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Marketingmüll Ade

Für unabhängige Wissenschaftskommunikation brauchen wir eine Art Deutsche Forschungsgemeinschaft für Journalismus, sagt Holger Wormer, Professor für Journalistik an der TU Dortmund.

Wer hat zuletzt den Müll entsorgt?  Die Kommunikation in einer Studenten-WG, die dieser Frage in der Regel folgt, illustriert eine Grundidee von Journalismus: Je nachdem, ob die betroffenen WG‘ler oder unabhängige Beobachter sie beantworten, werden die Ergebnisse unterschiedlich sein. So wie das Vertrauen in die Aussagen unterschiedlich ausfallen wird.

Doch so sehr das Beispiel aus der angehenden Akademiker-WG einleuchtet – geht es um die Kommunikation von Forschungsergebnissen aus der etablierten Akademiker-Welt, setzt man vielerorts lieber auf Selbst- statt auf Fremdbeobachtung und hält die Wissenschaftskommunikation primär für eine Aufgabe der Wissenschaftswelt. Entsprechend landen die meisten öffentlichen Fördermittel zur Wissenschaftskommunikation dort. Künftig sollen es noch mehr werden.

Dabei muss man sich über die Finanzierung der Wissenschaft insgesamt (derzeit) keine großen Sorgen machen. Zwar mag man wissenschaftsintern oft zu Recht streiten über die richtige Verteilung auf Institutionen, Abteilungen und Disziplinen. In der Summe aber befindet sich reichlich Geld im System Wissenschaft; genug, um auch die Wissenschaftskommunikation zu verbessern, etwa indem man diese ernsthaft evaluieren lässt: Benötigt eine mittelgroße Universität neben ihren neuen Digital-Kanälen noch eine Zeitung und noch ein Hochglanzmagazin? Werden auch weniger gebildete Laien mit den Konzepten tatsächlich erreicht?

Wissenschaft und Wissenschafts-PR sind dabei gut beraten, die wissenschafts(!)basierten Erkenntnisse und Empfehlungen zur Wissenschaftskommunikation zu nutzen. Womöglich kann der selbstkritische Blick sogar dafür sorgen, im eigenen Haus den einen oder anderen überholten Marketingmüll zu entsorgen. Eine Reihe von Wissenschaftspressesprechern hat dies längst begriffen, andere bekämpfen weiter jede unbequeme Wahrheit.

Die für Evaluationen hilfreiche Forschung zur Wissenschaftskommunikation hat sich in den vergangenen Jahren in eigenen Fachgruppen und Lehrstühlen stetig entwickelt. Eine elfte (!) Wissenschaftsakademie eigens für Wissenschaftskommunikation braucht es daher ebenso wenig wie auf der Kommunikationsseite noch mehr Wissenschaftszüge, -tage, -nächte oder gar -jahre. Auch Einrichtungen wie Wissenschaft im Dialog oder einzelne Museen sind mit beachtlichen Etats für die in der Wissenschaft selbst verortete Kommunikation nach außen ausgestattet.

Zwar ist es sehr zu begrüßen, dass ein kleiner Kreis von Politikern nun verstärkt die Wissenschaftskommunikation fördern will. Statt noch mehr Geld in die Selbstkommunikation der Wissenschaft zu pumpen, sollten sie sich dabei allerdings auf einen Bereich konzentrieren, bei dem die staatliche Förderung bisher weitgehend blank dasteht: die Förderung eines unabhängigen Wissenschaftsjournalismus. Denn anders als die recht auskömmlich finanzierte Wissenschaft haben große Teile des Journalismus in Zeiten wegbrechender Werbeeinnahmen ein dramatisches Finanzierungsproblem.

Staatliche (Mit-)Finanzierung von Journalismus mag heikel erscheinen. Doch wenn man die Väter und Mütter des Grundgesetzes ernst nimmt und funktionierende journalistische Medien ebenso als Eckpfeiler der Demokratie begreift wie funktionierende Wissenschaft, ist eine solche Unterstützung eine logische Konsequenz – bevor der Eckpfeiler mangels alternativer Konzepte zerbricht.

Die Wahrung größtmöglicher Unabhängigkeit dürfte dabei nur eine Frage der richtigen Konstruktion sein: Wenn man unabhängige Wissenschaft seit bald 70 Jahren mit öffentlichen Mitteln über einen eingetragenen Verein namens DFG fördern kann, sollte dies auch für unabhängigen (Wissenschafts-)Journalismus möglich sein. Vieles aus der Selbstverwaltungseinrichtung DFG ließe sich auf eine selbstverwaltete „Deutsche Wissenschaftsjournalismusgemeinschaft“ übertragen. Ein solcher Versuch aus der Politik wäre endlich einmal ein großer Wurf bei der Förderung von Wissenschaftskommunikation – und für die Öffentlichkeit vertrauenswürdiger als jede weitere Förderung der sich selbst beobachtenden Wissenschaft: Man denke nur an die Selbstbeobachtungserfahrungen aus der Studenten-WG. //


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