter Berater?

Winnacker: Aus diesem Grunde bin ich der Meinung, dass man den Wissenschaftsrat abschaffen sollte. Er ist in seiner jetzigen Form nicht mehr zeitgemäß. Seine Entscheidungen dauern viel zu lange. Statt dessen sollte man für aktuelle Fragen Ad-hoc-Kommissionen einsetzen wie in den Niederlanden, der Schweiz, in Österreich und in Frankreich. Der DFG-Präsident könnte darauf hinwirken und helfen, solche Kommissionen zusammenzustellen.

duz: Wo liegen noch neue Aufgaben?

Winnacker: Bei der längst fälligen Öffnung der DFG in Richtung Europa. Mehr als 20 Jahre nach dem Ende des Kommunismus sollte die DFG ihren Forscherkollegen in Osteuropa unter die Arme greifen. Talente gibt es dort genauso wie in Deutschland. Ihnen fehlt aber das Geld. Die Forschungsorganisationen sind dort noch nicht so weit entwickelt wie unsere. Für die DFG wäre das gar nicht teuer. Die nationalen Forschungsförderer in Europa verfügen zusammen über 30 Milliarden Euro. Gemeinsam könnten sie davon 0,5 Prozent in einen Wettbewerbstopf für die osteuropäische Forschung stecken. 

duz: Die DFG wird erwidern, dass es rechtlich unmöglich sei, deutsches Steuergeld an Forscher im Ausland zu verteilen.

Winnacker: Wird in Brüssel nicht auch gerade sehr viel deutsches Steuergeld ins Ausland transferiert? Ich denke, wenn man das will, kann man es auch schaffen. Natürlich kann man so etwas nicht einfach beschließen. Der DFG-Präsident kann aber darauf hinarbeiten, mit seinen Senatsmitgliedern reden, Politiker überzeugen.

duz: Mit welchen Argumenten?

Winnacker: Im offenen Europa von heute gibt es keine nationalen Märkte für Forscher. Wer sich öffnet, lockt Leute an. In den Niederlanden oder der Schweiz kann man das beobachten. Dort gibt es diesen Schmelztiegel-Effekt, der wichtig ist für neue Ideen. Und die brauchen wir mehr denn je. Länder wie Brasilien, Indien oder Singapur holen massiv auf. China ist längst kein Entwicklungsland mehr, sondern in der Forschung mit uns auf Augenhöhe. Die DFG trägt dafür Mitverantwortung, Deutschlands Forscher im globalen Wettbewerb möglichst weit vorn zu halten. Und ihr Präsident muss sich darum kümmern.

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