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Warum Hochschulen Studienberatung per WhatsApp anbieten.

E-Mails sind für Abiturienten und Studierende ähnlich old school wie Briefe. Die Jugend nutzt lieber Messenger. Sollten Hochschulen daher via WhatsApp kommunizieren? Studienberatungen und Datenschützer sind da oft anderer Meinung als Marketingabteilungen.

Die erste WhatsApp-Studienberatung in Deutschland gab es bereits 2014. Damals warben ostdeutsche Hochschulen mit der Kampagne „Studieren in Fernost“ für ein Studium in Brandenburg, Sachsen und Co. 1000 Chats gab es in der ersten Whats-App-Woche. „Die Idee kam von unserer Kommunikationsagentur“, sagt die damalige Projektkoordinatorin Petra Heydrich, Referentin im sächsischen Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung. Die Agentur – Ketchum Pleon – wurde für die Aktion sogar ausgezeichnet.

Inzwischen ist WhatsApp noch weiter verbreitet: Zwei Drittel der Deutschen nutzen den Messenger mit dem grünen Button. Und auch WhatsApp-Beratung an Hochschulen ist nicht mehr auf die Kampagne der ostdeutschen Hochschulen beschränkt. Die Universität Freiburg testet gerade sechs Monate lang WhatsApp-Beratung. An der Technischen Universität Bergakademie Freiberg bauen Marketing und Studienberatung aktuell zusammen Vergleichbares auf. Auch die Universität Magdeburg und die Universität Hohenheim bieten den Chat rund um die Studienorientierungszeit an. Andere whatsappen das ganze Jahr über, etwa die Universitäten Düsseldorf und Greifswald, die Hochschulen Mittweida, Niederrhein, Düsseldorf, Anhalt und Neubrandenburg sowie die Fachhochschule des Mittelstandes (FHM).

Marktforschung: Facebook ist total out

Die meisten geben an, die Idee nicht abgekupfert zu haben. „Bei uns haben Praktikantinnen bei einer Marktforschung festgestellt, dass Facebook total out ist und Schüler nur noch über Instagram, Snapchat und WhatsApp kommunizieren“, sagt Franziska Pollei, Marketingleiterin an der FHM. Pro Tag gingen ein bis fünf Chat-Anfragen ein.

Pollei und ihre Kollegen bearbeiten die Chats neben ihrer Marketingarbeit. „Die Zentrale Studienberatung ist nicht involviert“, sagt Pollei. Damit ist die FHM nicht allein: Fast immer gehen die WhatsApp-Initiativen von der Marketingabteilung aus. Denn nicht alle Studienberatungen sind von diesem Kommunikationsweg begeistert. So Ulrich Schmidt, Studienberater an der Universität Magdeburg: „Ein kurzer Nachrichtenaustausch kann nicht wirklich als Beratung verstanden werden“, sagt er. Den neuen medialen Gewohnheiten Rechnung zu tragen, sei zwar berechtigt. Nur dürfe man es nicht Beratung nennen, meint Schmidt. Die Marketingabteilung seiner Hochschule sieht das offenbar anders: Sie bewarb das von ihr initiierte Chat-Angebot als „Studienplatzberatung per WhatsApp“.

An einigen Hochschulen wird die Whats-App-Frage daher zur Spannungsfrage zwischen Marketing und Studienberatung: Wer hat den Hut auf? Wer entscheidet, wie man Zielgruppen anspricht? An anderen wiederum sind sich beide Abteilungen einig. So an der Universität Hohenheim. „Die Idee kam aus der Hochschulkommunikation, aber ich fand sie direkt spannend“, sagt Studienberater Ulrich Krieger. Die Studieninteressenten offenbar auch: Innerhalb von fünf Tagen chattete Krieger 233-mal.

Inzwischen geht das Projekt ins vierte Jahr. In der Praxis scheint die Frage „Darf man es Beratung nennen?“ ohnehin weniger wichtig zu sein. Denn unabhängig voneinander berichten die WhatsApp-Berater von ähnlichen Chat-Inhalten: Stimmt es, dass der NC bei 2,0 liegt? Bis wann muss ich mein Zeugnis eingereicht haben? Wo finde ich mehr Informationen? Alles Fragen, die mit einer kurzen Info oder einem Link zu beantworten sind. Für tiefergehende Beratungen verweisen die Unis und Fachhochschulen auf die telefonische oder persönliche Beratung.

Eine Ausnahme ist die Universität Düsseldorf. Sie berät intensiv über WhatsApp, bis zu 60 Minuten nehmen sich die Studienberaterinnen Zeit. Dafür müssen Studierende und Studieninteressenten per E-Mail einen Termin vereinbaren. Erst dann bekommen sie die Telefonnummer. „Bei uns melden sich über WhatsApp eher Menschen mit besonderen persönlichen Umständen“, sagt Studienberaterin Cordula Meier. Studierende mit psychischen Problemen, die sich nicht in eine persönliche Beratung trauten, Studierende mit Kindern oder pflegebedürftigen Eltern.

Kein Service rund um die Uhr

WhatsApp-Anfragen unterscheiden sich also von anderen Formen entweder im Inhalt (kurze Infos) oder in der Klientel. Andere Kommunikationskanäle scheint der Messenger nicht zu ersetzen. Braucht man also einen extra Mitarbeiter? Reicht es, ein paar Stunden pro Tag oder Woche erreichbar zu sein? Darauf antworten die Hochschulen unterschiedlich. Doch die meisten geben an, dass die chatwilligen jungen Erwachsenen verstehen, wenn nur innerhalb üblicher Arbeitszeiten geantwortet wird und nicht rund um die Uhr. Wichtig ist in jedem Fall, Personalrat und Datenschutzbeauftragte einzubinden. Denn WhatsApp gehört zu Facebook, also einem privaten ausländischen Unternehmen. Mitarbeiter dürfen nicht verpflichtet werden, WhatsApp zu nutzen, betonen Personalräte.

Für die Studierenden finden sich auf den Webseiten zur WhatsApp-Studienberatung meist ausführliche Datenschutzhinweise. Die Chats werden in der Regel rasch gelöscht, die Telefonnummern nicht gespeichert.

Zudem taucht die Frage „Beratung“ oder „nur Information“ wieder auf: Für allgemeine Fragen, die Studieninteressierte durch Internet-Recherche selbst beantworten könnten, sei WhatsApp gangbar, sagt Dr. Kai-Uwe Loser, Vorstand im Berufsverband der Datenschutzbeauftragten Deutschlands und Datenschutzbeauftragter der Ruhr-Universität Bochum. Vertrauliche Daten wie Eignung, Persönlichkeit und Qualifizierungen hingegen sollten vor den Augen der Internetkonzerne geschützt werden. „Das sollte durch niemanden mitzulesen sein“, sagt Loser. Allerdings müssten Hochschulen dann auch bei E-Mails skeptisch sein. Denn WhatsApp ist immerhin Ende-zu-Ende-verschlüsselt, also über alle Übertragungsstationen hinweg – anders als die meisten E-Mails.

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