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Zeit investieren in digitale Lehre

An der Dualen Hochschule Baden-Württemberg produzieren Studierende Erklärvideos mit Spielen. An der Uni Mainz entwickelt eine Professorin einen Onlinekurs, der neugierig macht auf die Kultur des Mittelalters. Zwei Vorzeigebeispiele für digitale Lehre.

Wie kann man durch „Blended Learning“, das Verbinden von Präsenz- und Onlinekursen, das Lehrangebot verbessern? Für welche Lernbereiche eignen sich „MOOCs“, die Onlinekurse, die in der Regel offen zugänglich sind und sich an eine Vielzahl von Teilnehmern wenden? Oder die Methode des „Flipped Classroom“, des „umgekehrten Unterrichts“, bei dem die Studierenden sich selbst den Unterrichtsstoff beibringen, um ihn in Präsenzphasen anzuwenden. Noch sind es meist einzelne Akteure, die mit digitalen Formen des Lehrens und Lernens experimentieren. Hochschulweite Strategien dazu sind eher selten, kritisiert das Bundesforschungsministerium.

Learn Nuggets produziert man nicht nebenbei

Zwar haben viele Hochschulen Abteilungen zur Unterstützung der digitalen Lehre eingerichtet. Doch fehlt es dort oft an Personal. Die Man- und Womanpower reicht nur für das Bereitstellen des technischen Equipments und die Beratung. Setzen sich digital eher ungeübte Lehrende selbst an den Schreibtisch, um MOOCs oder kleinere Lehreinheiten, sogenannte Learn Nuggets, zu konzipieren, braucht das viel Zeit.

Dr. Sabine Obermaier, Professorin für Ältere deutsche Literaturgeschichte an der Uni Mainz, hat sie investiert – und den Online-Kurs ‚Mittelhochdeutsch Aktiv‘ konzipiert. Auch Dr. Manfred Daniel, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in Karlsruhe, hat sich des Themas angenommen. Beide berichten hier von Chancen und Herausforderungen der digitalen Möglichkeiten.

„Alles in allem hat es ein Jahr gedauert, bis der Kurs für Erstsemester vollständig online gehen konnte“, sagt Obermaier. Ihr Anspruch war: „Der Kurs soll Spaß machen und Neugier wecken. Deshalb habe ich mit vielen lebendigen Elementen gearbeitet, die den kulturellen Hintergrund des Mittelalters vermitteln“, sagt Obermaier. Technische Unterstützung bekam sie vom Zentrum für Datenverarbeitung (ZDV) der Hochschule. Zudem gab es die Möglichkeit, an Kursen des hochschuleigenen Zentrums für audiovisuelle Produktion (ZAP) teilzunehmen, die Basiswissen zur Ideenentwicklung und Realisierung von E-Learning-Einheiten vermitteln.

Die Doktorandin nahm den Kurs mit nach frankfurt

Obermaiers Kurs wurde über die E-Learning-Plattform ILIAS auch für andere Interessierte verfügbar gemacht. „Wenn man viel Arbeit in digitale Lehrformate steckt, sollten sie für möglichst viele nutzbar gemacht werden“, sagt die Professorin. So wird auf ihren Kurs jetzt auch an der Goethe-Universität in Frankfurt zurückgegriffen. Eine ihrer ehemaligen Doktorandinnen arbeitet dort – und hat das Online-Angebot um eine Videosequenz zur Handschriftenkunde ergänzt. Finanziell gefördert durch das Mainzer Gutenberg-Lehrkolleg, konnte Obermaier sich für das Projekt zwei Semester von der Lehre freistellen lassen. Wird sie irgendwann einen zweiten Onlinekurs produzieren? „Grundsätzlich machen mir digitale Lehrformate Spaß. Aber das wäre nur möglich, wenn ich erneut dafür freigestellt würde“, sagt sie.

