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Bringt Farbe in die Theorie!

Trocken, anspruchsvoll, langweilig: So nehmen Studierende häufig die Theoriestunden wahr. Lehrende sind herausgefordert, sie vom Gegenteil zu überzeugen und die Vermittlung lebendig zu gestalten.

Grau, teurer Freund, ist alle Theorie und grün des Lebens goldner Baum. (Faust 1, Studierzimmer)

Schon in Goethes Faust kommt Theorie nicht gut weg: Die graue Theorie wird da von Mephisto dem Grün des Lebens gegenübergestellt. Kann dieser Sichtweise mehr als zweihundert Jahre und viele bildungspolitische Reformen später noch einiges abgewonnen werden?

Vielen Studierenden ist die Relevanz von Theorien nicht nachvollziehbar. Warum sollen sie sich mit Texten auseinandersetzen, die mehr als 100 Jahre alt sind? Welche Rolle spielen sie für die Gegenwart? Lehrende wiederum greifen bei der Vermittlung von Theorie vielfach intuitiv auf die eigene (Studien-)Erfahrung zurück und versuchen, die damaligen Lehrpraktiken auf die gegenwärtige Situation zu übertragen. Innovative Zugänge bleiben auf der Strecke. Frei nach Kurt Lewin (1951) gibt es aber nichts Praktischeres als eine gute Theorie, die jedoch auch angemessen vermittelt werden will. Wie soll das also funktionieren?

Definition von Theorie

Eine Theorie kann allgemein als durch Denken gewonnene Erkenntnis beschrieben werden, die im Gegensatz zu einem Wissen steht, das durch Erfahrung erworben wird. Theorien dienen in der Wissenschaft dazu, modellhaft Realitätsausschnitte zu beschreiben. Sie erklären Gesetzmäßigkeiten und helfen Prognosen über die Zukunft zu erstellen. Theoriekenntnisse sind also in der Wissenschaft grundlegend. In der bloomschen Taxonomie, die die Einordnung kognitiver Lernziele anhand verschiedener aufeinander aufbauender Lernstufen beschreibt, steht das Wissen von Fakten, Methoden und Theorien des jeweiligen Wissenschaftsgebiets auf der untersten Stufe. Das Anwenden und die Analyse folgen in den darüber liegenden Ebenen. Für das Erreichen der jeweils nächsten Stufe und den Lernerfolg ist es wichtig, dass die Basis in der jeweils unteren Stufe gelegt ist.

Herausforderung für Lehrende

Theorievermittlung für Studierende stellt für Lehrende aufgrund der Komplexität und des Abstraktionsgrades ihres Faches oft eine Herausforderung dar, ebenso wie das Verbinden von Theorie und Praxis. Wissen darüber, wie Theorien angemessen, für die Studierenden verständlich und anschlussfähig aufbereitet sowie nähergebracht werden können, hat mit Lehrkompetenz zu tun, aber auch, welchen Bedingungsfaktoren hochschulisches Lehrhandeln unterliegt. Zu wissen, wie Interaktionen zwischen Lehrenden und Studierenden ablaufen, welche didaktischen Methoden im jeweiligen situativen Kontext adäquat sind und nicht zuletzt die Reflexion des eigenen Lehrhandelns, basiert auf der Kenntnis entsprechender Lehr-Lerntheorien. Hochschuldidaktische Aus- und Weiterbildung kann dabei unterstützen, dieses Theoriewissen zu gewinnen, und erleichtert so auch die Wahl der geeigneten Vermittlungsmethoden. Einen Überblick über kompetenz-orientiertes Lehren an der Hochschule geben Sabine Brendel, Ulrike Hanke und Gerd Macke (2019).

