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Eine Frage des guten Willens

Viele reden davon, doch längst nicht alle lassen den Worten Taten folgen: In einem nationalen Kodex haben sich Hochschulen verpflichtet, ausländischen Studierenden besondere Ombudspersonen an die Seite zu stellen. Nun streiten sich Experten, wie die Berater am besten zum Einsatz kommen.

Das war sein markantester Fall: Ein ausländischer Student suchte die Hilfe von Prof. Dr. Klaus Hasemann, Ombudsmann an der Leibniz Universität Hannover. Der Student fühlte sich diskriminiert und kam mit der Teamarbeit nicht zurecht – schon gar nicht in Teams aus Männern und Frauen. Hasemann hörte sich seine Sorgen an und organisierte schließlich ein Gespräch mit Vertretern der betroffenen Fakultät. Der Student habe seinen Horizont erweitern müssen, aber auch die Fakultät einen anderen Blickwinkel erhalten. „Inzwischen klappt alles“, sagt der Ombudsmann.

Seit Mai 2010 hat Hasemann, seit kurzem außer Dienst und zuvor Studiendekan an der Fakultät für Mathematik und Physik, das Ehrenamt als „Ombudsperson zur Sicherstellung guter Studienbedingungen“, so der offizielle Titel. Damit ist Hasemann zugleich Ansprechpartner für Probleme, Sorgen und Beschwerden von ausländischen Studierenden.
Eine solche Stelle einzurichten hatte sich die Universität Hannover verpflichtet, als sie den Nationalen Kodex für ausländische Studierende unterschrieb (siehe Kasten).

Hochschulen, die sich entschieden haben, eine solche Instanz einzurichten, tun dies allerdings auf ganz unterschiedliche Weise. In Hannover arbeitet Hasemann eine Mitarbeiterin mit einer halben Stelle zu. Ausdrücklich ist Hasemann aber Anlaufstelle für alle Studierenden, egal, woher sie stammen. Seine Arbeit koste ihn etwa einen Arbeitstag pro Woche, Tendenz: steigend. Während im ersten Jahr rund einhundert Studierende bei ihm Hilfe suchten, waren es schon in den ersten acht Monaten des zweiten Jahres fast ebenso viele. Das bedeute nicht, das die Unzufriedenheit bei den Studenten wachse. „Wir werden bekannter“, sagt Hasemann. Sein Amt definiert er als „Stelle für Konfliktbewältigung, wenn andere nicht mehr helfen können“.

Im Mittelpunkt sollten nicht die Herkunft, sondern die Probleme der Studierenden stehen.

Eine spezielle Ombudsperson für die ausländischen Studierenden aber „sei nicht wünschenswert“, betont Birgit Barden, Leiterin des Hochschulbüros für Internationales an der Leibniz Universität ausdrücklich. Denn das sei eine „positive Diskriminierung“. Im Mittelpunkt sollen nicht Status oder Herkunft der Studierenden stehen, sondern ihre Probleme. Während das Büro für Internationales schon seit Jahrzehnten eingeführt ist, gilt der Ombudsmann als Novum. Darum wenden sich viele Studenten zuerst immer noch an das Büro. Das vermittelt dann an Hasemann weiter, gegebenenfalls arbeiten beide Stellen zusammen.

Doch während die Universität in Hannover „weg will von der Unterscheidung von ausländischen und deutschen Studierenden“, und deshalb die Herkunft auch nicht statistisch erfasst, geht die Technische Universität Darmstadt einen ganz anderen Weg. Seit elf Jahren bekleidet Prof. Dr. Josef Rützel das Ehrenamt des Ombudsmannes nur für ausländische Studierende. Der mittlerweile emeritierte Professor für Berufspädagogik hält diese Spezialisierung für sinnvoll. Denn ausländische Studierende hätten oft besondere Probleme, etwa bezüglich des Aufenthaltsrechts. Für einen Studenten, der nur für eine gewisse Zeit in Deutschland bleiben darf, hat eine nicht bestandene Prüfung weitreichende Konsequenzen.

Ausländern fehlen oft die Informationskanäle, über die Deutsche ganz selbstverständlich verfügen.

Darum legt Rützel wert auf sein spezifisches Netzwerk. So arbeitet er nicht nur mit seinen Kollegen oder dem Prüfungsamt zusammen, sondern auch mit der Ausländerbehörde, der Bundesagentur für Arbeit oder dem Petitionsausschuss des hessischen Landtages. „Es ist auch immer wichtig, zu wissen, wer besser helfen kann als ich selbst“, sagt Rützel. Geht es etwa um Probleme mit der Krankenversicherung des Betroffenen, wisse die Sozialberatung vom Studentenwerk wahrscheinlich besser Bescheid. Und ein weiterer Faktor spiele eine große Rolle: Ausländern fehlten oft die informellen Informationskanäle, über die die meisten deutschen Studierenden ganz selbstverständlich verfügten.

