Rotstift-Regiment schlägt Schneisen
Europas Hochschulen bekommen die Folgen der Finanzkrise immer stärker zu spüren. Das zeigt der jüngste Finanzbericht des europäischen Universitätsverbands.
Wenn Thomas Estermann auf der Jahrestagung des Hochschulverbands EUA (European University Association) Ende März im britischen Warwick die neuesten Kürzungen der Hochschuletats in Europa in Prozente und Zahlen fasst, werden auch deutsche Hochschulchefs die Ohren spitzen müssen.
In Deutschland hält sich das Sparfieber zwar in Grenzen, doch im Ausland erfasst es Universitäten reihenweise. Das kann den auf Exzellenz und internationale Kooperationen bedachten Rektoren und Präsidenten in Deutschland nicht egal sein. Die Fakten, die Estermann für den diesjährigen Finanzbericht der EUA präsentieren muss, zeichnen ein Bild von einem europäischen Hochschulraum, der sich im Rückwärtsgang befindet. Griechenlands Hochschuletat verzeichnet im Vergleich zu 2010 ein Minus von 35 Prozent. In den Niederlanden sind es zehn und in Irland müssen die Hochschulen mit sieben Prozent weniger Geld auskommen.
Wenig Gutes verheißt auch der Blick in die Zukunft: Italien beispielsweise muss bis 2013 etwa 20 Prozent der Hochschulausgaben im Vergleich zum Jahr 2010 einsparen. Und auch die Niederlande müssen ihre Ausgaben bis 2014 noch einmal um weitere zehn Prozent zusammenstreichen. „Der Trend der Vorjahre, dass die Länder die Hochschulbudgets kürzen, hat sich 2011 fortgesetzt", sagt Estermann. Und nicht nur das. Es kommen Länder dazu, die voriges Jahr noch keine oder nur geringe Kürzungen verzeichneten. Portugal beispielsweise musste für 2011 ein Minus von rund 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verkraften. Auch für Spanien rechnet Estermann mit einem deutlichen Minus.
Gravierend sind die Kürzungen, weil die nationalen Zuwendungen laut EUA im Durchschnitt rund 75 Prozent der gesamten Einnahmen einer Hochschule ausmachen. Was passieren kann, wenn der Rotstift regiert, ist im EUA-Finanzbericht des Vorjahres nachzulesen: Hochschulen, Institute und Fakultäten werden zusammengelegt, Lehrpersonal entlassen, Gehälter für Wissenschaftler gekürzt.
Wurde zu Beginn der Finanzkrise im Jahr 2008 verstärkt an Lehrausgaben gespart, nehmen die Finanzminister mittlerweile stärker die Mittel für die Forschung ins Visier. „Zunehmend werden die Forschungsbudgets gekürzt", sagt Estermann und nennt als Beispiele Spanien und Italien. Die Kürzungen dürften sich langfristig auf die grenzüberschreitende Forschungszusammenarbeit auswirken.
Entwarnung gibt derzeit aber beispielsweise das Karlsruher Institut für Technologie (KIT). „Die Furcht ist unbegründet, da die Kooperationen mit internationalen Hochschulen meist über Forschungsprojekte getragen werden, die extern finanziert werden“, sagt KIT-Präsident Prof. Dr. Horst Hippler. Forschungsstarke und finanzkräftige Hochschulen wie das KIT können Partnerschaften über Projektmittel der EU-Forschungsprogramme und der Industrie wohl gut abfedern, kleinere Hochschulen dagegen sicherlich weniger. Estermann: „Natürlich freut es uns, dass die EU-Kommission deutlich mehr Geld in Programme wie Erasmus oder Horizon 2020 investieren möchte." Aber das reiche nicht aus. „Das, was Brüssel zusätzlich ausgeben möchte, ist im Vergleich zu dem, was national gekürzt wird, nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Estermann. So werden sich Hochschulen um alternative Finanzierungswege und -partner etwa in der Wirtschaft bemühen müssen. Doch auch die liegt in vielen Ländern am Boden.
- Internet: www.eua.be
DUZ Europa 02/2012 vom 09.03.2012