Lernende generieren selbst wissen

Die Bologna-Reform hat vor zwanzig Jahren die Studierendenzentrierung auf den Weg gebracht und propagiert den viel zitierten Satz „shift from teaching to learning“ nach Brigitte Berendt. Dabei wird an lerntheoretische Überlegungen angeknüpft, die die Rolle von Lehrenden und Lernenden grundlegend anders konzipieren als vorangegangene theoretische Konzepte. Das Wissen ist nicht mehr im Besitz der Lehrenden, die Informationen vermitteln, sondern es wird von den Lernenden konstruiert und eigenständig erarbeitet. Damit das gelingt, stehen Lehrende den Lernenden zur Seite.

Kann dies auch eingelöst werden, wenn es um die Vermittlung von Theorie geht? Und stehen Praxisbezüge der Theorievermittlung im Wege? Die Antwort auf die erste Frage gleich vorab: Ja, es ist möglich. Und das Allerbeste daran ist: „Theorie beginnt zu leben, wenn man sie in der Praxis erproben darf“, schreibt Gelbmann (2015).

Die Rolle der Lehrenden

Veranstaltungen, bei denen Theorievermittlung im Fokus steht, lösen bei Studierenden oft Abwehrreaktionen aus. Augen zu und durch, lautet da oftmals die Devise. Gelernt wird für die Prüfung und das Gelernte gerät oft rasch wieder in Vergessenheit. Das geschieht, wenn Theorievermittlung weit weg von den Bedürfnissen und Vorstellungen der Studierenden vor sich geht. Lernendenzentrierung verlangt den Lehrenden bei der Vorbereitung einer Lehrveranstaltung einen Perspektivwechsel ab: Der Lernprozess der Studierenden steht im Mittelpunkt und erfordert ein didaktisch anderes Herangehen als etwa die Vorbereitung einer klassischen „Vor-Lesung“. 

Welche Methoden und Zugänge sich am besten für die Vermittlung theoretischer Inhalte eignen, die Studierenden unmittelbar involvieren und Theorie nachhaltig im Gedächtnis verankern, hängt von mehreren Faktoren ab. Wenn Sie eine Lehrveranstaltung planen, sollten Sie sich zuallererst fragen, wer Ihnen da gegenübersitzen wird. Egal, ob es um die Vermittlung von Theorie oder um andere Inhalte geht, es lohnt sich, vorab folgende Fragen zu stellen:

  • Mit welchen theoretischen Vorkenntnissen und welchem Wissen zu Theorieansätzen kommen die Studierenden in die Lehrveranstaltung?​
  • Welche Theorien kennen sie schon?
  • Mit welcher Motivation und welchem möglichen Interesse kommen sie in die Lehrveranstaltung?
  • Wo könnten konkrete Anknüpfungspunkte hin zum Alltagswissen der Studierenden, zu realhistorischen Problemen sein?

Auch der Kontext, in den die Lehrveranstaltung eingebunden ist, spielt für die Vorbereitung der eigenen Lehrveranstaltung eine Rolle. Achten Sie auch hier darauf, in welchen Modulen Theoriebildung und -entwicklung bereits behandelt wurden und was die Studierenden an Vorwissen mitbringen.

In einigen Fächern ist es üblich, die Vermittlung von Theorie über eine Vorlesung abzuwickeln, in begleitenden Übungen findet oftmals die Anwendung des theoretisch Gelernten statt. In anderen Fächern sind es kleinere Kursformate, in denen Studierende mit Theorien vertraut gemacht werden. Beide Formate haben ihre spezifischen Vor- wie auch Nachteile. Eine Vorlesung muss nicht immer nur passives Zuhören bedeuten, sondern auch hier kann aktiv mitgearbeitet und mitgestaltet werden. Sie hat den Vorteil, dass eine hohe Informationsdichte mit der Adressierung vieler Studierender verbunden werden kann. Faktenwissen lässt sich komprimiert und rasch transportieren. In einem Kurs hingegen reduzieren sich die Geschwindigkeit der Vermittlung und die Informationsdichte, dafür ist eine Interaktion mit den Studierenden und eine Aktivierung leichter zu erreichen (vgl. Baumann 2009).