An der Dualen Hochschule in Karlsruhe können sich Professorinnen und Professoren, die an digitalen Lehrformaten interessiert sind, an das Education Support Center (ESC) wenden. Die Mitarbeiter dort unterstützen bei der Entwicklung digitaler Lehreinheiten. Allerdings: „Die Warteschlange ist mitunter lang“, sagt Manfred Daniel, der ehemalige Leiter des Centers. Das sei einerseits positiv, denn es zeige, dass viele Kolleginnen und Kollegen sowie externe Lehrbeauftragte sehr interessiert an dem Angebot seien. Andererseits dauere die Implementierung innovativer Lehrformate in den Hochschulalltag dadurch länger. Gute digitale Lehre steht und fällt hierzulande gewöhnlich mit enthusiastischen Hochschullehrern. An der Dualen Hochschule ist das anders. Der Wirtschaftsinformatiker Daniel hat dort vor ein paar Jahren mit einer Kollegin das Lehre-Projekt „Smile“ (Studierende als Multiplikatoren für innovative und digitale Lehre) angeschoben. In dem Projekt sind es Bachelor-Studierende der Wirtschaftsinformatik, die im 5. oder 6. Semester in kleinen Teams für Lehrende Learn Nuggets, also kleine digitale Lerneinheiten, entwickeln, beispielsweise fünfminütige Erklärvideos zu vorlesungsrelevanten Themen, mit kleinem Wissensquiz und Spiele-Elementen.

Ähnlich wie in Mainz sind auch diese Lehreinheiten für die Vorlesungen als Open Educational Resources angelegt, sind also online zugänglich auf der Plattform Moodle – und an allen Standorten der Dualen Hochschule nutzbar. Smile gehört zu den Projektlehrveranstaltungen, das heißt, die Studierenden bekommen für ihre Leistung Creditpoints. Die Lehrkonzepte, die sie entwickeln, werden benotet nach ihrer didaktischen Sinnhaftigkeit und Nutzerfreundlichkeit. 

Zur Vorlesung gibt es kleine Erklärvideos

Eine wichtige Voraussetzung für Smile sei, dass die Studierenden auf Erfahrungen zurückgreifen könnten, die sie parallel zum Studium in ihrer praktischen Ausbildung in Software-Unternehmen gesammelt hätten. Außerdem seien ihnen die Inhalte häufig sehr nahe. So konzipierten die Smile-Teilnehmer häufig Lehrveranstaltungen, die von ihnen selbst absolviert worden seien. Sie könnten auf diese Weise rückblickend in das neue Konzept einfließen lassen, was sie selbst in ihrer Veranstaltung vermisst hätten. Davon profitierten dann wiederum die nachfolgenden Studierenden. Professor Daniel hat an der Dualen Hochschule die Rolle des Smile-Coaches eingenommen, das heißt, er bringt interessierte Lehrende mit den Studierenden zusammen, schult die Teams vor ihrem Einsatz und vermittelt ihnen didaktisches Basiswissen. Die jungen Leute entwickeln dann die Software für die Lehreinheiten, aber auch Konzepte für die digitale Begleitung von Präsenzveranstaltungen oder für digitale Tests. Manfred Daniel erklärt: „Die Studierenden schließen, wie im Berufsleben, eine Art Beratervertrag mit einem Lehrenden ab. Dieser bespricht dann mit ihnen, was inhaltlich mit der Lehrveranstaltung transportiert werden soll – und überlässt es den Studierenden, ein sinnvolles wie kreatives Konzept zu vorzuschlagen“, erläutert Daniel.

Wie fühlt es sich für die Lehrenden an, wenn bei Smile die Rollen quasi vertauscht sind und Studierende die Lehrenden beraten? Damit hätten die meisten Kollegen kein Problem, sagt der Professor. Die Zufriedenheit sei unter allen Beteiligten groß. Dass die Hochschule mit Smile vor allem eine Lösung gefunden hat, um eine interne Dienstleistung für Lehrende kostenfrei anzubieten, sieht er nicht. „Es handelt sich um echte Kooperationsprojekte, in denen auch die Lehrenden gefordert sind. Sie müssen Input liefern und sich einige Zeit für Qualitätskontrolle und Feedback nehmen“, erklärt er. 

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