Rützel sieht die Ombudspersonen gegenüber einer in den Strukturen der Universität angesiedelten Beschwerdestelle im Vorteil. „Ich sehe nicht nur den Studenten vor mir, der durch die Prüfung gefallen ist“, sagt Rützel. Vor ihm stünde immer „der ganze Mensch“. Viele Probleme an der Hochschule seien von privaten Sorgen nicht zu trennen. Etwa wenn die Unsicherheit eines unklaren Aufenthaltstitels bis hin zu Depressionen führe, die wiederum die Leistungsfähigkeit stark einschränkten. Dann sei ein Ansprechpartner wichtig, der nicht nur in Universitätsstrukturen denke.

Ruf nach Professionalisierung

Rund zwei Stunden pro Woche plant Rützel für seine Arbeit als Ombudsmann ein. Unterstützt wird er von einer studentischen Hilfskraft. Die Kosten für das Ehrenamt beziffert er auf rund 2000 Euro im Jahr. Genau wie sein Kollege Hasemann aus Hannover hält Rützel seine Position als Professor für überaus vorteilhaft. „Wir kennen die Strukturen und Arbeitsabläufe, und wir können auf Augenhöhe mit den Kollegen sprechen.“ Ganz anderer Meinung ist da allerdings Yvonne Gaedke. Die Diplomkauffrau erforscht das Thema am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Braunschweig und sieht die Einbindung von Lehrkräften ins Beschwerdemanagement als nachteilig an: „Beschwerdebeauftragte können in eine schwierige Situation geraten, wenn sie eine Beschwerde, die sich gegen einen Kollegen richtet, vorgetragen bekommen und bearbeiten müssen.“ Zudem seien Ombudspersonen für manche Probleme – wie etwa Depressionen – oft nicht ausreichend geschult.

Informationsverlust befürchtet

Sinnvoll sei vielmehr ein professionelles Beschwerdemanagement für alle Studierenden, sagt Gaedke. „Wichtig ist, dass alle Beschwerdeinformationen zentral gespeichert werden.“ So könnten sie kategorisiert und für alle Stellen zugänglich gemacht werden. „Wenn nötig, gibt es eine Kategorie für besondere Probleme ausländischer Studierender.“ Würden Beschwerdeinformationen auf verschiedene Stellen verteilt, bestehe die Gefahr, dass wichtige Informationen verloren gingen und sich die Arbeit damit verdoppele. Bei Problemen ausländischer Studierender sollten allerdings die Mitarbeiter des International Office mit hinzugezogen werden.

Auf einen Mix zwischen professionellem Beschwerdemanagement und Ombudswesen setzt auch die Leuphana-Universität Lüneburg. Auf einer 75-Prozent-Verwaltungsstelle arbeitet Thies Reinck als Ombudsmann für Studenten. An der Hochschule gibt es zudem zwei weitere Ombudspersonen, eine für Professorinnen und eine für wissenschaftliche Mitarbeiter. Der 29-jährige Reinck hatte vor seinem Amtsantritt vor gut einem Jahr Kulturwissenschaften in Lüneburg studiert. Qua Amt ist er nun auch als Beschwerdeinstanz für die ausländischen Studenten zuständig. Für diese Aufgabe arbeitet er mit der Leitung des International Office zusammen, das hier ebenfalls als erste Anlaufstelle für ausländische Studierende gilt. Allerdings versteht Reinck sein Amt generell als weiter gefasst: Auf mehreren Workshops versucht er Studierendenparlament, den Allgemeinen Studienausschuss, Fachschaften und interessierte Studenten mit dem Universitätspräsidium ins Gespräch zu bringen. Durch einen intensiven Austausch, ist sich Reinck sicher, könnten viele Konflikte im Vorfeld erkannt und ausgeräumt werden.

Der Nationale Kodex im Überblick

Der Nationale Kodex im Überblick

Im Jahr 2009 haben die Mitglieder der Hochschulrektoren-
konferenz den „Nationalen Kodex für das Ausländerstudium an deutschen Hochschulen“ verabschiedet. Darin sind Qualitätsstandards für die Betreuung ausländischer Studierender festgelegt.

Zu den wichtigsten Standards zählen die Zugangsbedingungen zum Studium, Regeln bei der Anwerbung ausländischer Studierender sowie die Informationspflichten der Hochschule.

Zudem ist die Einrichtung von Beschwerdestellen vorgesehen. Bislang haben 122 Hochschulen unterzeichnet, die Liste ist auf der HRK-Internetseite zu finden. Unbekannt ist die Zahl der bislang eingerichteten Stellen: www.hrk.de/de/download/dateien/Beschluss_code_of_conduct.pdf

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