Lässt man Studierende den Inhalt selbst erarbeiten, wirkt sich das auf das Tempo und die Fülle von Informationen aus. Der Vorteil ist, dass dabei sowohl die Entwicklung intrinsischer Motivation der Studierenden wie auch ein tiefenorientiertes Lernen gefördert wird, was mittlerweile durch eine Vielzahl an Evidenzen belegt ist (zum Beispiel von Trigwell et al., 1999; Mittelstädt 2018).

Es gibt viele Wege

Viele Wege können in der Theorievermittlung beschritten werden. Wichtig ist jedoch immer, den Studierenden zu Beginn eine Orientierung zu geben, was sie in der Veranstaltung erwartet. Auch ergibt es Sinn, während der Lehrveranstaltung immer wieder Bezüge zum bereits Gelernten herzustellen und so die Einordnung von Theorien zu erleichtern.

Eine Einführung in ein Thema kann durchaus lehrendenorientiert gestaltet sein. Dabei sollten Sie darauf achten, sich einer für die Studierenden verständlichen und dem Niveau entsprechenden Sprache zu bedienen und Theorien beispielhaft zu erklären. Studierende können aktiv miteinbezogen werden, indem Sie mit ihnen – auch im Hörsaal – in einen Dialog treten, sie nach eigenen Beispielen fragen, miteinander diskutieren lassen und besondere Schwerpunkte in der jeweiligen Theorievermittlung setzen. Theoriebezogene Fragen mit Blick auf aktuelle gesellschaftliche Prozesse und Entwicklungen eignen sich gut, um die Aufmerksamkeit der Studierenden zu wecken. So lernen sie, wie theoretische Konzepte angewendet und auf andere Situationen übertragen werden können. Dabei werden sie in ihrer Fähigkeit geschult, Fragen zu stellen, das Gelernte zu bewerten oder auch Problemlösungen zu begründen.

Möglicherweise gibt es nach der Vermittlung von grundlegenden Konzepten die Möglichkeit, Studierende Teile des Stoffs in Gruppen selbst erarbeiten und präsentieren zu lassen. Das kann zum Beispiel in eine Posterpräsentation münden. Auch andere Medien lassen sich nutzen, um theoretische Zugänge herauszuarbeiten. Wichtig ist, Studierende durch konstruktives und nachvollziehbares Feedback zu ermutigen, sich mit theoretischen Konzepten auseinanderzusetzen.

Die Neugier der Studierenden kann geweckt werden, indem geplante Irritationen oder provokative Fragen formuliert werden. Auch ist es weitaus interessanter für Studierende, sie am Erarbeiten von Problemlösungen zu beteiligen, als ihnen fertige Lösungsansätze zu präsentieren. Der Bezug zur Lebensrealität kann je nach Disziplin durch das Herstellen tagespolitischer Bezüge ebenso hergestellt werden wie durch Exkursionen, Bibliotheksbesuche oder andere Aktivitäten außerhalb des Hörsaals.

Das Nutzen von Webplattformen kann sich ebenso gut eignen, um konkrete Fragestellungen zu theoretischen Abhandlungen innerhalb von Foren zu diskutieren, und bietet Studierenden eine Möglichkeit, sich aktiv einzubringen. Das Verfassen eines gemeinsamen Wikis kann die Auseinandersetzung mit Theorien erleichtern und hat den Vorteil, dass am Ende ein gemeinsames Resultat zur Verfügung steht, das später noch genutzt werden kann.

Inverted oder Flipped Classroom liegt derzeit im Trend. Auch diese Methode, die die Reihenfolge des Wissenserwerbs vertauscht, eignet sich gut, um theoretische Grundlagen zu vermitteln. Dazu stellt die Lehrperson Materialien und Lerninhalte in Form von Textinhalten oder auch Videomaterial bereits vor der Lehrveranstaltung zur Verfügung. Die Lehrveranstaltung dient dann für Nachfragen und eine vertiefende Auseinandersetzung.  

