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Mit 88 Jahren ...

Susanne Zank erhofft sich von ihren Forschungen ein realistischeres Bild vom Altern.

Die Kölner Psychologin und Gerontologin Prof. Dr. Susanne Zank erklärt sich das überraschende Wohlbefinden der Hochbetagten mit dem sogenannten „Zufriedenheitsparadox“: Auch wenn alte Menschen in relativ bescheidenen Verhältnissen leben und gesundheitlich beeinträchtigt sind, bezeichnen sie sich dennoch als zufrieden – zumindest subjektiv. Das liege daran, dass sie ihre heutige Situation mit der Kriegs- und Nachkriegszeit vergleichen. Und im Vergleich dazu geht es ihnen heute viel besser, erklärt Zank, die eine der vier Projektleiter ist.

Der zweite Grund: Sie sagten sich oft „Naja, mein Knie tut weh und ich habe Bluthochdruck, aber mein Nachbar mit dem schweren Schlaganfall ist viel schlechter dran“, so die Forscherin. Im Ergebnis sind 86 Prozent der Befragten mit ihrem Leben zufrieden, 60 Prozent auch mit ihrer Gesundheit. Drei Viertel der Interviewten sagten, dass sie sich nie oder fast nie einsam fühlen.

Bei der Ende September vorgestellten repräsentativen Befragung mit dem Titel „NRW80+“, in der es um Lebensqualität, Lebensbedingungen und Wohlbefinden von alten Menschen geht, wurden 1800 Senioren jenseits des 80. Lebensjahres interviewt. Mit Hilfe von Angehörigen und Pflegekräften wurden darin auch demente und schwer pflegebedürftige Rentner erfasst.

Danach lebte trotz des hohen Alters nur jeder Zehnte in einem Heim, zwei Drittel der Senioren hatten keinen Pflegegrad. Aktuell leiden sie im Durchschnitt an drei bis vier Krankheiten, wobei Bluthochdruck (60 Prozent) sowie Gelenk- und Knochenerkrankungen (45 Prozent) an der Spitze stehen. Dabei sind die Frauen etwas gebrechlicher als die Männer. Sie wohnen auch häufiger zur Miete, werden seltener privat versorgt und sind häufiger armutsgefährdet.

Freilich wächst die Unzufriedenheit der Senioren mit zunehmendem Alter und den wachsenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Entsetzt hat Zank, dass gut ein Viertel der Befragten von starken bis sehr starken Schmerzen berichtet. „Das muss man ernster nehmen“, kritisiert sie. Ebenso viele haben zumindest einige depressive Symptome, etwa fünf Prozent gelten als tatsächlich depressiv.

Psychologisch betreut werden ältere Menschen allerdings höchst selten, berichtet die Wissenschaftlerin. Obwohl sich Depressionen bei Senioren gut behandeln ließen, werde fast nie an Nervenärzte oder Psychotherapeuten überwiesen, kritisiert sie. Dabei ist die Behandlung von alten Menschen sehr spannend, weiß Susanne Zank aus eigener Erfahrung. Parallel zu Lehre und Forschung arbeitete sie jahrelang als psychologische Psychotherapeutin in der gerontopsychiatrischen Tages- und Poliklinik der Berliner Charité, wo sie vor allem depressive Patienten behandelte, unter ihnen viele 1945 vergewaltigte Frauen.

Schmerzen ernst nehmen

„Ich fand die Lebenswege sehr berührend“, sagt sie. Aber auch wissenschaftlich sei das Phänomen Altern hochinteressant. Zudem sei seit Jahrzehnten klar, dass die demografische Entwicklung immer relevanter werde. Keine andere Altersgruppe wächst so rasant wie die der Hochbetagten. Schon heute sind sechs Millionen Deutsche älter als 80 Jahre.

Zank nahm schon als Jugendliche an einem Wettbewerb über Zukunftsvisionen zum Altern im Jahr 2000 teil. Intensiver wandte sie sich dem Thema nach dem Psychologiestudium in Berlin und Kanada zu. In einem Forschungsprojekt an der Technischen Universität Berlin entwickelte sie ein Trainingsprogramm für Pflegepersonal, um die Selbstständigkeit alter Menschen – etwa beim Anziehen – zu fördern. Der Hintergrund: Unselbstständigkeit wurde durch Zuwendung belohnt.

Sie habilitierte sich mit einer preisgekrönten Arbeit über die damals noch relativ seltenen Tagespflegestätten. Bei der Evaluation stellte sich heraus, dass die ambulanten Einrichtungen bei den Betroffenen sehr gut ankamen: „Die alten Menschen sind richtig aufgeblüht“, berichtet Zank.

Es folgten Projekte zur Belastung von pflegenden Angehörigen – in einer Längsschnittstudie wurden mehr als 800 Menschen mehrfach interviewt, die sich um Demenzkranke kümmerten. Dabei stellte sich heraus, dass Tagespflegeeinrichtungen und ambulante Pflegedienste eine wirksame Entlastung für die Pflegenden darstellen. Weil viele Angehörige einräumten, manchmal die Geduld zu verlieren, „lauter“ zu werden oder voller Groll auf ihre Angehörigen zu sein, wandte sie sich dem Thema Gewalt in der Pflege zu. „Am häufigsten kommt psychische Gewalt etwa durch Anschreien oder Beleidigen vor“, berichtet die Forscherin.

Sie entwickelte ein Trainingsprogramm für Pflegekräfte in ambulanten Einrichtungen, um Verdachtsfällen besser nachgehen zu können. In den Gesprächen stellte sich heraus, dass betroffene Angehörige oft überlastet sind: „Den Allermeisten reißt einfach der Geduldsfaden“, sagt Zank. Die Forscherin wurde 2006 als klinische Psychologieprofessorin an die Universität Siegen berufen, seit 2010 leitet sie den Lehrstuhl für Rehabilitationswissenschaftliche Gerontologie an der Universität zu Köln, wo sie neuerdings auch Dekanin ist. 2016 wurde sie zur Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie gewählt. Das Altern in seiner Vielfalt zu erfassen, ist eines ihrer Ziele. Schließlich umfasse es eine Zeitspanne von mehr als 40 Jahren. Und ein zweijähriges Kind würde man ja auch nicht in derselben Kategorie erfassen wie einen 42-Jährigen.

Was zum guten Altern gehört? Zur persönlichen Lebensqualität trägt die persönliche Sichtweise bei, sagt die 61-Jährige: „Kann eine positive Lebensbilanz gezogen werden, fallen einzelne Hürden, die das Alter immer mit sich bringt, nicht so ins Gewicht.“ Einzelne Aspekte werden im Fortschrittskolleg „Wohlbefinden bis ins hohe Alter“ untersucht, dessen Sprecherin sie ist. Kinderlosigkeit etwa ist nicht grundsätzlich ein Problem. Häufig haben die Kinderlosen sogar ein größeres soziales Netzwerk. Dafür sind Großeltern, die ihre Enkel betreuen, nicht unbedingt gesünder.

Und wie stellt sie sich ihr eigenes Rentenalter vor? „Da geht es mir wie vielen Wissenschaftlern“, sagt Zank: „Ich möchte weiter forschen.“ Daher kann sie sich gut vorstellen, noch über das gesetzliche Rentenalter hinaus an der Universität zu arbeiten.

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