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„English only“ – ist das zeitgemäß?

Um in der Lehre Internationalität zu leben, ist Deutsch wichtig.

Ein Gastkommentar von Hermann H. Dieter.


Englisch ist die weltweite Verkehrssprache – auch der Wissenschaft. Wer diesen trivialen Sachverhalt heute noch jemandem erklären zu müssen glaubt, tut dies vor allem für sich selbst. Eine völlig andere Frage ist, ob Englisch als einzige Lehrsprache im Inland interkulturelles Verständnis und demokratische Partizipation fördern kann. Jedenfalls engt es den Blick auf den anglophonen Kulturkreis ein, denunziert also die Denkansätze anderssprachiger Kulturen und Wirklichkeitsraster als erkenntnishinderlich bis -feindlich.

Die einzige Antwort darauf heißt individuelle und institutionelle Mehrsprachigkeit. Sie, nicht ein vereinfachtes Englisch für alle, ist Kennzeichen gelebter Internationalität. Tatsächlich wollen die meisten ausländischen Studenten nach dem Studium in Deutschland arbeiten. Dies gelingt ihnen jedoch kaum, wenn sie keinen fachbegleitenden Deutschunterricht absolvieren konnten. Mangels sozialer und kultureller Integration verlassen sie unser Land wieder und fallen selbst in ihren Herkunftsländern als Botschafter für unsere Wissenschaft und Wirtschaft aus.

In der Lehre sind inhaltliche Defizite längst belegt, wo Dozenten in einer Sprache lehren (müssen), die nicht ihre Muttersprache ist, oder sie nicht mehr auf landessprachlich verfügbare Lehrinhalte wie zum Beispiel Rechtstexte, Methoden oder Normen in anwendungsbezogenen Fächern zurückgreifen können. Eigentlich unverzichtbare Praktika in mittelständischen Unternehmen entfallen, weil für diese die Landessprache Deutsch unverzichtbar ist.

Haben die staatlichen Hochschulen tatsächlich den Auftrag, nur noch Spezialisten für global agierende Unternehmen auszubilden, oder haben sie nicht doch einen gesamtgesellschaftlichen Bildungsauftrag? Immerhin wollen auch die meisten deutschsprachigen Absolventen einen Beruf im Inland ergreifen.

Ende Januar dieses Jahres gab das Oberste Verwaltungsgericht Italiens den Hochschulen für die Einführung rein englischsprachiger Lehrveranstaltungen strenge Bedingungen vor. Studiengänge auf Englisch sind dort jetzt nur noch parallel zu solchen in italienischer Sprache erlaubt. Die verfassungsrechtliche Situation ist auf Deutschland übertragbar. Ein Verfassungsstreit zur Sprachlichkeit der akademischen Lehre dürfte deshalb in Deutschland ähnlich klar gegen „English only“ ausfallen wie in Italien.

Mehrsprachigkeit als erkenntnisleitender Mehrwert

Gelebte Internationalität bedarf der Landessprache des Gastlandes als integratorische Klammer. Alle, insbesondere auch die deutschsprachigen Studierenden, sollten passive bis aktive Mehrsprachigkeit als erkenntnisleitenden Mehrwert begreifen lernen. Deutschsprachige Bachelorstudiengänge sollten frühzeitig auch mit fremdsprachiger Literatur vertraut machen, Masterstudiengänge anderssprachige Anteile einschließen – einschließlich verbindlicher Sprachkurse. Vertraglich langfristig verpflichtete Dozenten müssen die deutsche Sprache erlernen, die rezeptive Mehrsprachigkeit aller ist zu fördern.

Zahlreiche Wissenschaftsorganisationen – zuletzt die Hochschulrektorenkonferenz – vertreten solche Forderungen seit Jahren, doch viele Hochschulleitungen ignorieren sie konsequent. Seit Jahren ist ihre Gleichung „International = English only“ rationalen Erkenntnissen und Gegenargumenten nicht zugänglich. Ihre quasi ideologische Verbohrtheit wurde, trotz Bemühungen des Arbeitskreises Deutsch als Wissenschaftssprache, voriges Jahr auch nicht zu einem Thema des „March for Science“. Wissenschaftliches Arbeiten und Denken setzen Toleranz, gedankliche Offenheit und Neugier voraus. Interkultureller Austausch ist daher eine Conditio sine qua non für die Erweiterung wissenschaftlicher Erkenntnis. „English only“ in der Wissenschaft behindert Austausch und Erkenntnis und ist daher wissenschafts-, bildungs-, demokratie- und integrationsfeindlich."

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