Aktive Beteiligung ist gefragt

Nimmt man die Studierendenzentrierung ernst, bedeutet das einen höheren Grad der Mitarbeit seitens der Studierenden. Kein Zurücklehnen und keine Berieselung, sondern aktive Beteiligung ist gefragt. Dass einige Studierende dominanter und selbstbewusster als andere sind und sich öfter zu Wort melden, wird immer wieder passieren. Es liegt in der Hand der Lehrenden, Angebote auch für die stilleren Studierenden zu machen: schriftlich, über die Webplattform oder im Kleingruppensetting. Haben sich Studierende erst einmal daran gewöhnt, dass man ihnen auf Augenhöhe begegnet und sie ernst nimmt, wissen sie das meist zu schätzen.

Angebote selbst wählen lassen

Um Studierende mit auf die Reise zu nehmen, sollten Sie Folgendes beachten:

  • Vorwissen aktivieren und das Schwierigkeitsniveau berücksichtigen,
  • Aufmerksamkeit und Neugierde wecken,
  • in einer für die Studierenden verständlichen Sprache kommunizieren,
  • Praxisbezüge herstellen,
  • konstruktives Feedback als Ermutigung geben,
  • Reflexionsimpulse geben.

Um zu wissen, wie es den Studierenden auf ihrer Reise ergangen ist, nutzen Sie regelmäßig Feedbackinstrumente. Und wenn einmal etwas nicht so funktioniert, wie Sie es sich vorgestellt haben, reflektieren Sie die Situation, überlegen Sie, was Gründe dafür sein könnten, ändern Sie Ihre Methoden ab. Das Grau der Theorie kann in den Augen der Studierenden vielleicht bald schon sehr bunt erscheinen. //

Literatur

  • Augustin, Elisabeth/Hohenwarter, Michaela/Salmhofer, Gudrun /Scheer, Lisa (Hrsg.) (2015): Theorie, die ankommt. Wege der Theorievermittlung in der Hochschullehre. Leykam.
  • Baumann, Martin (2009): Hallo, ich spreche auch zu Ihnen da hinten! Wie man große Gruppen nicht nur „be-lehren“, sondern auch mit ihnen arbeiten kann. In: NHHL E 2.15.
  • Berendt, B. (1998): How to Support and Practise the Shift from Teaching to Learning through Academic Staff Development Programmes – Examples and Perspectives. In: UNESCO-CEPES (ed.): Higher Education in Europe. Vol. XXIII. Bucharest.
  • Bloom et al. (1972): Taxonomy for Educational Objectives. The Classification of Educational Goals.
  • Brendel, Sabine/Hanke, Ulrike/Macke, Gerd (2019): Kompe-tenz­orientiert lehren an der Hochschule. utb.
  • Gelbmann, Ulrike (2015): Wahrheiten muss man erproben: Theorie-Lernen durch praktische Umsetzung. In: Elisabeth Augustin, Michaela Hohenwarter, Gudrun Salmhofer, Lisa Scheer (Hrsg.): Theorie, die ankommt. Wege der Theorievermittlung in der Hochschullehre. Leykam, S. 109-115.
  • Lewin, Kurt (1951): Field theory in social science – Selected theoretical papers. Harper & Row.
  • Mittelstädt, Ina (2018): Studierendenorientierung – was heißt das? Und wie lässt sie sich in Weiterbildungen anstoßen? In: Martina Schmohr, Kristina Müller, Julia Philipp (Hrsg.): Gelingende Lehre: erkennen, entwickeln, etablieren. wbv, S. 127-147.
  • Svinicki, Marilla D./McKeachie, Wilbert J. (2014): McKeachie’s Teaching Tips. Strategies, Research, and Theory for College and University Teachers. Wadsworth.
  • Trigwell, Keith/Prosser, Michael/Waterhouse Fiona (1999): Relations between teachers approaches to teaching and students’ approaches to learning. In: Higher Education 37, pp. 57-70.
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